Ökumenischer Gottesdienst in Koblenz thematisiert Antisemitismus im Deutschen Reich
Gedenken an Judenpogrome
Koblenz. Wie in anderen Städten und Dörfern in Deutschland inszenierten die Nationalsozialisten vor 76 Jahren auch in Koblenz eine Nacht der Zerstörung und Gewalt gegen Juden – die Reichspogromnacht. So wurde die Synagoge am Florinsmarkt zerstört, jüdische Geschäfte geplündert und verwüstet, Bürger jüdischen Glaubens misshandelt und ins Konzentrationslager deportiert. Was danach folgte, war die systematische Ermordung der jüdischen Mitbürger.
Thematischen Bogen gespannt
Das Dekanat Koblenz, der Evangelische Kirchenkreis sowie die Alt-Katholische Pfarrgemeinde St. Jakobus haben in einem ökumenischen Gottesdienst in der Citykirche am Jesuitenplatz der Judenpogrome gedacht. Die Gestaltungsgruppe des Gottesdienstes (Christiane Schall vom Katholischen Dekanat Koblenz, Superintendent Rolf Stahl, Ralf Staymann von der Altkatholischen Pfarrgemeinde St. Jakobus sowie Manfred Henkes, Claudia und Thomas Krekeler und Martin Witte von der Gruppe SPeK im Dekanat Koblenz) spannte einen thematischen Bogen von der Situation jüdischer Soldaten im Ersten Weltkrieg über eine vermeintlich „heile Welt“ zwischen den Weltkriegen bis hin zur Weltwirtschaftskrise, dem Machtaufstieg der Nationalsozialisten und der Enteignung der Juden. Hintergrund- und Zeitzeugenberichte, sowie biblische und literarische Texte wechselten sich dabei mit musikalischen Stücken ab. Mit Blick auf den Ersten Weltkrieg erinnerte der Gottesdienst daran, dass die Pogromnacht eine Vorgeschichte hatte. So fand 1916 auf Grund von antisemitischen Anschuldigungen rechtsradikaler Kreise eine statistische Erhebung im deutschen Heer statt, ob Juden ebenso häufig an der Front dienten wie „Nicht-Juden“. Das Ergebnis: absolute Parität.
Genommen wurden Hab und Gut, später Freiheit und Leben
Den Antisemitismus konnte es aber ebenso wenig dämpfen wie die 30.000 Tapferkeitsmedaillen, die jüdische Soldaten während des Ersten Weltkriegs überreicht bekamen.
Wer heutzutage noch über einen Soldatenfriedhof für Gefallene des Ersten Weltkriegs geht, der findet zwischen den Grabkreuzen immer wieder einen Davidstern, für einen Toten jüdischen Glaubens. Bei dem Gedanken, was aus den Verwandten des Gefallenen jüdischen Glaubens wohl geworden sein mag, wird die Verflechtung der beiden Katastrophen des 20. Jahrhunderts sichtbar. Als Beweis für den schon vor der NS-Machtergreifung existierenden Antisemitismus wurde im Gottesdienst das Borkumlied zitiert. Juden wurden darin zum Verlassen der Insel aufgefordert. Doch der Antisemitismus im Kaiserreich und auch in der Weimarer Republik beschränkte sich nicht nur auf die Nord- und Ostseebäder, auch in der Region Koblenz war er in der Gastronomie verbreitet, wie andere Texte zeigten.
Ab 1933 wurde der vorhandene Antisemitismus, der bis dahin eher noch unter der Oberfläche brodelte, virulent. Erst nahmen die Nationalsozialisten den Juden ihr Hab und Gut und jenen, die da blieben und nicht die Flucht ins Ausland schafften, schließlich die Freiheit und das Leben. Der Gottesdienst endete mit einem Schlussgebet nach Huub Oosterhuis und Musik der Klezmer-Gruppe „Niealldoh“, die den gesamten Gottesdienst musikalisch begleitete.
