Allgemeine Berichte | 07.04.2021

„Wie konnte es passieren?“: Matthias Bertram hat ein neues Buch zur NS-Zeit veröffentlicht

Dernauer Autor räumt mit Fehlinformationen zum Lager Rebstock auf

Matthias Bertram. Foto: privat

Kreis Ahrweiler. Kaum ein Thema wird von lokalen Historikern derart kontrovers diskutiert wie das Lager Rebstock bei Marienthal, einer Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald. Lange bestand das Lager nicht. Dennoch waren dort im September des Jahres 1944 fast 200 Menschen interniert und mussten Zwangsarbeit leisten. Ihre Aufgabe bestand in der Fertigung der V2.

Dass es das Lager wirklich gab, ist belegt. Doch über die Details streiten sich die Geschichtsforscher. Matthias Bertram aus Dernau ist einer von diesen geschichtsinteressierten Mitbürgern und hält seine Recherchen in Büchern fest. Der Autor moniert, dass die Darstellungen in Sachbüchern und Schriften zum Lager in den vergangenen Jahrzehnten falsch seien. Insbesondere die Aussagen, dass im Außenlager Rebstock 1500 Menschen ermordert wurden. Diese Informationen nahm zunächst auch die Landeszentrale für politische Bildung in ihre Schriften auf. Als die Stimmen lauter wurden, das die Aussagen möglicherweise falsch seien, bestätigte die Landeszentrale, dass es keinen systematischen Mord an Juden im Ahrtal gegeben habe. In der Folge bedauerte und berichtigte die Landeszentrale ihre Berichterstattung. Für Matthias Bertram, der im Vorfeld bereits auf die falsche Darstellung in der Literatur hingewiesen hatte, war dies der richtige Weg. Von den Schreibern der Bücher hingegen, vermisst Bertram jedoch Klarstellung und Entschuldigung.

In seinem neuen Buch „Wie konnte es passieren?“, das den Untertitel „Fallanalyse zur Erinnerungskultur“ trägt, stellt sich Bertram genau diese Frage: Wie konnten über Jahrzehnte Falschinformationen über das Lager Rebstock verbreitet werden und werden es immer noch? BLICK aktuell sprach nun mit Matthias Betram über sein neues Buch.

BLICK aktuell: Herr Bertram, welches Thema behandelt Ihr neues Buch genau?

Matthias Bertram: Das Buch ist ein Fallanalyse, die zeigen soll, wie durch leichtfertigen Umgang mit historischen Fakten, historische Wahrheit so verfälscht werden kann, dass sie nicht mehr zu erkennen ist. Manchen Menschen geht es mehr um skandalisierende Überschriften, als um saubere wissenschaftliche Recherche. Andere Menschen, die diese Falschnachrichten mit verbreitet haben, schämen sich zu ihren Handlungen zu stehen und versuchen diese mit weiteren Handlungen zu verdecken. Nachdem das Buch die Fakten analysiert hat, die Treiber der Nachrichten genannt hat, wird ein Fazit gezogen und ein Weg aufgezeigt, wie der Zwangsarbeit in den unterschiedlichen Projekte (z.B. dem Bau der V2) im Ahrtal würdig gedacht werden könnte. Der Fallanalyse wird das ehemalige Buch „Untertageverlagerung Geheimkommando Rebstock“ mit umfangreicher Quellenangabe angehängt.

BLICK aktuell: Sie gelten als eifriger Korrektor von fehlerhaften Inhalten von Sachbüchern zum Außenlager Rebstock. Diesmal dreht es sich auch um ein Werk des bekannten Autors Michael Preute - was stimmt hier nicht?

Bertram: Es handelt sich nicht ausschließlich um Preutes Werk. Preute hat damals zwar die Basis für diese Falschnachrichten gelegt, indem er von KZ sprach, von toten Dernauer Juden und Massengräbern. Das Schlimme war, dass er dies nutzte um sein Thema „Regierungsbunker im Ahrtal“ aufzupeppen, das Ganze als Sachbuch vermarktete und im Spiegel veröffentlichte. Dass Beuys, Petra Kelly und Heinrich Böll, im Rahmen ihrer Demos und Happenings im Ahrtal gegen den Natodoppelbeschluss das Thema „Rebstock“ ebenfalls aufnahmen, förderte die PR nur zusätzlich. Jungbluth und Gückelhorn, Hennig, der Bürgerverein Synagoge und das Land übernahmen dann diese Geschichten und brachten sie 2016 letztlich in 10.000-facher Auflage in den Geschichtsunterricht der Gymnasien des Landes.

BLICK aktuell: Warum interessieren Sie sich besonders für das Lager Rebstock?

Bertram: Das Thema Judentum in Dernau/Ahrweiler spielte in meinem Leben früh eine Rolle. Meine Mutter, geb. Kreuzberg, wohnte in Dernau neben der Familie Baer. Der Vater berichtete von den Zerstörungen der Reichskristallnacht. Tanten berichteten von Häftlingen, die durchs Dorf geführt wurden und denen man ein Butterbrot versteckt zukommen liess. In vielfältigen Schilderungen bekam ich als Schüler schon mit, was so passiert war, was erzählt wurde. Meine Großmutter Elisabeth Kreuzberg, die im Trotzenbergtunnel genau an der Stelle seit Mitte Dez. 1944 ihre Familienbaracke hatte, an der bis dahin die Häftlinge untergebracht waren, holte sich dort Typhus und starb daran. Mit Sicherheit ist sie an den Folgen der Rebstockaktivitäten gestorben. Dass zivile Opfer von den Berichterstattern bewusst unterschlagen werden, nur weil sie Zivilisten und Deutsche waren, zeigt die Geisteshaltung dieser Berichterstatter. Mit Seriösität hat dies nichts zu tun. Dies behauptet nun sogar die Landeszentrale in ihren Jahresbericht 2019.

BLICK aktuell: Wie recherchieren Sie für ihre Bücher, woher beziehen Sie ihre Informationen?

Bertram: Recherchen zu einem so sensiblen Thema sollten äußerst umfassend durchgeführt werden. Da reichte es nicht etwas von anderen abzuschreiben und dann zu behaupten man beziehe sich auf Primärquellen.

Solche Recherchen sollten, wenn möglich eigenes Erleben vor Ort, vielfältige Gespräche mit vielen Zeitzeugen (Zivilisten, Häftlingen und deren Nachkommen hier in Deutschland und in anderen Ländern), Gespräche mit Fachhistorikern und Leitern von Gedenkstätten, Einsichtnahme in möglichst viele Archive (regional, national und international) einschließen. Wenn das Skript zu einem Buch dann mal steht, sollte man sich möglichst kritische Korrekturleser aussuchen, die nicht mit Kritik zurückhalten. Nichts wäre schlimmer, wie ein offensichtlicher grober Fehler in der eigenen Darstellung. Dass man nebenbei alle mögliche verfügbare Fachliteratur zum Thema lesen sollte und auch mit den Autoren spricht, sollte dazu gehören, um sicher zu sein.

Weitere Informationen:

„Wie konnte es passieren; Regierungsbunker, KZ im Ahrtal, Lager Rebstock?“ Shaker-Media Verlag, Düren; ISBN 978-3-95631-829-0

14,90 Eruo, 244 Seiten.

ROB

Matthias Bertram. Foto: privat

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