Mehr als 250 Rheinbacher wurden Zeugen eines historischen Augenblicks
Bronzefigur auf dem Soldatenfriedhof von Verdun enthüllt
50 Jahre nach Unterzeichnung des Elysees-Vertrages wurde mit diesem bürgerschaftlichen Projekt die deutsch-französisch Partnerschaft gefestigt
Verdun/Rheinbach. Ein beklemmendes Gefühl beschleicht jeden, der die düsteren Katakomben des Fort Douaumont auf dem Schlachtfeld von Verdun in Frankreich betritt. Unzählige Soldaten der deutschen und der französischen Armee sind in den dunklen, kalten und feuchten Gängen dieser Verteidigungsanlage während des Ersten Weltkrieges ums Leben gekommen, als im Jahr 1916 zuerst die deutsche Wehrmacht das Fort eroberte und später die französische Streitmacht es zurück erkämpfte.
Im frühen Morgengrauen des 8. Mai 1916 kamen bei der Explosion eines Granaten- und Flammenwerferdepots mehrere Hundert deutsche Soldaten ums Leben. Aus Zeitgründen wurden damals die Leichname von 679 Soldaten unter schwerem Artilleriefeuer an Ort und Stelle in eine Munitionskasematte gebracht und deren Eingang zugemauert. Ein weißes Kreuz mit der Inschrift „Den toten Kameraden“ bezeichnet heute vor dem zugemauerten Eingang den „Deutschen Friedhof“ im Fort. Ein dunkler Ort voll schwerer Erinnerungen, und auch die unablässig von der Gewölbedecke auf den unebenen Fußboden fallenden Wassertropfen laden nicht unbedingt zum Verweilen ein.
Beeindruckende Delegation
Und doch eignet sich dieser Ort in bemerkenswerter Weise dazu, anlässlich des 50. Jahrestages des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages von 1963 ein Zeichen des Gedenkens und eine Geste der Versöhnung zu beherbergen. Mehr als 250 Rheinbacher waren dabei, als am 17. Mai in einer feierlichen Zeremonie unter Beteiligung von deutschen und französischen Repräsentanten aus Politik, Militär, Wirtschaft und Bürgertum die Rheinbacher Bronzeskulptur „Abschied - Les Adieux“ enthüllt und gesegnet wurde. Angeführt wurde die beeindruckende Delegation von der Kölner Regierungspräsidentin Gisela Walsken, Bürgermeister Stefan Raetz und dem Standortältesten der Tomburg-Kaserne, Brigadegeneral Wolfgang E. Renner.
Trotz ihrer bescheidenen Größe von nur 60 Zentimetern gelingt es der vom Rheinbacher Künstler Pater Franz-Josef Ludwig geschaffenen Figur, ein eindrucksvolles Monument für den Trennungsschmerz und die Verzweiflung einer einfachen Familie im Krieg zu schaffen. Der Initiator und Auftraggeber des Projektes, Unternehmer und Ratsmitglied Erich Scharrenbroich, widmet diese Skulptur, die Vater, Mutter und zwei Söhne zeigt, all jenen Familien zahlreicher Nationen, die dieses Schicksal in den schrecklichen Kriegen des 20. Jahrhundert geteilt und erduldet hätten. Auch seine Familie gehöre dazu, denn seine Vorfahren Karl und Wilhelm Scharrenbroich seien 1915/16 bei Verdun gefallen. „Es gibt keine Gräber der beiden, sie ruhen noch irgendwo auf den Schlachtfeldern oder im Beinhaus von Verdun“, weiß Scharrenbroich.
Das Unbeschreibliche beschreiben
Bei einem Besuch des historischen Schlachtfeldes sei in ihm die Idee gereift, an all jene Familien zu erinnern, die während dieser Schlachten und während anderer Kriege Angehörige verloren hätten. „Viele Soldaten zogen ohne Begeisterung und mit viel Angst in den Krieg, die Familien blieben sorgenvoll zu Hause und rechneten immer mit dem Schlimmsten“, sagte er. Wenn dann die Nachricht gekommen sei, der Vater, Sohn oder Bruder kehre nicht mehr nach Hause zurück, habe sich das Leben der ganzen Familie damit grundlegend geändert. „Diese jungen Männer und auch ihre Familien sind um ein normales Leben betrogen worden“, fand Scharrenbroich. In einer berührenden Ansprache bei der feierlichen Enthüllungs-Zeremonie vor dem Fort gab er zu: „Die Skulptur drückt aus, wozu ich nicht fähig war, nämlich das Unbeschreibliche zu beschreiben.“
Doch heute, fast 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges, herrschten Frieden und Freundschaft zwischen den beiden Völkern. Der Elyseevertrag habe vor 50 Jahren den Grundstein für eine sich stetig verfassende Freundschaft gelegt. Das wolle man nun gemeinsam feiern, und die Rheinbacher hätten dafür als Gastgeschenk die Skulptur „Der Abschied“ mitgebracht. Er freue sich besonders darüber, dass die französischen Behörden sich bereit erklärt hätten, sie auf dem Soldatenfriedhof aufzustellen und sogar selbst in großen Teilen das Programm mitzugestalten. „Wer so ein Zeichen der Freundschaft setzt, hat es verdient, Grande Nation genannt zu werden!“ Er appellierte aber auch an die Anwesenden, die deutsch-französisch Freundschaft nicht zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. „Wenn wir gemeinsam daran arbeiten, haben auch unsere Kinder noch eine Chance, in Frieden zu leben.“
Freundschaft erlebbar machen
Bürgermeister Raetz betonte in seiner Ansprache, die deutsch-französisch Freundschaft trage seit 50 Jahren nicht nur in einer gemeinsamen europäischen Politik, sondern auch in vielen grenzübergreifenden gemeinsamen Projekten und Veranstaltungen, Städtepartnerschaften und Schüleraustauschen ihre Früchte. „Wenn die deutsch französische Freundschaft und der Frieden in Europa heute aber insbesondere von den Nachkriegsgenerationen als selbstverständlich wahrgenommen werden, dann ergibt sich aus der Geschichte der letzten 100 Jahre der klare Auftrag an die Deutschen, die Freundschaft zu Frankreich im Zentrum Europas, aber auch mit allen Ländern auf der Welt, zu fördern und zu pflegen!“ Freundschaft müsse gelebt, immer wieder aufs Neue belebt und vor allem erlebbar gemacht werden. In diesem Verständnis sei man zusammengekommen, um mit dem Projekt „Abschied“ einen weiteren Stein in das Gebäude der deutsch-französisch Freundschaft einzufügen. Er sei zuversichtlich, dass besonders die 75 Schüler von Hauptschule, Vinzenz-Pallotti-Kolleg und St. Josefs-Gymnasium diesen Tag in ihrem Herzen bewahren und die deutsch-französische Freundschaft weiter tragen werden.
Auch die Ansprachen von Regierungspräsidentin Gisela Walsken, der Präfektin des Departements Meuse, Isabelle Dilhac, und Verduns Bürgermeisters Arsène Lux unterstrichen die Bedeutung der Freundschaft zwischen den beiden benachbarten Ländern ebenso wie die Notwendigkeit, weitere kriegerische Auseinandersetzung für alle Zukunft zu verhindern.
Stilles Gedenken im historischen Augenblick
In einer nach strengen militärischen Formalien ablaufenden Zeremonie unter dem Kommando von Colonel Alain Artisson, Kommandant der Militärbasis von Verdun und Ritter der Ehrenlegion, wurde im Inneren des Forts, direkt am zugemauerten Eingang des deutschen Soldatenfriedhofs, die Bronzefigur enthüllt und anschließend von Pater Ludwig selbst gesegnet. Anschließend wurden sechs Kränze niedergelegt, und gemeinsam beteten Deutsche und Franzosen das Vaterunser. Nicht nur Initiator Erich Scharrenbroich zeigte sich angesichts des bewegenden Moments gerührt, viele Zuschauer hielten einige Minuten inne für ein stilles Gedenken an diesen historischen Augenblick.
Zuvor schon hatte eine Delegation deutscher Soldaten sowie der Stadt Rheinbach auf dem französischen Nationalfriedhof in Fleury Kränze niedergelegt, um gemeinsam mit französischen Soldaten um Colonel Artisson und dem Bürgermeister von Fleury, Jean-Pierre Laparra, der gefallenen Soldaten in der Schlacht um Verdun zu gedenken und sie zu ehren. Dort wies Brigadegeneral Renner darauf hin, dass der Name Verdun heute für freundschaftliche Handreichung und Versöhnung zweier großer Kulturvölker in Europa stehe sowie für deren Willen, so etwas wie die Schlacht von Verdun nie wieder geschehen zu lassen.
Kompetente Führung für die Schüler
Überaus informativ war nicht zuletzt die kompetente Führung für die Schüler der Klasse 10b der Gemeinschaftshauptschule Rheinbach durch Hauptmann Markus Klauer über die Gedenkstätte von Verdun. Der Autor mehrerer militärhistorischer Bücher über die Schlacht von Verdun skizzierte eindrucksvoll das damalige Geschehen als Inbegriff für das Massensterben hunderttausender Soldaten, das sinnlose Opfern einer ganzen Armee. Nach einem langen und ereignisreichen Tag, der auch so manche unerwartete Wendung nahm, war sich dennoch alle Beteiligten einig, das Projekt als einen gelungenen Beitrag zum 50. Jahrestag der deutsch-französischen Freundschaft anzusehen.
Pater Franz-Josef Ludwig segnete, unterstützt von Französischlehrer Frank Rollmann, die gerade enthüllte Bronzeskulptur. Vor dem Beinhaus in Fleury legten Brigadegeneral Wolfgang E. Renner (li.) und Bürgermeister Stefan Raetz (Dritter v.li.) zusammen mit einem Vertreter der deutsch-französischen Brigade und dem Bürgermeister von Fleury, Jean-Pierre Laparra, Kränze nieder zu Ehren der in der Schlacht von Verdun gefallenen Soldaten. Hauptmann Markus Klauer (li.), Autor zahlreicher militärhistorischer, informierte die Schüler der Rheinbacher Hauptschule über die Geschichte des Schlachtfelds von Verdun.


