Theateraufführung im Chateau Pech
„Der Urfaust“
Pech. Gundula Schroeder hat es wieder geschafft: Auf ganz kleiner Bühne ganz großes Theater! Was wäre Wachtbergs Kulturleben ohne sein Chateau Pech, seit 16 Jahren eine Bühne für Qualitätstheater? Wo sonst würde man den Urfaust sehen, und das mit einer Idealbesetzung, sparsamer Bühnendekoration und einem sehr hübschen Programmheft.
Gespielt mit großer Anmut
Immer noch ist dieser Geniestreich eines 23- bis 25-Jährigen bewundernswert. Dass der junge Goethe einen frustrierten Professor lebensnah zeichnen konnte, ist ja nach seinen Leipziger und Straßburger Studentenjahren leicht nachvollziehbar, und Clint Christian Staak hat ihn auch überzeugend dargestellt. Dasselbe gilt von den ewigen Studenten in Auerbachs Keller, sehr farbig verkörpert von Peter Meurer, Johnny Younés und Friedrich Oettler. Auch das jungverliebte Gretchen ist aus Goethes Liebeleien der Studentenzeit noch leicht abzuleiten, und Raika Nicolai spielt es mit großer Anmut. Aber wie konnte ein 25-Jähriger das geistig verwirrte Gretchen so erschütternd lebensnah zeichnen, wie es Raika dann tragisch zerrüttet darstellt? Wie konnte er eine perfekt gezeichnete, völlig stimmige Figur wie Marthe Schwerdlein erfinden, die Ursula Rocke ebenso perfekt verkörpert? Wie gerne würde man daraus hier zitieren. Und dann der Mephisto, ebenfalls eine Doppelfigur: Zuerst nur Schalk im Vorspiel im Himmel, und dann wirklich bösartiger Ränkeschmied in der Gretchen-Tragödie.
Eine Frau als Mephisto
Dabei sagt er oft die intelligentesten, lebensklugen Dinge, vieles davon sprichwörtlich geworden. Gundula Schroeder verkörpert ihn mit unglaublicher Verwandlungskunst und Beweglichkeit. Warum nicht eine Frau als Mephisto? Auch die Nebenrollen, der Wagner, der Schüler, das Liesgen am Brunnen und Valentin, sind alle in schönstem Stil getroffen. Die einzige Bruchstelle im Urfaust, wo er wirklich noch Fragment ist, ist die Verwandlung des alternden Professors in den jugendlichen Liebhaber, auf die Goethe dann im Faust I mehrere Szenen verwendet hat – das ist im Urfaust einfach nicht ganz überzeugend darzustellen. Im Übrigen haben gerade die Weglassungen im Urfaust großen künstlerischen Reiz, und auch deshalb steht er im eigenen Recht neben dem Faust I. Eigentlich sollten alle Oberstufenklassen die Aufführung besuchen, und dieses geistreiche, geniale Jugendwerk kennenlernen. Gelegenheit dazu ist noch ausgiebig bis in den Dezember hinein.U.J.
