Oberbürgermeister Nimptsch und Bürgermeisterin Offergeld erläutern eingeleitete Maßnahmen zum Hochwasserschutz
In den kommenden Jahren sollen acht Millionen Euro investiert werden
Niederbachem. Den 3. Juli 2010 werden die meisten Wachtberger so schnell nicht vergessen, schon gar nicht die Anwohner der Niederbachemer Austraße. Über dem Drachenfelser Ländchen ging damals ein Starkregen bislang unbekannten Ausmaßes nieder, der besonders den Mehlemer Bach zu einem reißenden Wildwasserfluss mutieren ließ. Die Wassermassen verursachten immense Schäden an zahlreichen Häusern entlang des Bachlaufs sowie an der kommunalen Infrastruktur mit weggespülten Straßen und Brücken. Exakt fünf Jahre später informierten der Oberbürgermeister der Stadt Bonn, Jürgen Nimptsch, und Wachtbergs Bürgermeisterin Renate Offergeld (beide SPD) im Pfarrheim „Haus St. Gereon“ in Niederbachem etwa 60 Bürger darüber, wie es damals zu der Überschwemmung kommen konnte und was seitdem unternommen wurde. Nimptsch erinnerte sich: „Es war tief bewegend und bestürzend, was wir damals erleben mussten.“ Doch man habe zumindest auf der Sache lernen können, das werde von den Menschen auch erwartet. Gemeinsam mit der Gemeinde Wachtberg sei die Stadt Bonn mittlerweile auf einem guten Weg einer Gemeindegrenzen überschreitenden Zusammenarbeit, vor allem mit der mittlerweile gegründeten „Hochwasserpartnerschaft Mehlemer Bach“. Die Handlungsmöglichkeiten der Stadt seien nämlich angesichts fehlender Flächen einfach begrenzt, daher sei man auf die Zusammenarbeit mit der Gemeinde Wachtberg angewiesen.
Drohende Gefahren wurden verringert
Gemeinsam habe man Präventivmaßnahmen für die benachbarten Ortsteile Mehlem und Niederbachem geplant und auch umgesetzt und somit die drohenden Gefahren durch künftige Überschwemmungen verringert. Erfreulicherweise habe sich die Bezirksregierung mit der Erstellung der Hochwassergefahrenkarte für den Mehlemer Bach sehr beeilt. Diese wiederum habe man gebraucht, um überhaupt in konkrete Planungen eintreten zu können. Man habe bereits viel getan, wolle aber auch in den nächsten Jahren noch die stolze Summe von mehr als acht Millionen Euro verbauen.
„Aber das dauert seine Zeit“, warnte er vor zu viel Ungeduld. Man wolle nach und nach die Mängel, die bekannt seien, abstellen - doch nach wie vor könnten nur diejenigen Bachanlieger gut schlafen, die sich um die Eigenvorsorge gekümmert hätten. Jeder Bürger habe auch eine Eigenverantwortung, sein Hab und Gut so gut es gehe und mit vertretbarem Aufwand zu sichern. Andererseits könnten auch die Kommunen nicht darauf warten, bis der Bund oder die internationalen Gremien in Aktion treten. „Vor Ort können und müssen wir mehr tun, als nur darauf warten, dass die Klimaziele eingehalten werden.“
Es wurde bereits vor 2010 einiges für den Hochwasserschutz getan
Der frühere Abteilungsleiter für den Bereich Abwasser/Gewässer im Tiefbauamt der Stadt Bonn, Rainer Baur, machte in seinem Vortrag deutlich, dass seine Behörde schon lange vor 2010 in Sachen Hochwasserschutz aktiv gewesen sei. So sei der 1988 für den Mehlemer Bach aufgelegte Bachentwicklungsplan die erste seiner Art in Deutschland gewesen. Außerdem seien in seiner Amtszeit 87 Millionen D-Mark in den Hochwasserschutz investiert worden, davon allein 17 Millionen in den Mehlemer Bach. Nicht durchsetzen können habe er sich leider mit seiner Forderung, einen 15 Meter breiten Uferstreifen von der Bebauung frei zu halten. „Eine Todsünde der Stadtplanung“, kann er es nach wie vor nicht begreifen. Ein weiterer Meilenstein in Sachen Hochwasserschutz sei das Abwasserbeseitigungskonzept aus dem Jahr 1991 gewesen, das als Abwasserbremse zum Schutz des Rheins gedacht gewesen sei. Zudem trügen die insgesamt 21 Niederschlagsmessstationen im Bonner Stadtgebiet wesentlich dazu bei, korrekte Berechnungen für die Kanalisation durchführen zu können und drohende Gefährdungen rechtzeitig zu erkennen. Die vom ehemaligen Regierungspräsidenten Franz Antwerpes 1995 erhobene Forderung, alles Niederschlagswasser sofort versickern zu lassen, sah Baur dagegen kritisch. „Das ist wegen der örtlichen Verhältnisse schlicht und einfach nicht überall umsetzbar“, wusste er aus Erfahrung. Ebenso wenig konnte er der Verrohrung des Mehlemer Bach abgewinnen. Die dafür Verantwortlichen hätten wohl kein Hochwasser im heutigen Sinne gekannt, ihnen sei es schlicht und ergreifend darum gegangen, stinkende Abwässer unter die Erde zu bekommen.
Flächenversiegelung ist nicht schuld
Baur machte aber auch noch einmal deutlich, dass die Flächenversiegelung überhaupt keine Schuld treffe für die entstandenen Überschwemmungen, denn angesichts eines solchen tausendjährigen Ereignisses wie am 3. Juli 2010 sei auch ein weicher Untergrund absolut überfordert gewesen. Zudem sei auch die Dimensionierung der Kanalisation nach wie vor nicht zu beanstanden, denn man könne nicht für jedes nur denkbare meteorologische Ereignis vorsorgen.
Oliver Buchholz vom Ingenieurbüro Hydrotec nannte in seinem Vortrag die Gründe dafür, dass ein Hochwasserrückhaltebecken auf Wachtberger Gebiet nur wenig, bis gar nichts, bringe. Nach wie vor wisse niemand so genau, weshalb der Mehlemer Bach bei Starkregenereignissen stärker betroffen sei als die benachbarten Gewässer, etwa der Godesberger Bach. In jüngster Zeit seien zudem verstärkt Hangabflüsse in den Fokus geraten, die sozusagen von hinten in die Siedlungen hineinströmten, womit bislang keiner gerechnet habe. In einer umfangreichen Untersuchung habe man eine Reihe von möglichen Standorten für ein Hochwasserrückhaltebecken untersucht und sei dabei zum Schluss gekommen, dass die allermeisten ungeeignet seien und lediglich zwei überhaupt einer näheren Betrachtung unterzogen werden konnten: ein 80.000 Kubikmeter großes Becken in der Grube Laura und ein 32.000 Kubikmeter großes Becken bei Gimmersdorf.
Gefahr eines Dammbruchs ist extrem hoch
Doch in der Grube Laura sei das Gefahrenpotenzial einfach zu hoch, unter anderem weil der Untergrund durch den früheren Bergbau wie ein Schweizer Käse durchlöchert sei.
Die Gefahr eines Dammbruches sei hier extrem hoch, weshalb man von dieser Idee Abstand genommen habe. Abgesehen davon seien die Baukosten mit 1,7 Millionen Euro einfach zu hoch gewesen. Das andere Becken bei Gimmersdorf, das immerhin auch eine Million Euro kosten würde, sei von der hydrologischen Wirkung her ungenügend, weil es so weit oben am Bachlauf gelegen sei. So bliebe letztlich nur als Alternative übrig, vor Ort an gefährdeten Objekten etwas zu tun.
Deshalb habe man beispielsweise das Bachprofil unterhalb der „Brücke Lankow“ in Niederbachem massiv aufgeweitet, damit sich dort das Wasser nicht mehr staunen könne. Daniel Koch, der neue Sachgebietsleiter Abwasser/Gewässer im Tiefbauamt der Stadt Bonn, ergänzte, man habe mittlerweile auch einige Grobrechen im Bachlauf installiert und die Personalstärke des Amtes erhöht. Als Möglichkeit zur Vorwarnung werde derzeit eine Internetseite aufgebaut.
„Welchen Hochwasserschutz wollen wir überhaupt?“
Doch letztlich stelle sich nach wie vor die Frage: „Welchen Hochwasserschutz wollen wir überhaupt?“ Einem tausendjährigen Ereignis wie am 3. Juli 2010 mit 54 Kubikmetern Abflussmenge pro Sekunde bei sehr trockenem Boden könne man nur schwer Herr werden.
Als sinnvolle Option habe sich mittlerweile die „Bypassleitung“ herausgestellt. Mit der könne im Falle eines Hochwassers ein großer Teil der Wassermassen aus den Mehlemer Bach abgeleitet und durch einen Bypass-Kanal mit drei Metern Durchmesser unterhalb der Meckenheimer Straße und der Bachemer Straße zum Rhein geführt werden. Der insgesamt 1066 Meter lange Kanal laufe streckenweise in offener Bauweise durch den Drachensteinpark und koste alles in allem 8,2 Millionen Euro.
Dieser solle in drei Bauabschnitten verwirklicht werden mit einer Bauzeit von zwei Jahren, erklärte Koch. „Sie können aber bauen, was sie wollen. Es wird immer ein Regenereignis geben, das alle bisherigen in den Schatten stellt und für das man nicht vorsorgen kann“, schloss er seinen Vortrag.