Politik spricht sich gegen die Erhöhung der Grundsteuer aus

Mehrheitskoalition wirft Rechnungshof skandalöses Verhalten vor

Mehrheitskoalition wirft Rechnungshof skandalöses Verhalten vor

Der Rechnungshof hat OB Jan Einig aufgefordert, den vom Stadtrat beschlossenen Haushalt 2020 auszusetzen. Foto: FF

Neuwied. Manchmal nehmen Debatten im Stadtrat eine ganz eigene Dynamik auf. Eigentlich ging es im Tagesordnungspunkt 14 um die Unterstützung von Gastronomie und Einzelhandel, für die sich der Stadtrat auch einstimmig aussprach (wir berichteten). CDU-Fraktionschef Martin Hahn informierte im Zusammenhang mit dieser zu erwartenden Mindereinnahmen, über das so wörtlich „unmögliche Vorgehen“ des Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz. Im Mai besuchten die Beamten das Rathaus und knöpften sich den Haushaltsentwurf 2020 vor. Als Ergebnis forderte Rechnungshof Direktor Andreas Utsch Oberbürgermeister Jan Einig auf, den beschlossenen Haushalt auszusetzen. „Das ist ein einmaliges Vorgehen in der Geschichte der Stadt Neuwied“, schimpfte Martin Hahn. Er bezeichnete die Forderung nach einem neuen Haushalt als „Frechheit“. Der Rechnungshof dürfe die Rechte des Stadtrats nicht beschneiden. Konkret werfen die Beamten der Stadt Neuwied vor, nicht alle Maßnahmen ergriffen zu haben, das Defizit so gering wie möglich zu halten. Daher sei der Beschluss des Stadtrats gemäß des Haushaltsausgleichsgebots schlichtweg rechtswidrig. Der Oberbürgermeister müsse kraft seiner Rechtspflichten den Haushaltsentwurf aussetzen. Im Gegensatz zum Jahr 2019 sieht der Haushaltsplan eine Verschlechterung um rund 900.000 Euro auf minus 9,8 Mio. Euro vor. Allerdings ist bereits zum jetzigen Zeitpunkt sicher, dass die Planungen wegen der Corona-Krise nicht aufgehen werden. Aufgrund der Mindereinnahmen dürfte sich das Defizit im Nachtragshaushalt verdoppeln. Konkret fordert der Rechnungshof die Erhöhung der Grundsteuer B. Nach Ansicht des Rechnungshofs könnte der Hebesatz von derzeit 420% durchaus auf 814% angehoben werden. Laut Rechtsprechung seien selbst Hebesätze von 995% verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Stadtrat hatte nicht zuletzt aufgrund der Corona-Krise bewusst auf die Anhebung der Hebesätze verzichtet. Entsprechend einig zeigte die Politik in ihrer Reaktion auf den Bericht des Rechnungshof. SPD-Chef Sven Lefkowitz schloss sich der Kritik der Mehrheitskoalition an. Erstaunt zeigte sich auch Dietrich G. Rühle. Für die Liberalen ist der Ruf nach Steuererhöhungen in dieser „katastrophalen Situation“ völlig ungerechtfertigt. Dietrich G. Rühle gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass der Landesrechnungshof ohnehin nur eine beratende Funktion habe. Für zusätzliches Unverständnis der Fraktionen sorgte zudem, dass das Mainzer Innenministerium nur wenige Wochen vor der Forderung des Landesrechnungshof ganz andere Töne anschlug. Staatminister Roger Lewentz hatte die Städte und Kommunen informiert, dass die Kommunalaufsichtsbehörden aufgrund der Corona-Krise, nicht auf die Erhöhung von Steuern zugunsten von Haushaltsverbesserungen abzielen sollen.