59. Maifelder Landwirtschaftswoche

Bäuerinnen und Bauern in Rheinland- Pfalzstehen vor großen Herausforderungen

Staatssekretär Andy Becht referierte bei der Auftaktveranstaltung

22.01.2020 - 09:38

Polch. Unter dem Motto „Für eine nachhaltige Landwirtschaft - regional statt international“ startete im Forum Polch die 59. Maifelder Landwirtschaftswoche. Eingeladen hatte der Verein Landwirtschaftlicher Fachbildung Mayen-Koblenz e.V. (VLF) um seinen Vorsitzenden Henning Carstensen. Ihm war es vorbehalten, im Rahmen seiner Eröffnungsansprache, zahlreiche Landwirte aus der Region und sonstige Interessenten willkommen zu heißen. Noch frisch im Amt, war es laut Carstensen seine erste Ansprache als VLF-Vorsitzender. Unisono erfolgte durch ihn zunächst eine Kurzvorstellung seiner Vita, bevor er seine Ausführungen in Richtung der aktuellen Probleme in der Landwirtschaft lenkte und als Stichworte in den Raum stellte. Diese stellen für ihn und die Landwirte nach eigenem Bekunden derzeit keine rosigen Zeiten in Aussicht: „Täglich neue Auflagen, mehr Bürokratie, politische Unsicherheiten, keine Planungssicherheit, immer größeres wirtschaftliches Risiko, mehr Kontrollen, Wetterkapriolen der Superlative, schlechtes Ansehen des Berufsstandes und viel zu wenig Zeit für Familie und Freunde!“ Dazu kommt laut Carstensen noch, dass man von vielen Menschen als alleiniger Verursacher von Insektensterben, Umweltverschmutzung und Tierquälerei hingestellt wird, obwohl man sich seit Jahrzehnten an die politischen Vorgaben in Sachen Düngung, Pflanzenschutz und Tierhaltung hält. So wäre es zwar nach wie vor schwierig zwei Landwirte unter einen Hut zu bekommen, aber die Bewegung in den vergangenen Monaten innerhalb der Initiative „Land schafft Verbindung“, lässt für die Zukunft hoffen. So konnten über einfache WhatsApp-Gruppen mehr als 80.000 Landwirte mobilisiert werden, die deutschlandweit mit über 20.000 Traktoren bei Demonstrationen ihrem Unmut Luft gemacht haben. Man will mitreden und mitdiskutieren und nicht jene politische Entscheidungen schlucken die einfach über ihre Köpfe hinweg beschlossen würden. „In Deutschland produzieren wir die sichersten Lebensmittel, halten höchste Umweltstandards ein, haben die besten Ställe in Sachen Tierwohl und definitiv die glücklichsten Tiere“, so Carstensen. Sein Aufruf: „Bitte tragen Sie diese Botschaft in die Öffentlichkeit!“ Im Anschluss an die Begrüßung der Ehrengäste und einem interessanten Beitrag von Dienststellenleiter Dr. Johannes Noll (DLR Westerwald-Osteifel), ergriff Staatssekretär Andy Becht vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau“ in Rheinland-Pfalz das Wort und legte die Perspektiven der Landwirtschaft aus Sicht der Landesregierung dar:


Kaum zu bewältigende Herausforderungen


„Die Bäuerinnen und Bauern in Rheinland-Pfalz stehen vor großen Herausforderungen, die sie kaum bewältigen können. Sie haben ihre Zukunftsängste im vergangenen Jahr in Großdemonstrationen deutlich gemacht. Ziel der Landesregierung ist es, die Einkommenssituation in der Landwirtschaft zu verbessern und die Produktion ökologisch und ökonomisch nachhaltiger zu gestalten. Ein Schwergewicht der Landesregierung liegt auf gleichwertigen Lebensverhältnissen von Stadt und Land. So setzen wir uns beispielsweise für schnelles Internet und den flächendeckenden Ausbaus von 5G-Netzen für den ländlichen Raum ein, denn dies ist für unsere Land- und Forstwirtschaft besonders wichtig, um neue Techniken zu nutzen! Besonders schwer zu bewältigen sind für unsere Landwirtschaft die immer höheren Umwelt-, Tierschutz- und Klimaschutzanforderungen. Die Trockenheit der vergangenen Jahre, die geringeren Ernten, Futtermangel und auch gestiegene Preise für landwirtschaftliche Produktionsgrundlagen, beispielsweise Futtermittel und Wasser, machen dies deutlich. Viele Betriebe haben existenzielle Sorgen, die zunehmende Volatilität auf den Agrarmärkten bewirkt eine noch größere Unsicherheit. Daher ist das Risikomanagement in und für unsere Betriebe inzwischen ein bedeutender Schwerpunkt in der Agrarpolitik von Rheinland-Pfalz. Wir hatten im vergangenen Jahr den Vorsitz bei der Agrarministerkonferenz. Mit verschiedenen Anträgen haben wir uns dort für Lösungen und Hilfestellungen stark gemacht, und zwar auf Basis von wissenschaftlichen Fakten und unter Berücksichtigung der Situation in der landwirtschaftlichen Praxis. Beispielsweise haben wir durch einen Beschluss der Agrarministerkonferenz eine Bundesratsentschließung herbeigeführt, worin wir die Verbesserung des Risikomanagements in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, eine Anpassung der Versicherungssteuer und eine Förderung der Mehrgefahrenversicherung gefordert haben. Wir haben auch eine Absenkung des Versicherungssteuersatzes für die Risiken „Dürre“ und „Tierseuchen“ angeschoben und zudem die Bundesregierung aufgefordert, die Agrarwirtschaft mit einer breiten Palette produktionstechnischer Maßnahmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) zu unterstützen.


Nachhaltige Strategien, keine kurzfristigen, medienwirksamen Maßnahmen


Uns geht es um eine nachhaltige Strategie, mit der die Landwirtschaft dem Klimawandel begegnen kann, und nicht um kurzfristige, medienwirksame Maßnahmen. Daher fordern wir den Bund auf, den Bundesratsbeschluss umzusetzen und die GAK um einen neuen Fördergrundsatz für „Maßnahmen zur Bewältigung der durch den Klimawandel verursachten Folgen für die Landwirtschaft“ zu erweitern. Dafür ist auch eine entsprechende Mittelaufstockung durch den Bund erforderlich. Verlässliche Rahmenbedingungen und Stabilität bei den Fördermitteln sind eine wesentliche Grundlage, damit unsere Betriebe weiter wirtschaften können. Denn von Wertschätzung allein können sie nicht leben!

Bei der Entwicklung der künftigen Agrarpolitik ist eine ausreichende Zielharmonisierung und Folgenabschätzung vorzunehmen und die Betroffenen müssen intensiv einbezogen werden! Diesem Anspruch wurde das Bundeslandwirtschaftsministerium im vergangenen Jahr nicht gerecht. Bei der erneuten Novellierung der Düngeverordnung, dem Pflanzenschutz, dem Insekten- und dem Klimaschutzprogramm wurden die Landwirtschaft und die Länder vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung beinhaltet eine Reihe von Einzelmaßnahmen, Fördermechanismen und Regulierungen, deren Wechselwirkungen und Folgen derzeit kaum abschätzbar sind. Ich fürchte, dass der Strukturwandel in der Landwirtschaft, der in Rheinland-Pfalz ohnehin schon sehr hoch ist, noch verstärkt wird. Ich fordere durchdachte, professionelle Konzepte! Zur Einbindung der betroffenen Kreise haben wir bereits bei der AMK in Mainz Ende September 2019 einen nationalen Agrar- und Klimarat vorgeschlagen. Dem ist die Bundesregierung bislang nicht gefolgt. Deshalb hat Minister Wissing für Anfang Februar einen Agrargipfel in Mainz einberufen. Wir wollen zeitnah handeln, die Anliegen der Landwirtschaft aufgreifen, gemeinsam mit allen Betroffenen Lösungen entwickeln und umsetzen. Dabei werden wir uns auch mit den roten Gebieten und den Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität befassen. Bedarfsgerechte Düngung und Pflanzenschutz im notwendigen Umfang sind erforderlich für eine regionale Versorgung unserer Bevölkerung mit Nahrungsmitteln! Ich kann daher gut verstehen, dass das Insektenschutzprogramm bei den Landwirtinnen und Landwirten das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die Landwirtschaft wird durch dieses Vorhaben noch zusätzlich erschwert. Künftig soll in Schutzgebieten eine Reihe von Verboten für Pflanzenschutzmittel gelten. Die dadurch verstärkte Betriebsaufgabe wird eine Kettenreaktion auslösen, mit Folgen für die Struktur und Natur und unsere gesamte Gesellschaft im Land. Das halte ich für unverantwortlich! Wer soll denn künftig die Aufgaben wahrnehmen, die unsere bäuerlichen Familienbetriebe heute erfüllen? Die Pflege der Kulturlandschaft, die Erhaltung des Grünlands, Erzeugung alternativer Energien, ein gutes Leben in unseren Dörfer und nicht zuletzt die Erzeugung hochwertiger Lebensmittel? Bereits seit einigen Jahren hat die Landesregierung sich in Berlin und Brüssel dafür eingesetzt, Wettbewerbsnachteile für unsere Betriebe in Deutschland abzubauen. Erst im Dezember hat Minister Wissing Gespräche bei der EU-Kommission geführt. Beispiele für die Benachteiligung sind die in vielen EU-Ländern weiterhin bestehenden Ausnahmen für Pflanzenschutzmittel, die bei uns strikt verboten sind, Beispiel Neonicotinoide! Auf Agrarministerkonferenzen und im Bundesrat habe ich mehrfach auf die Gefahren durch die nationale Einengung der Pflanzenschutzmittelwirkstoffe hingewiesen, Resistenzprobleme werden verstärkt. Ich habe wiederholt die schleppenden Zulassungsverfahren beanstandet. Dass nationale Sonderwege bei der Pflanzenschutzmittel-Zulassung nicht rechtens sind, zeigt inzwischen sogar ein Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig auf.


Auch in Zukunft wird eine ausreichende Wirkstoffpalette zur Pflanzenbehandlung benötigt


Gerade wegen des Klimawandels brauchen wir auch in Zukunft eine ausreichende Wirkstoffpalette zur Pflanzenbehandlung! Dies ist für die Verhinderung von Ernteausfällen durch neue Schaderreger und neue Pflanzenkrankheiten ein „Muss“. Rheinland-Pfalz hat erfolgreich einen eigenen Entschließungsantrag im Bundesrat durchgebracht, der sich auf die Auswirkungen von Pflanzenschutzmittel auf Bienen und andere Bestäuber-Insekten bezieht. Wir fordern ein realistisches Szenario: praktikable Methoden sollen beachtet und Biozide einbezogen werden. Fachliche Expertisen und beispielsweise die Einbindung der Bienen-Institute der Länder sollen zur Entwicklung einer praxistauglichen Umsetzung beitragen!“Unsere Betriebe wollen und müssen sich an Maßnahmen für Umwelt- und Klimaschutz beteiligen. Dabei dürfen sie jedoch nicht alleine gelassen werden. Bei den vorgesehenen pauschalen Einschränkungen der Düngeverordnung in den roten Gebieten sind dringend Überarbeitungen notwendig!“ Im Anschluss an die detaillierten Ausführungen des Staatssekretärs stellte er sich den Fragen der Anwesenden, wobei sich eine auf Lehreraussagen beim Schulunterricht bezog. Da werden von einigen Lehrkräften Landwirte vor den Kindern als Giftmischer hingestellt und unwahre Behauptungen als Tatsachen verkauft, wie ein betroffener Landwirt ausführte. Becht will dieser Aussage nachgehen. Abschließend referierte Prof. Dr. Johannes Steidle (Universität Hohenheim) über den Rückgang der Insektenpopulation.

TE

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