Im Rathaus Oberwinter bezaubern Motive von Rolandseck, Rolandsbogen und Drachenfels
Druckreife Ansichten der Rheinromantik
Christian Schmiedel veranschaulicht Drucktechniken in Ausstellung und Schrift
Oberwinter. Gleichsam hypnotisch angezogen von den hiesigen Reizen der Landschaft hielten Maler und Zeichner vor allem im 19. Jahrhundert rheinaufwärts schauend Gefilde fest, die nichts zu wünschen übrig ließen. Von Rolandseck aus nahmen sie den Rhein meist mit der Insel Nonnenwerth unter Pinsel und Zeichenstift. Die Komposition umfasste zudem pittoreske Uferpartien, die Höhen mit Überresten von Burgen aus einer für heroisch gehaltenen Zeit.
Engländer entdeckten den Zauber des Rheintals
Kurzum, die Gegend war so schön, dass sie Druckreife erlangte. Vereinzelt hatten Reisende und Künstler das Rheintal im 17. und 18. Jahrhundert festgehalten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entdeckten englische Künstler den Fluss. Im Gefolge der Dichter lockte er im 19. Jahrhundert verstärkt die Maler, Zeichner und Lustreisende. Besonders Engländer kamen schon in der ersten Jahrhunderthälfte, um zu staunen, und wurden zur Hauptklientel einer sich entwickelnden Tourismusbranche. „Druckreif“ hat Christian Schmiedel daher seine Ausstellung im Rathaus Oberwinter und die Begleitpublikation genannt, die gerade vom Rathausverein vorgestellt wurden. Dabei verriet er, dass die Idee zum Titel seiner Frau auf dem Pfannkuchenschiff kam.
Mehr als die Malerei trug die reproduzierbare Druckgrafik illustrierter Reisebeschreibungen dazu bei, das romantische Bild des Stroms zu verbreiten. Ihr gilt die Ausstellung, für deren Exponate der Vereinsvorsitzende Hans Metternich den Sammlern dankte, dass „sie ihre Wände entblößten“. Autor und Kurator Schmiedel führte in die Druckverfahren ein. Während beim Holzschnitt und Holzstich (Xylografie), somit Hochdruck, die erhabenen Stellen des Druckstocks zum Bild führen, nehmen beim Tiefdruck von Kupferstich, Radierung und Stahlstich die tiefen Ritzstellen die Druckfarbe an. Im Flachdruck entstehen Lithografien. Nur wenige farbige Beispiele sind davon im Rathaus zu sehen. Einmal führt der Blick vom Villengrundstück südlich des Bahnhofs Rolandseck und Gebäuden am Ufer zum Rhein samt Insel Nonnenwerth und hinüber zum Siebengebirge. Ein andermal sind die Landschaftsbegeisterten, vermutlich Engländer, mit erfasst. Vom Eselführer auf eine Rolandsecker Anhöhe gebracht, bewundern zwei elegante Damen und ihr männlicher Begleiter die Flussbiegung zwischen Drachenfels und Rolandsbogen.
Rolandsbogen wird zu einem der beliebtesten Motive
Seltener geht es in Nord-Süd-Richtung. Bei seiner trefflichen Komposition von um 1840 ist J. Roux zugleich der Zeichner und Stecher. Das „Rolandseck und Nonnenwörth“ bezeichnete Blatt zeigt außer der Insel mit sehr präsentem Kloster vom unbefestigten Verkehrsweg aus auch Rebenkultur, zudem die spärliche Ansiedlung von Rolandswerth und bindet auch noch den Rolandsbogen ein. Einen höheren Blickpunkt nimmt die malerisch kolorierte Aquatinta des grünen Rheintals mit rastender Staffagefigur ein, die Rudolf Bodmer nach Johann Adolph Lasinsky schuf. Der Koblenzer Verleger Karl Baedeker, der später mit seinen Reiseführern weltberühmt wurde, brachte sie 1834 in seinen illustrierten Rhein-Beschreibungen heraus. Weniger dokumentarisch als schwärmerisch bannt eine von Prägedruck gerahmte Farblithografie den Rhein: Türkisblau, still und weit wirkt er wie ein See. Die üppige Vegetation der Gestade tut ein Übriges, um den Reiz ins Paradiesische zu steigern.
Verklärende Ansichten fanden Eingang in Reiseführer
Die meisten Darstellungen einst und nun im Rathaus sind Stahlstiche. Rund 400 Varianten gab es, und gegenüber den früheren Kupferstichen ermöglichten sie ein präziseres Druckbild und eine höhere Auflage. Eine Vollmondszene, um 1840 wahrscheinlich nach einer Zeichnung des berühmten William Turner gestochen, fängt unterhalb des Rolandsbogens Schiffe, geschäftige Bootsleute und Treidelpferde ein. Die aufgeführten Bildwerke geben die Landschaft teils wirklichkeitsnah wieder, teils übersteigern sie das Vorgefundene, um es zu verklären, zumal wenn die Ansichten Eingang in die immer zahlreicher werdenden Reiseführer finden sollen. Ornamental eingefasst erscheinen Rolandsage, Landschaft und neue Zeit mit dem Bahnhof Rolandseck und einer Herberge in einer Farblithografie nach Caspar Scheuren. Die bildschöne Gegend wird hier als Schauplatz von Natur und Kultur angesprochen. Noch mehr im Dienst einer Botschaft steht ein bemerkenswerter Kupferstich von 1635. Dem Drachenfels stellt er linksrheinisch eine Klause mit Fenster gegenüber, durch die Sonne und Wind dringen, um einen Sinnspruch zu illustrieren, nach dem, wie ein Glasfester klar und licht auch „die red klar und verständig sey“. Die Ausstellung in der Hauptstraße 99 ist bis Sonntag, 19. Mai, am Wochenende geöffnet, samstags von 16 bis 18 Uhr und sonntags von 11.30 bis 13 Uhr sowie von 16 bis 18 Uhr. HG