Erneutes Hochwasser versetzt Bewohner Wachtbergs in Angst und Schrecken - Hotline (02 28) 95 44-1 82 eingerichtet
Starkregen lässt die Menschen um ihr Hab und Gut bangen
Niederbachem/Berkum. „Gestern habe ich noch für die Hochwasseropfer in Ostdeutschland gespendet - und heute ist mein eigenes Häuschen abgesoffen“, schüttelt Jutta Kickuth fassungslos den Kopf. Das kleine Häuschen in der Mehlemer Straße 50 in Niederbachem, in dem sie mit ihrem Mann Muharrem lebt, stand bis knapp unter die Steckdose einen Meter hoch im Wasser. Die beiden konnten sich gerade noch so vor den blitzschnell eindringenden Wassermassen retten, doch ihre Hunde „Ben“ und „Thyra“ mussten von der Niederbachemer Feuerwehr geborgen werden, was nicht ganz einfach war.
Fast auf den Tag genau drei Jahre ist es her, als der Mehlemer Bach, der direkt am Grundstück vorbeifließt, das Wohnhaus am 3. Juni 2010 schon einmal überflutet hatte. „Wir mussten damals das ganze Haus komplett renovieren, haben uns vollständig neu eingerichtet - jetzt ist wieder alles kaputt, wir können unsere Habseligkeiten praktisch allesamt wegwerfen.“ Jetzt hat ein Hitzegewitter mit anschließendem Starkregen den Bach erneut zum Überlaufen gebracht und das Haus der Kickuths überschwemmt. Tonnenweise Schlamm, Holz und alles Mögliche an Unrat machen den Fußboden noch Stunden, nachdem das Wasser größtenteils wieder abgeflossen ist, zu einer schmutzigen Schlammwüste. Knöchelhoch steht Jutta Kickuth im Matsch vor der Haustür, während ihr Mann Muharrem mit einer Schippe bewaffnet trotzig den scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die Dreckmassen aufnimmt. „Wir müssen praktisch bei null wieder anfangen“, ist sie den Tränen nahe.
Feuerwehr aus Rheinbach hilft
Das Haus liegt etwas versteckt und wird daher gerne übersehen. Doch just in dem Moment, als keiner damit rechnet, rückt eine Einheit der Rheinbacher Feuerwehr an, die den Wachtberger Kameraden bei diesem Großschadensereignis unterstützend zur Seite steht. „Wir helfen Ihnen, wieder Land zu gewinnen“, heißt es, und sofort packt ein halbes Dutzend Feuerwehrkameraden kräftig an. Das Wasser abpumpen geht allerdings nicht, weil wegen des dicken Schlamms sich die Pumpen sofort zusetzen würden. Also muss alles von Hand und mit Schaufel, Eimer, Wasserschlauch und Besen erledigt werden.
Wo die Kickuths diese Nacht und die nächsten Tage bleiben sollen, wussten sie noch nicht. Vor drei Jahren hatte sie Bürgermeister Theo Hüffel für vier Tage in ein Hotel im Ort untergebracht, bis sie eine vorübergehende Bleibe gefunden hatten. Das Haus ist jedenfalls fürs Erste unbewohnbar, und Jutta Kickuth ist auch alles andere als überzeugt davon, dass sie noch einmal dort einziehen wird. „Ich lebe eigentlich nur hier, weil meine Mutter in der Nachbarschaft wohnt und ich sie pflege. Sonst wäre ich ohnehin schon weg.“ Schließlich liegt das Haus an der tiefsten Stelle in Niederbachem, und beim nächsten Hochwasser dürfte es voraussichtlich wieder betroffen sein.
Glück im Unglück
Auf der anderen Bachseite wohnt Kurt Lankow, der dieses Mal noch Glück im Unglück hatte. Das Hochwasser war insgesamt gut einen halben Meter niedriger als 2010, sodass das Wasser „nur“ ein paar Zentimeter auf dem Fußboden stand und die Einrichtung weitestgehend unbeschädigt blieb. Nur der Teppichboden im Schlafzimmer muss wohl ausgetauscht werden. Auch Lankow beteiligt sich, wie alle anderen Anwohner sowie zahlreiche Freunde und Bekannte, an der notwendigen Aufräumaktion, denn die Brücke über den Mehlemer Bach steht zentimetertief im Schlamm, ebenso die Zufahrten zu den umliegenden Häusern. Doch mit gemeinsamer Anstrengung und dank der Unterstützung der Feuerwehr geht die schmutzige Arbeit gut voran, hier packt jeder an und demonstriert nachbarschaftlichen Zusammenhalt. Man weiß schließlich, dass man sich beim nächsten Hochwasser wieder gegenseitig braucht.
Die Brücke erhielt nach dem 2010-er Hochwasser übrigens - genau wie einige andere Brücken über den Mehlemer Bach - ein klappbares Geländer, um zu verhindern, dass sich Treibgut im Geländer fängt und so ein Rückstau entsteht, der das Problem zusätzlich verschärft. „Das hat schon ein Stück weit geholfen“, ist sich eine Anwohnerin sicher, „aber letztlich waren die Wassermassen einfach zu groß.“ Auch andere Maßnahmen hätten ihren Zweck durchaus erfüllt, bestätigt Anwohner Norbert Bogusch, etwa eine Verbeiterung des Bachbettes etwas oberhalb an der Mehlemer Straße 44.
Basaltsteine wurden weggespült
Der Architekt hält es allerdings für „Unsinn“, dass die Gemeinde an der Fußgängerbrücke zum Spielplatz das Ufer mit Basaltsteinen befestigen ließ. „Die Steine werden von so einem Hochwasser einfach weggespült, wie man sieht“, zeigt er auf wild durcheinander geschobene Basaltsteine, die anstatt in der Uferböschung nun mitten im Flussbett liegen. Und auch einige andere Auflagen für die Bachanwohner infolge des vergangenen Hochwassers hält er für absurd. So müssten die Grundstückseigentümer ihre Holzzäune in Bachnähe abreißen, während die Jägerzäune der Gemeinde direkt davor oder daneben problemlos stehen bleiben können. „Das versteht hier kein Mensch“, schüttelt er den Kopf.
Besonders schlimm erwischt hat es auch diesmal wieder die Anwohner an der Konrad-Adenauer-Straße am oberen Ortseingang. „Hoffentlich reißen Sie die Brücke bald ab“, riet Anwohner Michael Risch dem Bürgermeister, der sich die Sachlage vor Ort anschaute und jede Menge Trost spenden und Frust aushalten musste. Die sorgt nämlich seit einigen Jahren für Verdruss. In früheren Jahren gab es dort nie Probleme, weiß auch Anwohner Dieter Mehlhaff. „Dann hat man Gas- und Stromleitungen durch die Brücke gelegt und dabei den Durchfluss halbiert. Vorher war der Durchlass zwei Meter groß, jetzt nur noch einen Meter.“
Brücke muss gesperrt werden
Das erschütternde Ergebnis konnte Bürgermeister Theo Hüffel persönlich vor Ort besichtigen: Das Wasser suchte sich seinen Weg um die Brücke herum und überflutete dabei erneut die daneben liegenden Grundstücke, drang in einige Wohnhäuser ein und machte auch dort das Mobiliar großenteils unbrauchbar. Die Brücke selbst nahm dabei derartigen Schaden, dass Hüffel sie vorsorglich sperren ließ. Sie wurde stark unterspült, die Teerdecke hob sich stellenweise einige Zentimeter hoch ab. Der Durchfluss müsse jedenfalls wesentlich erhöht werden, sonst passiere beim nächsten Hochwasser genau das Gleiche, bestätigte Michael Risch. Vor seinem Haus rückten Anwohner und Feuerwehr den Schlammmassen auf der Straße mit Traktoren zu Leibe, die den Matsch aufbaggerten und wegschoben. Doch die Aufräumarbeiten werden auch hier sicherlich noch einige Tage dauern.
Eine unliebsame Überraschung erlebten auch die Bewohner eines Mehrfamilienhauses in Berkum. Am „Viereck“ lief nämlich die Tiefgarage mit acht Stellplätzen ebenfalls voller Wasser. Sechs der Fahrzeuge konnten gerade noch so in Sicherheit gebracht werden, doch zwei Autobesitzer waren auf die Schnelle nicht aufzutreiben. Diese Pkw standen bis zur Dachkante im Wasser und werden wohl als wirtschaftliche Totalschäden enden. Gebäude-Miteigentümer Manfred Noisten glaubt, die Ursache für die Überschwemmung zu kennen: Bevor der Mehlemer Bach in direkter Nachbarschaft verrohrt wird, ist ein Schmutzfang eingebaut, der Treibgut zurückhalten soll. Das tat er auch - mit der Folge, dass die Wassermassen das Bachbett verließen und in die nur wenige Meter entfernte Tiefgarage flossen. „An der Stelle muss schnellstmöglich etwas getan werde“, forderte Noisten.
Gemeinde Wachtberg richtet Hotline ein
Die Gemeindeverwaltung hat sofort eine Hotline unter (02 28) 95 44-1 82 eingerichtet, wo sich vom Unwetter betroffene Wachtberger melden können. Zur Entsorgung von unwetterbeschädigtem Hausrat werden an folgenden Stellen jeweils zwei öffentliche Container aufgestellt: Alte Konrad-Adenauer-Straße in Niederbachem, Höhe Hausnummer 123-125, und Ecke Göllesheimer Weg/Mehlemer Straße sowie in der Birresdorfer Straße / Im Tal in Werthhoven. Zusätzlich zu den bestehenden Sperrmüllabfahrten bietet die RSAG Sperrmüll-Sonderfahrten für vom Unwetter Betroffene an. Anmeldungen erfolgen hierfür über die Gemeindeverwaltung, Petra Axer, Tel. (02 28) 95 44-1 78.
In der Tiefgarage am Berkumer „Viereck“ standen zwei Autos bis unters Dach im Wasser.
Mit dem Traktor rückten die Niederbachemer an der alten Konrad-Adenauer-Straße dem Schlamm zu Leibe.
Nachbarschaftshilfe war Trumpf in der Mehlemer Straße in Niederbachem, wo der Mehlemer Bach eine Brücke überflutet und das ganze Viertel unter Matsch gesetzt hatte.
