Rundgang des Vereins Großsiedlung Neuendorf mit Bürgermeisterin Marie-Theres Hammes-Rosenstein
Geplantes Asylbewerberheim sorgt für reichlich Gesprächsstoff
Großsiedlung gilt als einer von elf möglichen Standorten - direkt betroffene Anlieger äußern Bedenken
Koblenz-Neuendorf. Regelmäßig lädt der Verein Großsiedlung Neuendorf mit seinem Vorsitzenden Gert Hoffmann Kommunalpolitiker und Vertreter verschiedener Institutionen sowie alle Interessierten zu einem Rundgang durch die Großsiedlung ein, die ein typisches Bild der Wohnraum schaffenden Quartiere abgibt, die in Deutschland insbesondere zwischen 1950 und 1980 errichtet wurden. Vor Kurzem trafen die Teilnehmer sich zu Beginn der Begehung zunächst einmal im Haus „Im Kreutzchen 14“. In dem schmucklosen Vereins-Raum kochten angesichts eines brisanten Themas schon bald die Gemüter. Aus einer nicht öffentlichen Stadtratssitzung war herausgedrungen, dass die Siedlung als einer der elf möglichen Standorte für ein Asylbewerberheim im Gespräch ist. Der Bauplatz wäre hier ein brachliegendes, mehr als 2.000 Quadratmeter großes Grundstück in der Herberichstraße.
Dass überhaupt über die Errichtung eines solchen Gebäudes nachgedacht wird, ist den weltweit zunehmenden politischen Krisen und bewaffneten Konflikten geschuldet, deretwegen sich immer mehr Menschen auf die Flucht begeben. Städte wie Trier, Mainz, Ludwigshafen und eben auch Koblenz sehen sich deshalb einer extrem schnell steigenden Zahl aufzunehmender Flüchtlinge gegenübergestellt. Diese Menschen, wie bisher dezentral in privaten Wohnungen in Lay, Pfaffendorf, Güls und anderen Stadtteilen unterzubringen, wird bei dem derzeitig sehr engen Wohnungsmarkt in Koblenz auf Dauer nicht mehr gelingen. Allein seit Januar 2013 ist die Anzahl der Asylsuchenden um rund 70 Prozent gestiegen.
„Mit etwa 660 um Asyl ersuchenden Flüchtlingen wird bis Ende des Jahres gerechnet“, legte Bürgermeisterin Marie-Theres Hammes-Rosenstein dar. Auf diese dramatische Entwicklung will die Stadt Koblenz reagieren und mit einem Wohnheim sowie einem begleitenden Eingewöhnungs-Konzept für Flüchtlinge „ihrer höchst humanitären Pflicht gegenüber diesen Menschen“ nachkommen. Doch Gert Hoffmann, dessen Ansicht von manchen direkten Anliegern und einigen Politikern, wie beispielsweise CDU-Ratsmitglied Ernst Knopp, geteilt wird, hält den Bau eines Asylbewerberheims in der Großsiedlung für eher kontraproduktiv, beträgt der Ausländeranteil in Neuendorf doch bereits über 20 Prozent und haben schon rund sechzig Prozent der Neuendorfer Grundschulkinder einen Migrationshintergrund. Gert Hoffmann fürchtet, dass „der ganze Kram dann wieder kippt“. Jahrelang habe er mit seinem Verein dafür gekämpft, dass die Ende der 1960er Jahre errichtete Großsiedlung so wird, wie sie jetzt ist - mit gepflegten Wegen und Rasenflächen, mit optisch durchaus ansprechenden und wohnlich erscheinenden Häusern. Doch in den Köpfen der Menschen leidet das Quartier unter dem negativ behafteten Namen „Im Kreutzchen“ als ein sozialer Brennpunkt, weshalb die Bewohner lieber von der Großsiedlung Neuendorf sprechen. Die stadteigene Koblenzer Wohnungsbaugesellschaft („WohnBau“) betreut hier in ihren etwa 760 Wohneinheiten rund 2.500 Mieter, wie Prokurist Matthias Wollny sagte. Die WohnBau investiert nach eigenen Angaben jährlich fast fünf Millionen Euro in die Erhaltung und Instandsetzung von Wohneinheiten in der Siedlung. Die machen mit hübschen Balkonen davor und einem sauberen Anstrich einen entsprechend gepflegten Eindruck. Weitere 120 ausländische Bewohner, wenn auch nur temporär, in der Großsiedlung unterzubringen - so viele soll das neue Asylbewerberheim aufnehmen können - hält Gert Hoffmann für eine zu große Belastung, auch wenn manch einer vielleicht denken könnte: „Da leben ja schon genug Ausländer, so fallen ein paar mehr nicht ins Gewicht.“
„Es kommen keine Ungeheuer“
Das Wort „Belastung“ hielt SPD-Ratsmitglied Heribert Heinrich für unangemessen. Er sehe die in Koblenz lebenden Ausländer eher als eine Bereicherung. Besonders dann, wenn erfolgreiche Integrationsarbeit geleistet wird, wie es auch der WohnBau mit verschiedenen Projekten in der Großsiedlung gelungen sei. Doch es ist klar, dass die Stadt hinsichtlich der Flüchtlings-Situation so bald wie möglich eine Lösung finden muss, um die „Leute unterzubringen“, ihnen ein Dach über dem Kopf zu geben und sie gut aufzunehmen, wie Hammes-Rosenstein sagte. 72 Prozent der Flüchtlinge seien Alleinreisende, viele seien Jugendliche. „Es kommen keine Ungeheuer, sondern traumatisierte Menschen“, machte die Bürgermeisterin klar. Zu dem Standort des Heims, auf jeden Fall auf einem städtischen Grundstück, sei jedoch noch keine Entscheidung gefallen. „Wir prüfen im Moment höchst sorgfältig, wo wir ein solches Haus schaffen können, wo auch die Infra- und Sozialstruktur stimmt.“ Trotzdem will Gert Hoffmann erreichen, wie er mehrfach lautstark wiederholte, dass die Großsiedlung von vornherein nicht als Alternative zur Diskussion steht. „Wir überlegen in alle Richtungen“, blieb die Bürgermeisterin bei ihrem Standpunkt. Wollny ergänzte, dass die WohnBau schon für verschiedene Grundstücke Planungen erstellt und Kosten ermittelt habe, während in der Zwischenzeit immerhin fast neunzig Personen „völlig geräuschlos“ in der Siedlung, in der fast ein Fünftel Asylbewerber seien, untergebracht wurden. Das Thema Asylbewerberunterkunft wird noch in den verschiedenen Gremien erörtert und vermutlich Ende des Jahres auch mit einem Beschluss zu dem Standort enden. Bis das Heim dann vielleicht Mitte nächsten Jahres bezogen werden kann, ist die Bevölkerung weiter aufgerufen, der Stadt geeigneten Wohnraum zur Anmietung für die Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.
Gert Hoffmann, Vorsitzender des Vereins Großsiedlung Neuendorf, vor der zur Debatte stehenden Baufläche.
