Bildband würdigt die Kunst von Bildhauer und Maler Titus Lerner
Schöpfer von Menschenbildern
Spessart. Eine neue Monografie über Titus Lerner bietet Kunstinteressierten umfassend Einblick in das Schaffen des weit über Deutschland hinaus bekannten Künstlers. Bislang sind bereits etliche Publikationen erschienen, die sich auf seine Malerei, auf Plastiken und Zeichnungen oder auf die Werkauswahl bestimmter Zeitabschnitte konzentrieren. Diesmal aber zeigt der „Titus Lerner“ überschriebene Bildband die Vielfalt all seiner Ausdrucksformen, wie der Untertitel „Terrakotten Steine Federzeichnungen Radierungen Bronzen Malereien. Eine Werkauswahl 1980 – 2024“ signalisiert.
Ein Kind des Westerwaldes – geboren 1954 in Hachenburg – hatte er früh Berührung mit dem Werkstoff Ton, für den das Kannenbäckerland bekannt ist. Von klein auf, dann als Gymnasiast, sodann im Studium, modellierte er in Ton, war also bereits ein Könner, bevor er 1978 als freiberuflicher Künstler mit Terrakotta begann. Seinen Händen entsprungene Köpfe und Figuren, auch gezeichnet und in Radierungen eingefangen, geben Physiognomien und Körper wieder, teils vom Alter gezeichnet, auch gequälte, Willkür und Folter ausgesetzte Gestalten. In der Begegnung mit dem Betrachter fragen sie: Was ist der Mensch? Was tut der Mensch dem Menschen an?
Themen ausdem realen Leben
Das sind Themen, die Lerner, der seinen Lebensmittelpunkt in Spessart, Brohltal, gefunden hat, wo er in Ruhe arbeiten kann, umtrieben, ihn immer noch beschäftigen, sich aber inzwischen in seiner Kunst anders äußern, weiter, offener, weniger drastisch gefasst. Immer geht es ihm, auch noch nach gut viereinhalb Jahrzehnten künstlerischer Anstrengungen, um „Aussagen zum Menschenbild“. Die haben sich vermehrt. Es kamen Motivgruppen hinzu, wie der sich hinter „Masken“ verbergende oder „Häutungen“ unterziehende Mensch. Letzterer streift seine alte Haut und damit Rollenzuweisungen ab, um neue Möglichkeiten seines Ichs zu entfalten. Angesichts wankender Gewissheiten schuf Lerner zudem Arbeiten unter dem Motto „Wohin mit den Göttern“.
Er greift die in der Kunst seit Jahrhunderten thematisierte Gestalt des Ikarus auf, erkundet das ebenfalls viel genutzte Bootsthema als Reise durch Raum und Zeit mit einem oder mehreren Menschen, treibt es dem Ende oder neuen Ufern zu. Wohin es geht, bestimmt nicht zuletzt das Gegenüber von Lerners Schöpfungen. „Ich habe meine Themen aus dem realen Leben“, erläuterte der Künstler einmal. Gleichwohl lässt er dem Betrachter Raum die Werke individuell auszudeuten. Gezeigt wurden sie in 100 Einzelausstellungen in Galerien, Kunstvereinen und Museen sowie durch Beteiligungen an Kunstmessen in Köln, Karlsruhe, Straßburg, Innsbruck und Seoul.
Besonderheit: Unikatbronzen
Mitte der 1990er Jahre hörte Lerner damit auf, Skulpturen aus dem Stein heraus zu hauen. Dies wegen der körperlichen Herausforderung. In seinem Depot beherbergt er indes noch beachtliche Exemplare dieser Werkgruppe inmitten zahlreicher Terrakotten. Ein weiterer Raum ist allein seinen Bronzen vorbehalten. Davon ließ Lerner während der frühen künstlerischen Phase aus Kostengründen nur wenige gießen. Heute sind die Bronzen neben der in den 1990ern expressiv und stark farbig entwickelten Malerei eine Hauptwerkgruppe.
„Für meine Bronzen bin ich auf dem Kunstmarkt bekannt“, sagt er, der bald wieder auf der wichtigen Künstlermesse Art Karlsruhe präsent sein wird. Die Besonderheit: „Ich produziere nicht in Auflagen, sondern fertige Unikate. Die Figur wird in Wachs in mehreren Teilen montiert und im Wachsausschmelzverfahren, bei dem das Modell verloren geht, gegossen.“
Wenn weder Ausstellungen noch Messen seine Anwesenheit in der Öffentlichkeit erfordern, zieht es den Mann wie ferngesteuert ins Atelier. „Ich kann nicht anders“. Das Malen, meist an mehreren Bildern gleichzeitig, damit die ruhenden trocknen können und das Formen der Wachsmodelle für seine Bronzen, sind ihm Bedürfnis und Erfüllung. Er weiß, was er zu tun hat, von früh bis spät, und er tut es gerne, Tag für Tag. HG
