Politik | 02.10.2023

Staatssekretär diskutierte mit Betroffenen über Jagdgesetzentwurf

Mehr Wald statt Wild? Jäger kritisieren neues Jagdgesetz

Auf dem Podium (v.l.): Frank Ridderbusch, Regionalleiter Nord der Zentralstelle der Forstverwaltung der Landesforsten Rheinland-Pfalz, Lydia Burkhardt und Laura Steinbach, Referentinnen, Oberste Jagdbehörde und Landesjagdpolitik mit Staatssekretär Dr. Erwin Manz vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität. Am Pult: Ellen Demuth.  Fotos: AWi

Windhagen. Landtagsabgeordnete Ellen Demuth (CDU) hatte kürzlich ins Forum Windhagen geladen, um mit Staatssekretär Dr. Erwin Manz (Bündnis 90/Die Grünen) vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität (MKUEM) über den in Jägerkreisen äußerst umstrittenen Entwurf zur Neufassung des Landesjagdgesetzes (LJG) Rheinland-Pfalz (RLP) zu diskutieren. Viel Kritik sei ihr zugetragen worden und deshalb habe sie den Termin anberaumt, leitete Demuth die Runde ein und freute sich, verbunden mit einem ausdrücklichen Dank an ihn, dass Dr. Manz zugesagt habe. Rund 60 Jäger waren der Einladung gefolgt.

Weil der Wald nicht wächst, muss Wild besser reguliert werden

Für Unbeteiligte ist schwer zu durchschauen, warum da so vehement seitens der Jägerschaft aufbegehrt wird. Im Koalitionsvertrag vom Mai 2021 hat sich die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP auf Seite 42 auch darauf geeinigt, das Jagdgesetz zu reformieren. Vereinfachte Wildschadenregulierung, Stärkung der Grundeigentümerrechte und auch das Wildmanagement im Hinblick auf die Waldschäden sind dort z.B. genannt. Zwei Jahre hat das Ministerium mit 14 Verbänden und Interessengruppen gesprochen und Ende Juni einen Entwurf vorgestellt.

Und seitdem bläst die Jägerschaft zur Jagd gegen das Gesetz. Denn kurz gefasst heißt es da: Mehr schießen, um dem Wald zu helfen. Beispielsweise soll der Grundstückseigentümer, z.B. der Waldbesitzer, künftig auch selbst schießen, oder Dritte damit beauftragen dürfen. Das Gesetz knüpft an dieses Recht keine nachprüfbaren Bedingungen, wie zum Beispiel zu hohen Verbiss. Nicht heimische „Waldfresser“, Sikawild, Mufflons und Damwild, einst angesiedelt, um mehr jagdliches Wild im Revier zu haben, sollen außerhalb geduldeter Gebiete ohne Schonzeit geschossen werden. Aber auch die Jagdhundausbildung soll z.B. künftig u.a. nicht mehr an der lebenden Ente erfolgen. Es gibt auf 118 Seiten Gesetzentwurf und Erläuterungen zig Änderungen und Erweiterungen im Vergleich zum vorherigen Gesetz von 2010.

Der Landesjagdverband (LJV) RLP hat eine kompromisslose Sicht auf die Dinge: Er hat eine Kampagne gestartet, damit der Entwurf „weg kommt“. Und dann würde er auch an einem Waldpakt Rheinland-Pfalz mitwirken, heißt es auf der Kampagnenseite des LJV-Internetauftrittes. Und wenn der Entwurf bis Mitte November nicht zurückgenommen würde, werde man alle erforderlichen Maßnahmen zur Abwendung ergreifen, wird dort gedroht. Der LJV vertritt rund 90 Prozent der etwa 20.000 Jäger in Rheinland-Pfalz.

Sachliche Diskussion in Windhagen

42 Prozent der Landesfläche in RLP sind von Wald bedeckt. Und „die Klimafolgeschäden in unseren Wäldern machen es erforderlich, dass sich etwas bei der Jagd ändern muss“, betonte Dr. Manz in der Vorstellung der Gründe für die Novellierung des Gesetzes. Denn oft würde nicht so gejagt, wie es erforderlich wäre, damit sich der Wald verjünge. Und er bat um respektvollen Umgang, denn ähnliche Veranstaltungen sind wohl bereits aus dem Ruder gelaufen.

Da ging es in Windhagen deutlich sachlicher und fair zu. Dr. Manz erläuterte, dass bis 15. Oktober die Verbändeanhörung erfolge und dann der Entwurf unter Berücksichtigung der Einlassungen überarbeitet wird. Die Jäger nutzten die Chance und argumentierten fundiert. Natürlich gab es auch hier den „Alles-Grüne-Ideologie-Zwischenruf“, aber der verhallte. Stattdessen wurde z.B. unter Beifall sehr deutlich gemacht, dass die Jagdberechtigung der Grundeigentümer im Pachtrevier praxisfern, nahezu unkontrollierbar, ja sogar gefährlich sei. Auch die schonzeitlose Jagd auf Muffel-, Dam- und Sikawild sei nicht zielführend und ebenso wenig tierschutzgerecht wie notwendig.

Das MKUEM wurde auch aufgefordert, den Empfehlungen des Tierschutzbeirates RLP, der das Ministerium berät, zu beachten. Der empfahl nämlich, wie BLICK aktuell auf Nachfrage erfuhr, nach Vorbild einer in Stuttgart geschlossenen Vereinbarung weiterhin Jagdhunde in RLP an der lebenden Ente auszubilden. Das neue Gesetz jedoch verbietet das.

Auch die dort formulierte Vorgabe, Muttertiere von Schalenwild nicht zu schießen, so lange sie Jungtiere säugen und führen, ist aus Sicht mancher ein fataler tierquälerischer Fehlschuss: Eine Veterinärmedizinerin und Mitglied des Beirates erläuterte BLICK aktuell gegenüber im Telefonat, dass auch nicht mehr gesäugte Jungtiere der Führung bedürfen und das länger als bis November nach der Geburt. Würden die Muttertiere dann nach neuem Recht geschossen, verendeten die Jungtiere qualvoll. Das gelte auch für Wildschweinfrischlinge, die auch nach der Streifenlosigkeit im Fell noch nicht selbständig seien.

Aber es gab auch noch andere Einwürfe: Der gesunde Menschenverstand würde reichen, Bäume wüchsen schon von allein, es dauere eben einfach jetzt länger, man habe das Recht zu jagen, aber nicht die Pflicht, den Wald wieder herzurichten, es brauche schlicht kein neues Gesetz. Ebenso nicht für den Umgang mit dem Hund, da wisse man selbst, was gut sei. Auch die Formulierung im Gesetz, dass sich der Jäger respektvoll verhalten solle, gefalle nicht.

Wie stehen andere Interessengruppe zu dem Thema?

Wie sehen andere Betroffene, die nicht in Windhagen dabei waren, die Novelle? BLICK aktuell fragte nach.

Im Telefoninterview bestätigte Dr. Wolfgang Schuh, Chef des Waldbesitzerverbandes RLP, dass natürlich etwas geschehen müsse und es so wie bisher nicht weiter gehe. Von den 800.000 Hektar Wald in RLP seien seit 2018 48.000 Hektar durch Trockenheit und Käfer weg. Sechs Prozent. So viel könne man nicht neu anpflanzen, einzäunen oder mit Verbissschutz versehen; dafür brauche es Naturverjüngung, die nicht gleich weggebissen werde.

Viele Regelungen im Entwurf seien gut gemeint, aber nicht unbedingt gut gemacht. Dr. Schuh setzt auf Dialog mit allen Beteiligten, um hier im Sinne beider, Wald und Jagd, zu guten Ergebnissen zu kommen. Die kompromisslose Haltung des LJV hält er für eher wenig zielführend.

Die untere Jagdbehörde des Westerwaldkreises teilte auf Anfrage u.a. mit, dass sie die geplante Novellierung des Landesjagdgesetzes durchaus kritisch sehe, und nennt auch beispielhaft die Grundeigentümerthematik. Auch enthalte der Gesetzesentwurf etliche Neuregelungen, die überhaupt nicht nötig erscheinen. Die unteren Jagdbehörden sind die, die u.a. die Umsetzung des LJG überwachen müssen.

Der Ökologische Jagdverband, ein kleiner, nicht so mitgliederstarker Verband, sieht den Entwurf positiver. Er zitiert seinen RLP-Ortsverband-Vorsitzenden, Thomas Boschen: „Der Regierungsentwurf ist innovativ, modern, mutig und zukunftsorientiert. Die Richtung stimmt und die Schritte zur Modernisierung der Jagd sind überfällig. Es wird viele Gewinner geben: die Artenvielfalt, den Tierschutz, die Grundeigentümer, das Gemeinwohl und die Wälder unserer Enkel- und Urenkel-Generationen“.

Sabine Yacoub, BUND-Landesvorsitzende RLP, teilte u.a. mit: „Grundsätzlich sehen wir die Änderung des LJG positiv und begrüßen, dass die ökologische Wiederbewaldung einen wichtigen Stellenwert erhält. Ein ökologischer Blick und damit verbunden eine naturgemäße Waldwirtschaft […], bekommt aber vor dem Hintergrund des Klimawandels und der aktuell dadurch entstandenen Schäden insbesondere in Fichtenforsten nochmal eine wichtigere Bedeutung“. In einer Pressemitteilung des BUND wird Yacoub zitiert: „Ich kann nachvollziehen, dass Jägerinnen und Jäger sich mit einigen Neuerungen schwertun. Es sollte ihnen aber klar sein, […] dass die neuen Regelungen deshalb getroffen werden, weil die Wildregulierung bisher nicht funktioniert hat und deshalb die natürliche Waldverjüngung in vielen Bereichen nicht stattfinden kann.“

Nicht alle über einen Kamm scheren

Zwei Wortmeldungen gegen Veranstaltungsende sendeten konstruktive Signale. Man wisse schon lang, dass der klimageschädigte Wald Hilfe brauche. Aber das Ministerium möge auch berücksichtigen, dass es Wälder und geschädigte Flächen gebe, wo alles sehr gut liefe und die Jäger tun, was zu tun sei, damit der Wald natürlich weiter- und nachwachsen kann. Das Ministerium möge bitte daher nicht ein Gesetz auch über solche nicht Betroffene schütten. Dr. Manz griff das nach gut zwei Stunden Austausch auf: „Ich nehme mit, dass ein wichtiger Aspekt ist, dass durch das Gesetz nicht alle bestraft werden sollen“.

Es bleibt abzuwarten, was in dem überarbeiteten Entwurf, der dann dem Parlament vorgelegt wird und am 1. April 2025 als Gesetz in Kraft treten soll, angepasst wird und ob es hilft, die dramatische Waldsituation im Einvernehmen mit der Jägerschaft zu verbessern.

Ellen Demuth bedankte sich am Schluss bei allen Beteiligten und war, so äußerte sie sich gegenüber BLICKaktuell, mit der Veranstaltung gerade hinsichtlich der Beteiligung zufrieden. Auch Dr. Manz sei mit dem Verlauf und den Impulsen in Windhagen zufrieden gewesen, sagte er auf Nachfrage.

Erst die Trockenheit seit 2018 und dann der Borkenkäfer und auch die großen Stürme sorgten für immense Kalamitätsflächen im ehemaligen Nadelholzbestand im ganzen Land.

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