Ausstellung zur Verfolgung jüdischer Ärztinnen und Ärzte in der Zeit des Nationalsozialismus
„Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen“
Die Zeitdokumente können noch bis zum 8. Mai in der Emil-Schüller-Straße in Koblenz besichtigt werden
Koblenz. Im Juli 2008 wurde die Ausstellung „Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen“ ins Leben gerufen und seither dreißig Mal im ganzen Bundesgebiet zur Erinnerung an den Entzug der Approbation und die Verfolgung jüdischer Ärztinnen und Ärzte im Jahr 1938 gezeigt. Ihr Titel ist angelehnt an den Aufruf des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes im März 1933. Als Kuratorin zeigte Ursula Ebell die Wurzeln der Ausstellung auf. Entscheidend stütze sie sich auf die 1988 zum 50. Jahrestag des Entzugs der Approbation vorgelegte Dokumentation Renate Jäckles „Schicksale jüdischer und ’staatsfeindlicher‘ Ärztinnen und Ärzte nach 1933 in München“, der eine authentische Vermittlung von Einzelschicksalen gelungen war. Am Anfang habe die Ausstellung aus nur zwölf Tafeln bestanden, die ausschließlich das Schicksal der rund 270 in München praktizierenden jüdischen Ärzte zeigten. Nach und nach sei sie für andere Städte erweitert worden. Eingeflossen in die Schau seien private Dokumente sowie die Ergebnisse vieler intensiver Gespräche mit Nachkommen von Betroffenen. Noch bis zum 8. Mai wird die Exposition gezeigt in Koblenz, in der Emil-Schüller-Straße 14-16, im Sitz der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, gezeigt. Um so bedauerlicher ist es, dass die Eröffnung der Wanderausstellung in Koblenz nur etwa vierzig Besucher zählen konnte. Dr. Karlheinz Kurfeß, Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung brachte in seinen einleitenden Worten zum Ausdruck, wie tief ihn diese Ausstellung, die er nun schon mehrfach gesehen habe, immer wieder beeindrucke. Dem ganzen Grauen gebe sie Gesichter, hole die Betroffenen aus der Anonymität heraus.
Leider könne man selbst heute, rund achtzig Jahre später, noch nicht behaupten, dass eine derartige gesellschaftliche Entwürdigung, Entrechtung, Diskriminierung und Ausgrenzung von Personengruppen nicht mehr möglich sei. Man müsse sich nur einmal in der Welt umschauen.
„Anständige“ Menschen blieben tatenlos
Die unter der Schirmherrschaft von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, stehende Ausstellung mahne, nie zu vergessen, denn „nichts weiter war nötig, damit das Böse erfolgreich sein konnte, als dass anständige Menschen nichts dagegen unternahmen“. Die Chronologie der nationalsozialistischen Strategie bis zu der Meldung: „Die gesamte Gesundheitspflege ist von Juden gereinigt“ präsentierten in einem wechselseitigen Vortrag das Ehepaar Dr. med. Hansjörg und Ursula Ebell, das für Idee, Recherche und Konzept der Ausstellung steht. Sie porträtierten zudem Einzelschicksale und berichteten von den Kampagnen gegen jüdische Kollegen in den Städten. Nach Erlass des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (1933) sei es Schlag auf Schlag gegangen. Nicht arischen Ärzten, die sich im kommunistischen Sinne betätigt hatten, sollte die kassenärztliche Zulassung entzogen werden. Der Ausschluss aus der kassenärztlichen Versorgung wurde aktiv betrieben durch die Repräsentanten der Ärzteschaft, die kassenärztlichen Vereinigungen und den Hartmannbund (Verband der Ärzte Deutschland).
Die vierte Verordnung zum Reichsbürgergesetz von Juli 1938 erließ ein Behandlungs-Verbot, das schließlich auf jüdische Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker ausgeweitet wurde. Doch ließen sich selbst NS-Parteimitglieder noch nach der Verordnung insgeheim von jüdischen Ärzten behandeln. Von den 52.000 Kassenärzten in Deutschland waren vor der „Machtergreifung“ rund fünfzehn Prozent jüdisch. Viele von ihnen wurden schon bis zum Jahr 1938 ins Exil getrieben. Nachdem durch den Entzug der Approbation ihre berufliche Existenz zerstört war, bereiteten andere ihrem Leben gar ein Ende. Den verbliebenen Ärzten drohte die Deportation in Konzentrationslager und ihre Ermordung. Die oftmalige Denuntiation durch Kollegen entschuldigte Ebell nicht, aber er erklärte zumindest eine Facette daraus. In Folge der Weltwirtschaftskrise hatten nämlich gerade junge Ärzte oft keine feste Stelle. Nach der Verdrängung der jüdischen Kollegen habe es für sie dann „hervorragende Berufschancen“ gegeben. Da macht es ausgleichend froh, dass es offenbar doch einige wenige mutige Ärzte gegeben hat, die das Risiko nicht scheuten, jüdische Kollegen vor der Auslieferung und Deportation zu schützen.
Mangelhafte Aufarbeitung bei der Bundesärztekammer
Sprachlos macht allerdings, dass 1956 die Bundesärztekammer die Straße ihres Sitzes in Köln auf eigenen Wunsch Haedenkampstraße taufen ließ. Immerhin war der (seit 1922) Generalsekretär des Hartmannbunds, Karl Haedenkamp, ein Befürworter und Mitwirkender der Ausschaltung der jüdischen und linken Kollegen. Nach 1945 wurde er sogar gleich wieder Hauptgeschäftsführer der neuen Bundesärztekammer. Die Haedenkampstraße wurde erst 1986 nach langem Ringen und gegen den heftigen Protest der Bundesärztekammer in Herbert-Lewin-Straße umbenannt. Dr. Ebell ergänzte, erst im Jahr 2012 habe sich die deutsche Ärzteschaft öffentlich zu ihrer Verantwortung und zu der wesentlichen Mitverantwortung an der NS-Medizin bekannt.
Dass sich aus dieser Ausstellung möglicherweise ein Impuls für Recherchen zu jüdischen Ärzten in Koblenz ergibt, kann sich Dr. Ebell, wie er ausführte, gut vorstellen. Möglicherweise gelingt es wirklich, vielleicht sogar dem sich sehr aktiv in der Gedenkarbeit betätigenden, 1997 gegründeten Förderverein „Mahnmal Koblenz“, die Wanderausstellung um Koblenzer Tafeln zu erweitern.
