Sonderausstellung im Koblenzer Mittelrhein-Museum
Werke aus 60 Jahren Mary Bauermeister
Nach mehr als 40 Jahren kehren ihre Arbeiten nach Koblenz zurück - Ausstellung läuft bis zum 1. November
Koblenz. Mehr als 40 Jahre nach der ersten Ausstellung im Jahr 1972 sind Mary Bauermeisters Arbeiten jetzt wieder im Koblenzer Mittelrhein-Museum zu sehen. Beim ersten Mal war Maria Velte Museumsdirektorin (1964-73). Sie hatte Mary Bauermeister 1960 in deren Kölner Atelier kennengelernt, das als Treffpunkt der Avantgarde galt. Mit der ersten großen Retrospektive „Mary Bauermeister - Gemälde und Objekte 1952-1972“, die Mary Bauermeisters damaligem Ehemann, dem Komponisten Karlheinz Stockhausen gewidmet war, holte Maria Velte die Künstlerin nach Koblenz. 2015, bei der Eröffnung der bis zum 1. November laufenden Sonderausstellung „Mary Bauermeister. Da Capo - Werke aus 60 Jahren“ ist die Künstlerin abermals in Koblenz. Der Titel „Da Capo“, also von Beginn an, gelte nicht nur für die Ausstellungsgeschichte des Museums, sondern auch für die Werkschau der Künstlerin, führte Dr. Matthias von der Bank, der heutige Direktor des Mittelrhein-Museums, bei seiner Einführung in die Ausstellung aus. Denn eine ganze Reihe von Arbeiten, die schon 1972 gezeigt wurden, seien in der Sonderausstellung jetzt wieder dabei - und zwar im Untergeschoss des Museums.
Schon in diesen frühen Arbeiten sei bei der vom Nachkriegs-Deutschland geprägten, 1934 in Frankfurt am Main geborenen Künstlerin der Wille zum Bruch mit dem herkömmlichen Verständnis von Kunst und zu einem Neuanfang zu erkennen. Leben und Werk der umtriebigen und inspirierenden Künstlerin Mary Bauermeister durchdringen sich, werden zu einem Gesamtkunstwerk, stellte der Kulturdezernent der Stadt Koblenz, Detlef Knopp, in seiner Begrüßungsansprache heraus. Schon vor fünf Jahrzehnten habe sie sich im Glauben an die Kunst als Lebens-Bereicherung mit jungen, experimentierfreudigen und innovativen Künstlern aller Gattungen umgeben. Mary Bauermeister und ihre heute weltbekannten Künstlerkollegen wie John Cage, Benjamin Patterson, Joseph Beuys, Yoko Ono, Ben Vautier gelten als Begründer der „Fluxus“-Kunstrichtung.
Durchbruch in Amerika
Nachdem Mary Bauermeister 1962 nach New York gegangen war, weil die Menschen in Amerika in Sachen Kunst offener und neugieriger waren, erlebte sie dort ihren künstlerischen Durchbruch zu einer Zeit, als in Deutschland die Kunstszene fast ausschließlich von Männern dominiert wurde. Von der Anarchistin, die sie damals war, habe sie sich mittlerweile entfernt, sagt Mary Bauermeister. Heute hätten Künstler andere Aufgaben, zum Beispiel das Wiedereinbringen ordnender Prinzipien. Ein Künstler reagiere auf gesellschaftliche Veränderungen. Entsprechend vielschichtig sei ihr Werk. Beim Rundgang durch die Ausstellung entstehe der Eindruck, Mary Bauermeister explodiere nahezu vor Ideen und Schaffensdrang, bestätigte Dr. Ulrike Wirtler, die zusammen mit Matthias von der Bank die Ausstellung kuratierte.
Typisch für die Kunstszene Ende der 1950er Jahre, als vielfach Alltagsgegenstände Teil der Kunstobjekte wurden, seien bei Mary Bauermeister die zu Lichtkästen und -skulpturen verwandelten Bettlaken sowie ihre Steinbilder. Große Erfolge feierte sie besonders in Amerika mit den kleinteiligen und detailverliebten Linsenkästen. Das sind Holzboxen mit darin hintereinander liegenden, gestalteten Bildebenen aus Glas und darauf sitzenden Lupen, Linsen und Prismen. Gerne kombiniere die Künstlerin Organisches mit Anorganischem, wie beispielsweise bei den „Sandwaben“ von 1962. Und oftmals nehme sie augenzwinkernd Bezug auf ihre persönlichen Anekdoten. In das Objekt „Zeichnungsbaum“ von 1964 arbeitete sie eine Partitur ihres Geliebten, Karlheinz Stockhausen, ein. Ihre Erinnerungen an nächtliche Luftangriffe mit Phosphorbomben im Zweiten Weltkrieg führten zu den phosphorisierenden Werken „Leuchtkabinett“, die sie seit rund sechzig Jahren kreiert. In einer Art Dunkelkammer werden sie durch spezielle Beleuchtung zu irisierenden Farbflächen.
Koblenz als Premierenort
Die drei großformatigen Raum-Installationen stellte Matthias von der Bank den Vernissage-Gästen vor. Um den für sie benötigten Platz zu schaffen, räumte der Künstler Heijo Hangen, der der Ausstellungseröffnung beiwohnte, „seinen“ Dauer-Ausstellungsraum im Museum. Hier ist jetzt Mary Bauermeisters „Zuvielisation“ untergebracht, das in Koblenz zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert wird. Die vor einem riesigen Tisch angeordneten sehr kleinen und sehr großen Stühle sollen das Zuviel und Zuwenig symbolisieren, während sich drum herum ein ganzer Kosmos an kleineren, für Arm und Reich stehenden Objekten entfaltet. Ebenso sozialkritisch erscheint das im Eingangsbereich des Museums, erst wenige Minuten vor Ausstellungseröffnung fertig gewordene „Weltkulturerbe“. Eine Art Weihnachtspyramide, in der Elektroschrott und andere Hinterlassenschaften der menschlichen Zivilisation aufgebaut sind, die den Werdegang vom Homo Sapiens zum Homo Demenz dokumentieren sollen.
Durch den, die Museumsgeschosse verbindenden Treppenaufgang windet sich ein 36 Meter langer, aus goldenen, roten und schwarzen Stoffbahnen geflochtener Zopf mit einer Schere an seinem dicken Ende. Er steht für den alten Zopf, den Mary Bauermeister in künstlerischer Freiheit Friedrich dem Großen abschneidet, und ist zugleich als Verneigung vor der deutschen Demokratie- und Freiheitsbewegung anzusehen. Die Symbole für Freiheit und Einheit, die Farben der Deutschlandflagge, will sie in Gold-Rot-Schwarz umkehren, damit die für Transzendenz stehende Farbe Gold oben steht.
Begleitend zu Mary Bauermeisters Ausstellung im Mittelrhein-Museum läuft in der Galerie Rosemarie Bassi in Remagen die Ausstellung „accompagnata“ mit weiteren Werken der Künstlerin. Und das Koblenzer Ludwig Museum stellt die Ausnahmekünstler, den Fluxus-Mitbegründer John Cage und den in den 1960er Jahren zu den wichtigsten Künstlern der Ostblockstaaten zählenden Milan Grygar einander gegenüber. Ein umfassendes Begleitprogramm bietet das Mittelrhein-Museum zur Mary-Bauermeister-Ausstellung. Auf besonderes Interesse stoßen wird dabei, außer den Gelegenheiten zu Gesprächen mit der Künstlerin, die im Rahmen des Mittelrhein Musik Festivals angebotene Veranstaltung am 3. September um 19.30 Uhr, bei der unter anderem Mary Bauermeister aus ihrer Autobiografie „Ich hänge im Triolengitter“ liest, die die Ehe- und Liebesbeziehung zu Karlheinz Stockhausen beleuchtet. Ebenso interessant verspricht am 23. September um 18 Uhr die Vorführung des Dokumentarfilms „Mary Bauermeister - Die 50er und 60er Jahre“ zu werden. Zur Langen Nacht der Museen am 5. September führt Museumsdirektor Matthias von der Bank um 21.30 Uhr durch die Ausstellung. Weitere Details finden sich auf der Homepage des Museums: www.mittelrhein-museum.de.
Mary Bauermeister demonstrierte die Ausmaße des größten Stuhls ihrer Installation „Zuvielisation“.
