Flutkatastrophe und Zeitenwende
Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Sektion Bad Neuenahr-Ahrweiler der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) hat am 14. Oktober 2024 um 19.00 Uhr mit diesem Thema ihre vorerst letzte Veranstaltung zur Katastrophenvorsorge durchgeführt. Kurzer Rückblick: Im Mai 2023 fand die erste Veranstaltung auf der Ebene des Bundes statt und wurde dann im Oktober 2023 auf der Ebene Rheinland-Pfalz fortgesetzt. Im April 2024 schloss sich dann die Betrachtung auf der Ebene des Landkreises Ahrweiler an um jetzt den Kreis mit der Betrachtung aus Sicht der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler zu schließen. Als kompetente Referenten konnten dafür der Erste Beigeordnete der Stadt Peter Diewald sowie der städtische Wehrleiter Marcus Mandt gewonnen werden. Beide sind auch durch ihre hauptamtlichen Tätigkeiten in der Stadtverwaltung eng mit dem Thema vertraut.
Peter Diewald ging in seinen einleitenden Ausführungen noch einmal auf die Ausgangslage zum Zeitpunkt der Flutkatastrophe im Juli 2021 ein. Den rund 50 Zuhörern im Rathaussaal wurde dabei deutlich, dass keine der oben genannten Führungsebenen auf eine solche Katastrophe vorbereitet war, auch nicht die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler. Es fehlte nicht nur die planerische Vorbereitung (Stabsordnung, Alarmierungspläne, Verantwortlichkeiten und Erreichbarkeit wichtiger Mitarbeiter), sondern auch die materielle und technische Ausstattung (Funkmittel, Telefonverbindungen, Fahrzeuge, netzunabhängige Sirenen). Es kann hier nur beispielhaft auf die Unzulänglichkeiten eingegangen werden. Hinzu kam noch, dass der betroffene Personenkreis keinerlei praktische Erfahrungen im Rahmen von Ausbildungen und Stabsübungen sammeln konnte, weil diese nicht durchgeführt wurden. Der Referent machte aber auch deutlich, dass die Ereignisse der Flutkatastrophe allein durch die Kräfte der Stadt auch bei optimaleren Bedingungen nicht hätten bewältigt werden können. Die föderalen Strukturen mit teilweise nicht klar geregelten Zuständigkeiten, Pflichten und Rechten erschwerten das effektive Handeln zusätzlich. Aber auch die zwingend notwendige Eigenverantwortung jedes Bürgers wurde immer wieder hervorgehoben. Hier muss sich die Politik seit Ende des „Kalten Krieges“ gravierende Defizite bescheinigen lassen. Nicht nur die Zunahme von Naturkatastrophen, sondern auch die immer näherkommenden kriegerischen Auseinandersetzungen (Russland-Ukraine, Nahost) erfordern ein strikteres Umdenken bei den Themen Bevölkerungsschutz, zivile Verteidigung und Landes- und Bündnisverteidigung. Die Zeiten des „ Zurücklehnens“ im heimischen Wohnzimmer und der Glaube, die anderen werden es schon richten sind auch für uns Deutsche vorbei.
Den zweiten Part des Abends bestritt dann Marcus Mandt. Auch er begann seinen Vortrag mit der Darstellung der Ausgangslage am Tage der Flutkatastrophe. Die Feuerwehren der Stadt waren mit drei Löschzügen und vier Löschgruppen mit 200 aktiven Mitgliedern und 21 Fahrzeugen für alle bisherigen Ereignisse relativ gut aufgestellt. Dass das für die Situation im Juli 2021 nicht annähernd ausreichte, machte der Referent an einigen Beispielen deutlich: Zwei der drei Feuerwehrstützpunkte waren verloren, 70 von 120 Aktiven sind selbst betroffen, alle umliegenden Wehren sind im Einsatz oder selbst betroffen, alle Sammelräume und Evakuierungspunkte sind nicht nutzbar. Hinzu kommt, dass im gesamten Stadtgebiet die Versorgung mit Strom, Wasser und Gas zusammengebrochen ist. Das Internet, Telefone, Funk und Sirenen sind ausgefallen. Nur das Feuerwehrhaus auf der Heerstraße in Bad Neuenahr ist als einziges auf einer Strecke von 40 Kilometern Ahrtal noch nutzbar.
Welche Schlussfolgerungen wurden durch die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler gezogen und wie ist der Stand der Umsetzung?
Als eine der ersten Maßnahmen wurde ein neues Landes- Brand- und Katastrophenschutz-Gesetz (LBKG) für Rheinland-Pfalz geschaffen. Es regelt die Zuständigkeiten für den Katastrophenschutz (KatS). Darin ist klar festgelegt, dass die im alten Gesetz mögliche Delegierung der Zuständigkeit für den KatS durch den Landrat an den Kreisfeuerwehrinspekteur nicht mehr möglich ist. Das dürfte für einige Bewohner des Ahrtales besonders interessant sein.
Die Stadt selbst hat ihre Feuerwehr auf 240 aktive Mitglieder mit 30 Fahrzeugen aufgestockt, weitere Maßnahmen sind geplant. 85 neue netzunabhängige Sirenenanlagen mit erweiterten Nutzungsmöglichkeiten (z.B. Sprachdurchsagen) wurden im Ahrtal installiert. Die Neubauten der zerstörten Feuerwehrhäuser sind hochwasserresistent in Planung. Wichtige Infrastruktureinrichtungen (z. B. Rathaus, Feuerwachen u.a.) wurden mit Notstromaggregaten ausgestattet.
Die Stadt hat zahlreiche Schulungen durchgeführt und im Rahmen von Übungen das Personal für die spezifischen Aufgaben vorbereitet.
Von beiden Rednern wurde aber auch deutlich gemacht, dass sie sich viele Maßnahmen schneller und unbürokratischer wünschen würden, was aber trotz gegenteiliger Versprechen der Politik im Alltag an den bürokratischen Hürden scheitert. Die gleichen Hoffnungen hatten viele Bürger des Ahrtales und der Stadt. Dass dabei bei einigen Frust entstanden ist, machte auch die abschließende Diskussion deutlich.
