Koblenzer Literaturtage „ganzOhr“ endeten im Foyer des Forum Confluentes
In Don Tillmanns verrückter Welt
Lesung von „Das Rosie-Projekt“ mit Graeme Simsion in englischer und Robert Stadlober in deutscher Sprache
Koblenz. Die künstlerische Leiterin des Festivals, Ruth Duchstein, konnte es gar nicht oft genug aussprechen: Aus Melbourne, Australien, war er nach Koblenz gekommen, der 1956 geborene Autor Graeme Simsion, der mit seinem Anfang 2013 erschienenen Debüt-Roman „Das Rosie-Projekt“ gleich einen riesigen Erfolg landete. In über vierzig Länder verkauft, entwickelte sich das Buch zu einem Welt-Bestseller, der selbst in Taiwan und Israel eine Nummer eins auf den Bestsellerlisten war. Und nun hat auch Hollywood schon die Filmrechte für „Das Rosie-Projekt“ erworben.
Koblenz eine von vier Stationen der Deutschland-Lesereise
Auf der kleinen Deutschland-Tournee, bei der Koblenz eine von vier Stationen neben Berlin, Hamburg und Köln war, wurde Simsion am Lesepult begleitet von Schauspieler Robert Stadlober, der 2013 für den Deutschen Hörbuchpreis nominiert war. Einigen Koblenzern ist er sicher noch aus dem Jahr 2004 in Erinnerung, als er mit einem Rilke-Projekt mehrere Veranstaltungen in der Stadt hatte. Stadlober ist beim „Rosie-Projekt“ die deutsche Stimme des Romanhelden, des Genetik-Professors Don Tillmann. Das Duo Simsion/Stadlober wurde auf der Literaturbühne ergänzt von der Lektorin des Romans, Cordelia Borchardt, die als Moderatorin und Übersetzerin fungierte. Sie stellte fest, in dem vergleichsweise kleinen Koblenz die größte Zuschauerzahl der Tournee zu erleben.
Die Lesung begann Simsion in dem knorrigen und eher harten Klang des australischen Englisch. Etwas kauzig und mit fast diabolischem Gesichts-Ausdruck, den Schalk augenscheinlich im Nacken, sprach er langsam und artikuliert. Dennoch bedurfte es sehr guter Englisch-Kenntnisse, um auch den subtilen Humor der Handlung zu verstehen. Doch es gab ja noch Stadlober. Mit dem größeren Anteil der von ihm wunderbar lebensecht gelesenen Passagen gewannen die Zuhörer einen Eindruck von Don Tillmann, der nichts in seinem Leben dem Zufall überlässt, alles minutiös plant - der Faktor Zeit bestimmt seinen Lebensrhythmus. Emotionen sind ihm fremd, rationales Analysieren ist sein Metier. So beginnt er, auf der Suche nach einer Ehefrau, nach einem ersten Kennenlern-Misserfolg schließlich das Rosie-Projekt, für das er einen 16-seitigen wissenschaftlichen Fragebogen entwickelt, der von vornherein alle für ihn ungeeigneten Kandidatinnen aussortieren soll.
Don Tillmann hat viele reale Vorbilder
Eingeschoben in die Lese-Passagen waren kurze, von Cordelia Borchardt geführte Interviews mit dem Autor, der ursprünglich IT-Berater und Computerspezialist ist. Dabei klärte sie zum Beispiel, wieviel Recherche Simsion betreiben musste, um den über das Asperger-Syndrom vortragenden und selbst scheinbar an ihm leidenden Don Tillmann so anschaulich darstellen zu können. An jeder Universität gebe es Tillmanns, und wer dreißig Jahre in der IT-Branche gearbeitet habe, sei dieser Spezies ebenso häufig begegnet, grinste Simsion. Warum sich unzählige Frauen auf der Welt in die Figur des Don Tillmann verliebt haben, konnte der Autor nur vermuten. Es sei wohl Dons grundehrliches Anderssein, sein Brechen mit gesellschaftlichen Konventionen, was immer wieder zu Szenen mit wunderbarer Situationskomik führt. Don mache ständig Dinge, die man nicht erwarte, und stelle das eigentlich Selbstverständliche immer wieder in Frage. Im wirklichen Leben wäre er „total nervig“, ist sich Simsion sicher.
Als schließlich Rosie um 19.59 Uhr in Dons Leben tritt, geschieht das in einem Restaurant, wo seine „rationale Kontrolle“ wegen einer dort vorgegebenen Kleiderordnung gerade kurz davor ist, abzuschalten - er hat einmal mehr ein gesellschaftliches Problem. Rosie entspricht natürlich ganz und gar nicht Dons Vorstellungen von einer idealen Ehefrau, und doch fasziniert sie ihn sofort. Wenn sie lacht, spürt er ein Glücksgefühl. Sie hat eine Reihe lustiger Geschichten auf Lager, bringt ihn dazu, zumindest gelegentlich seine eigenen Regeln über Bord zu werfen.
Wie aus der Ungarin Klara schließlich Rosie wurde
Rosie war bei Simsion nicht immer Rosie. Anfangs habe es das Klara-Projekt mit einer ungarischen Physikerin als potenzielle Ehefrau gegeben. Doch dann habe er fast alles noch einmal umgeworfen, erzählte der Autor. Rosie zu entwickeln, sei die härteste Arbeit in den fünf Jahren der Buchentstehung gewesen. In Zusammenarbeit mit seiner Frau, die Psychiaterin ist, sei Rosie zu einer Figur geworden, die Don auf gleicher Ebene begegnet.
Am Ende der Lesung, Stadlober setzte seinen Hut wieder auf, bedankte sich Ruth Duchstein mit kleinen Geschenken bei den Ausführenden. Dem Publikum dankte sie für seine Treue, für die rege Teilnahme an den elf Lesungen des diesjährigen Festivals, auch an denen, die nicht mit großen Namen lockten. Für sie persönlich sei „ganzOhr“ das Paradies, gestand sie. Das erklärt wohl den beständigen Erfolg der Veranstaltungsreihe, deren Herz und Seele die „Reuffel“-Inhaberin ist. Und dafür schätzt sie sicher nicht nur Thomas Steinebach von der Koblenz-Touristik, der nun schon sieben Jahre lang mit ihr zusammenarbeitet.
Bei der anschließenden Signierstunde war die Reihe der mit einem „Rosie-Projekt“-Buch in der Hand Wartenden lang. Die vielen Widmungen mit deutschen Namen zu schreiben, war für den australischen Autor dabei sicherlich eine Herausforderung.
Gut lachen hatte auch Schauspieler Robert Stadlober angesichts des Erfolgs der Lesung.
