Antwort von Mechthild Heil (CDU) auf Anfrage der Piraten an die Wahlkreisabgeordneten

„Kein Ausverkauf europäischer Werte“

„Kein Ausverkauf europäischer Werte“

Mechtild Heil.CDU

Region. Die Piratenpartei hatte in der „Blick aktuell“ kürzlich auf eine Befragungsaktion zu TTIP und CETA an die Bundestagsabgeordneten hingewiesen. Die Abgeordnete Mechthild Heil hat sich über die Fragen gefreut: „Ich versuche jedem der mir aus meinem Wahlkreis eine Frage, ob nun über Twitter, Facebook, Brief oder auf anderen Wegen zukommen lässt, eine Antwort zu geben. Dazu zählt selbstverständlich auch eine Standardanfrage der Piraten.“ Die Antworten auf die Fragen zu TTIP sind im Folgenden zu lesen.

1. Frage Piraten: Regulatorische Kooperation: Die regulatorische Kooperation im Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA ermöglicht es Lobbyisten, geplante regionale Regulierungen und Gesetzesinitiativen im Voraus zu prüfen und gegebenenfalls neu zu formulieren. Sollte das Abkommen zum Abschluss kommen, wie wollen sie diese Fußfessel für die Legislative und Entmündigung demokratisch gewählter Mandatsträger rechtfertigen?

Antwort Fr. Heil: Durch die regulatorische Kooperation wird es keine Privilegierung von Lobbyvertretern oder speziellen Interessengruppen geben. Vielmehr soll die breite Öffentlichkeit, das heißt Nichtregierungsorganisationen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, die Möglichkeit zur Stellungnahme haben.

2. Frage Piraten: Transatlantischer Handel und Datenschutz: Transatlantischer Handel findet heute zu 100 Prozent über das Internet statt. Wie kann ein Freihandelsabkommen im „NSA-Zeitalter“ ohne umfassenden Datenschutz die Freiheit des Handels vor Ausspähung und den Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Daten der Verbraucher garantieren?

Antwort Fr. Heil: Allgemeine transatlantische Datenschutzfragen werden nicht im Rahmen der TTIP verhandelt - Freihandelsverhandlungen sind dafür nicht das richtige Forum. Sie sollen stattdessen in den dafür vorgesehenen Gremien und Regelwerken, etwa der Ad-hoc Expertengruppe EU-US Working Group on Data Protection oder der EU-US-Safe-Harbor-Vereinbarung, gelöst werden. Allerdings betrifft der Datenschutz zum Beispiel auch handelsbezogene Kommunikation, das heißt etwa bei Dienstleistungen im IKT-Bereich auch Fragen, ob und wie Regeln und Vorschriften zusammenpassen („regulative Kompatibilität“). Solche Aspekte werden im Rahmen von TTIP behandelt. Auch Fragen des Datenschutzes beim Dienstleistungshandel, bei E-Commerce oder im IKT-Bereich werden mit dem Ziel einer gemeinsamen Verständigung angesprochen. TTIP hat jedoch keinen Einfluss auf die gegenwärtig laufenden Verhandlungen zur EU-Datenschutzreform. Generell setzt sich die Bundesregierung für hohe Datenschutzstandards auch im transatlantischen Verhältnis ein. Die bestehenden Datenschutzstandards in Deutschland und der EU stehen nicht zur Disposition.

3. Frage Piraten: Als einen Grundsatz ihrer Politik hat die EU das Vorsorgeprinzip verankert. Dieses besagt, dass Belastungen für die Umwelt oder Schäden für die menschliche Gesundheit (bei unvollständiger Wissensbasis) im Voraus vermieden oder weitgehend verringert werden sollen. Immer wieder sind Politiker dem Druck der den Agrarmarkt beherrschenden Konzernen ausgesetzt, man möge dieses Prinzip aufgeben, da Chancen für eine konkurrenzfähige Landwirtschaft vertan würden (beispielsweise Zulassung GMO, Hormone in der Tiermast). Dass jedoch bei Missachtung des Vorsorgeprinzips der volkswirtschaftliche Schaden gegenüber den privatwirtschaftlichen Gewinnen ins Unermessliche steigen kann, stellte die Europäische Umweltagentur schon 2004 fest und beschreibt dies in zahlreichen Beispielen. Wie werden Sie sicherstellen, dass das Vorsorgeprinzip im Rahmen des Freihandelsabkommens aufrecht erhalten bleibt? Wenn Sie keine Einflussmöglichkeiten sehen, werden Sie dann gegen das Abkommen stimmen?

Antwort Frau Heil: Das sogenannte Vorsorgeprinzip soll in jedem Fall bestehen bleiben. Das heißt zum Beispiel, dass wie bisher gentechnisch veränderte Organismen - also etwa Genmais - nur nach den strengen EU-Regeln in Verkehr gebracht werden dürfen. Dafür wird nach wie vor eine positive Sicherheitsbewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) notwendig sein.

4. Frage Piraten: TTIP verspricht die Vereinheitlichung oder gegenseitige Anerkennung von Standards. In den USA liegt die Kompetenz für Definition und Überwachung von Standards aber in den meisten Fällen im privatrechtlichen Bereich oder bei den Bundesstaaten. Die US-Bundesregierung hat also keinen direkten Einfluss darauf. Wie wollen Sie sicherstellen, dass es im Zuge von TTIP keine einseitige Anerkennung von US-Standards in der EU ohne entsprechende Anerkennung der EU-Standards in den USA gibt?

Antwort Fr. Heil: Weder das europäische, noch das US-amerikanische Schutzniveau im Gesundheits-, Lebensmittel- oder Verbraucherbereich werden in TTIP verhandelt. Diese Sichtweise der Bundesregierung wird von der EU-Kommission uneingeschränkt geteilt und spiegelt sich im TTIP-Verhandlungsmandat wider. Auch US-Präsident Obama unterstrich dies im Rahmen des EU-US Gipfels am 26./27. März 2014 in Brüssel. Bei keinem der Themen, über die verhandelt wird, steht das bestehende Schutzniveau im Gesundheits-, Lebensmittel- oder Verbraucherbereich zur Disposition. Die EU wird keines ihrer grundlegenden Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder Umwelt aufheben. Beim Arbeitsschutz sind die sogenannten Kernarbeitsnormen der UN-Agentur ILO (Internationale Arbeitsorganisation) maßgeblich, die hohe soziale Standards beziehungsweise menschenwürdige Arbeitsbedingungen und einen hinreichenden Schutz garantieren. Es ist geplant, einen Mechanismus in das Abkommen aufzunehmen, der dafür sorgt, dass diese Normen auch durchgesetzt werden.

Außerdem sollen Bestimmungen zur verantwortlichen Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility) in den Vertrag eingehen. Bei den Verhandlungen geht es nicht darum, die beiderseits des Atlantiks geltenden Standards gegenseitig zu unterbieten. Die jeweils geltenden Regelungen sollen aber kompatibler werden. Dies bedeutet jedoch nicht, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen, sondern unnötige Unterschiede zu identifizieren und aus dem Weg zu räumen. Jede Seite behält weiterhin das Recht, ihr angemessenes Schutzniveau selbst festzulegen und in diesem Rahmen Umwelt-, Sicherheits- und Gesundheitsangelegenheiten so zu regeln, wie sie es für angebracht hält.

5. Frage Piraten: Ein Ziel von TTIP ist für geistiges Eigentum im Zielland den gleichen Schutz zu garantieren wie im Ursprungsland. Was halten Sie davon, dass damit Trivialpatente aus den USA in der EU durchsetzbar werden?

Antwort Fr. Heil: Generell stehe ich Trivialpatenten kritisch gegenüber, da sie ein Hemmnis für wirtschaftliche Entwicklungen darstellen. Es sollte das Anliegen der EU-Kommission sein, diese einzuschränken.

6. Frage Piraten: In dem jetzt vorliegenden Vertragstext des Freihandelsabkommens CETA der EU mit Kanada (http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf) ist ein Investorenschutz durch nicht staatliche Schiedsgerichte vorgesehen, deren Entscheidungen für die Vertragsstaaten bindend sind.

Kanada und die Mitgliedsstaaten der EU sind Rechtsstaaten. Halten Sie eine zusätzliche übergeordnete private Schiedsgerichtsbarkeit im CETA-Abkommen zur Durchsetzung unternehmerischer Interessen für erforderlich? Würden Sie bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag dem CETA-Vertrag zustimmen?

Antwort Fr. Heil: Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass spezielle Investitionsschutzvorschriften in einem Abkommen zwischen der EU und Kanada nicht erforderlich sind, da beide Partner hinreichenden Rechtsschutz vor nationalen Gerichten gewähren. Eine endgültige Entscheidung darüber, ob Investitionsschutzbestimmungen in das Abkommen aufgenommen werden, wird erst nach einem Verhandlungsergebnis und nach Evaluierung durch die Mitgliedstaaten erfolgen.

Dies wird für Ende 2015 erwartet. Es muss auf jeden Fall ausgeschlossen werden, dass Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen, die rechtsstaatlich und demokratisch zustande kommen, ausgehebelt oder umgangen werden. Es muss verhindert werden, dass beispielsweise ein Marktzugang, der solchen Regeln widerspricht, einklagbar wird. Ich würde ein Abkommen ohne Investitionsschutz begrüßen.

Generell sehe ich große Chancen für Deutschland und Europa in einem Freihandelsabkommen mit den USA.

Pressemitteilung von

Mechtild Heil (CDU)