Tatort: Polizeipräsidium Koblenz
Am ersten Koblenzer Krimitag beteiligten sich acht Autoren mit einer Lesung im Polizeipräsidium
Koblenz. Ziemlich kriminell wurde es in Koblenz in der friedlichen Vorweihnachtszeit. Genau so wie in 14 anderen Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Mit dem 2011 ins Leben gerufenen Krimitag will „SYNDIKAT“, die 1986 gegründete, rund 700-köpfige Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur, erinnern an den Todestag (08.12.1938) des in Wien geborenen Schweizer Schriftstellers, das „enfant terrible“ Friedrich Glauser, der als einer der ersten deutschsprachigen Kriminalroman-Autoren gehandelt wird. Bei der Veranstaltung lasen in diesem Jahr insgesamt 140 Krimiautoren für den guten Zweck. Die Koblenzer überließen ihren Gesamterlös der Spendenaktion der Lotto-Stiftung zu Gunsten der Kinderschutzdienste Rheinland-Pfalz. Für Spannung und Nervenkitzel bei den Krimifans sorgten nicht nur die jeweils sechs-minütigen Lesungen. Beeindruckend war auch ein sehr realistisch aufgebauter Tatort, „der beste, den ich je gesehen habe“, begeisterte sich Jörg Schmitt-Kilian, Mitorganisator der Veranstaltung. Im Laub lag dort eine weibliche Leiche, während aus dem mit noch blinkendem Blaulicht im Hintergrund stehenden Polizeifahrzeug der endlos wiederholte Funkspruch „Sabine, melde Dich!“ drang. Auf die Gewinner der Eintrittskarten-Verlosung warteten keine „14 Tage im Knast“, wie Moderator Manfred Gniffke scherzte, sondern Karten für eine Geocaching-Tour durch Koblenz und natürlich Kriminalromane. Die Pause bot den Gästen die Gelegenheit, am Verkaufstisch der Buchhandlung Heimes Bücher der Autoren zu erstehen und sie signieren zu lassen. Mit großer Begeisterung aufgenommen wurde die, die Veranstaltung flankierende Musik der Polizeiband „The Magic Blues Cops“. Schmitt-Kilian brachte sich selbst dabei mit dem von ihm umgetexteten „Verdammt lang her“ der Gruppe „BAP“ als Gitarre spielender und singender Ermittler ein. Die Begrüßung der Gäste übernahm der leitende Polizeidirektor Jürgen Mosen in Vertretung des Polizeipräsidenten Horst Eckhardt. Bevor Schmitt-Kilian als Autor eine Kostprobe seines auf wahren Begebenheiten beruhenden, mit viel Lokalkolorit gewürzten Romans „Leichenspuren“ zum Besten gab, sensibilisierte der Kriminalhauptkommissar die Zuhörer für die oft bedrohliche, sogar das Leben gefährdende Arbeit der Kollegen im Polizeidienst. Große Sorge bereite die erhebliche Zunahme von Gewalt gegen die Männer und Frauen im Dienst. In einem einzigen Nachtdienst erlebten Polizisten oft mehr, als Menschen in anderen Berufen in ihrem ganzen Leben. Das wahre Berufsleben eines Kriminalpolizisten sei manchmal schlimmer, als es in Büchern je beschrieben werden könne. Und die schrecklichen Bilder des Erlebten würden nie gänzlich verschwinden. Sicher sei das mit ein Grund dafür, dass viele Polizisten zu Autoren würden – so könnten sie sich alles einmal von der Seele schreiben. Schmitt-Kilian sei es daher wichtig, in seinen Romanen auch die Gefühlswelten der in den Fall verstrickten Polizisten zu beschreiben. Und so las er dann von seinem psychisch angeschlagenen, von Alpträumen geplagten Hauptkommissar, der auf einem Hausboot in Vallendar lebt und „sex and crime“ mit Hauptkommissarin Lena pflegt. Den vierten Fall von Kriminal-Kommissarin Franca Mazzari aus dem im Februar nächsten Jahres erscheinenden Roman „Vulkanpark“ stellte Gabriele Keiser vor, die in Andernach lebende Verbands-Vorsitzende Deutscher Schriftsteller in Rheinland-Pfalz. Wie die gelesene Vater-Sohn-Szene, in der es um Gewalt und Unterdrückung und späte Triumphgefühle ging, zusammenhing mit dem Verbrechen, das sich um eine am Rande der Vulkaneifel in einem Müllsack gefundenen Leiche eines Jungen rankt, blieb allerdings im Dunkeln. Auch der Tatort in Rudolf Jaguschs Krimi „Eifelheiler“ liegt in dem an Koblenz angrenzenden Mittelgebirge. Und auch Jagusch lieferte keine Spur zum Verbrechen, der Ermordung einer Heilerin. Sein Leseschnipsel beschrieb dafür die chaotisch-komische Situation rund um ein menschliches Bedürfnis und eine defekte Toilettenspülung. Lesend demonstrierte Jagusch die Szene sehr lustig mit Ganzkörper-Einsatz. Die Eifel als Hochburg des Verbrechens beschreibt auch Hans Jürgen Sittig. Als Sohn eines Polizisten ist er rundum kreativ als Fotojournalist, Schauspieler und Hobby-Klavierspieler. Mit „Tod am Laacher See“ präsentiert er sich nun zum zweiten Mal als Krimi-Autor. Sein Hauptkommissar muss einen Mord an einer Anglergruppe aufklären. Was dieses Verbrechen mit dem (gelesenen) Verkehrsunfall zu tun haben mag, bei dem Vater, Mutter und Kind verunglücken, deren Anblick bei dem am Unfall Beteiligten einen Weinkrampf auslöst, war nicht zu ermitteln. Als Dichter-Kollege wird Schutzpolizist Martin Freisberg bezeichnet, der Pressemeldungen früher auch gerne einmal in Reimform brachte. Aus „Reime in Handschellen“ trug er vor, wie sich eine auf „Grün“ stehende Ampel auf das Fahrverhalten eines Autofahrers auswirken oder warum eine Gulaschsuppe nach einem Einbruch in eine Imbissbude etwas eigenartig schmecken kann. In Sizilien spielt Mona Miskos Krimi „Tod in der Kalurabucht“. Die 1947 geborene als freie Journalistin arbeitende Autorin moderierte Gniffke mit Flirteinlage an. Ihre weibliche Kommissarin hat den eiskalten Mord an einer jungen Frau aufzuklären. Misko brachte die mit italienisch-sprachigen Ausrufen gespickte Szene zu Gehör, in der zwei Jungen die Leiche auf der Hotel-Terrasse in Cefalù entdecken. Bis zu seiner Pensionierung ermittelte Gerhard Starke für die Mordkommission in Koblenz. Mit Unterstützung des Autors Christoph Kloft brachte er „seine“ Verbrechen und ihre Vorgeschichten in „Mehr werdet ihr nicht finden“ zu Papier. Dabei erstaunt besonders, welche oft harmlos erscheinenden Motive einen Menschen zum Straftäter machen können. Was Starke als „Kostprobe“ vortrug, war ebenso unvorstellbar wie unappetitlich. „Mehr werdet ihr nicht finden“, sagte der Täter aus, als er nach einem Fund von mit Spuren von Reis und Rotwein behafteten Leichenteilen zu fehlenden weiteren befragt wurde. „Schwer verdauliche Kost“ kommentierte Gniffke diese Leseprobe sarkastisch. Für Aufheiterung danach sorgte mit „sinnlosem rheinischen Frohsinn“ die Autorin Sabine Trinkaus. Seit fünf Jahren schreibt sie ihre vielfach ausgezeichneten kriminellen Kurzgeschichten. Aus ihrem im Februar dieses Jahres erschienenen ersten Roman „Schnapsleiche“ um das Verschwinden eines Schnapsfabrikanten las sie von den beiden weiblichen Privatermittlern, die in einer dunklen Raucherkneipe auf die skurrilsten Gestalten treffen. Sehr lebensecht setzte die Autorin das alkoholgenussbedingte Lallen der Protagonisten um. Die letzte halbe Stunde des Krimitages gehörte noch einmal der Musik. In einer Jam Session für eine kleine Gruppe noch ausharrender Gäste bot die Band Blues und Rock vom Feinsten. Ob sich Koblenz auch 2013 am Krimitag beteiligen werde, beantwortete Mitorganisatorin Eva Pfitzner vom „Leserattenservice“ in Anbetracht der 230 Gäste mit: „Das war doch eine Abstimmung mit Füßen!“ BSB
Moderator Manfred Gniffke (l.) mit Jörg Schmitt-Kilian.
