Arp Museum Rolandseck

Themenjahr „Farbenrausch“ bringtGraubners Farbraumkörper zum Leuchten

Themenjahr „Farbenrausch“ bringt
Graubners Farbraumkörper zum Leuchten

1 Triptychon Zoom I-III.HG

Themenjahr „Farbenrausch“ bringt
Graubners Farbraumkörper zum Leuchten

Kuratorin Jutta Mattern mit der Arbeit „Schwall“ von 1972.

Rolandseck. Im ausdrücklich bunten Themenjahr „Farbenrausch“ geht das Arp Museum Bahnhof Rolandseck mit Gotthard Graubner an den Start.

Für den 1930 in Erlbach im Vogtland geborenen und 2013 in Neuss gestorbenen Künstler, „einer der herausragendsten abstrakten Maler Deutschlands, wurde die Farbe zum zentralen Ausdrucksmittel“, so Museumsdirektor Dr. Oliver Kornhoff. Immer wieder verschob er durch Material- und Farbexperimente die Grenzen der Malerei.

Seit Mitte der 1960er Jahre löste er seine Werke aus der Fläche, überführte sie zusehends in die dritte Dimension und nannte sie „Farbraumkörper“. „In der Ausstellung sind 51 Arbeiten von Gotthard Graubner zu sehen und der Versuch, ein zartes Band zu knüpfen zum Immateriellen“, erklärt Kuratorin Jutta Mattern.

Das bezieht sich sowohl auf die fassbaren Bildwerke des Künstlers, die nichts erzählen und nichts repräsentieren wollen als sich selbst als auch auf zehn mit ausgestellte Schwarz-Weiß-Fotografien von im Tanz bewegten Mönchen des Klosters Wangdue Phodrang, die Graubner 1976 während seines Bhutan-Aufenthaltes aufnahm. Sie befinden sich in der Museumssammlung. Darüber hinaus hatte auch Graubner seit den 1970er Jahren einen direkten persönlichen Bezug zum Künstlerbahnhof Rolandseck. Gegenüber dem WDR äußerte er: „Das ist immer eine kreative Situation und deshalb fühlt man sich hier auch so wohl.“

„Geblähte Leiber“

Der Ausstellungsbesucher begegnet Papierarbeiten und zwischen den großen gewölbten Bildkissen, getränkt mit Farbe, etwa einer Buddha-Statuette aus dem 8. Jahrhundert, einer Vitrine mit zwei Zimbeln oder Mönchsbekleidung, ohne dass die spirituelle Note überstrapaziert würde.

Im Gegenteil, die Beigaben verstärken den Eindruck des Oszillierens der Arbeiten zwischen betonter Körperlichkeit einerseits und dem Ideellen in Graubners Kunst und der diffusen Farbwirkung andererseits. Das Körperhafte entsteht durch Polsterung. Dazu überzog Graubner Keilrahmen mit Nessel und baute Synthetikwatte auf. Die sich dem Auge entgegenstreckenden „geblähten Leiber“ (Mattern) hatte der Künstler zuvor auf den Boden gelegt, in vielfachen Schichtungen verdünnte Farbe aufgegossen, auf dass sie sich ihren Weg ins saugfähige Material bahne und einsickere.

Je nach Größe des Bildes waren es bis zu 20 Liter Farbe. Mit Besen und Pinseln sorgte Graubner für Verwischungen. Überspannt hat er die Kissen mit Perlongewebe oder Leinwand. Aufgerichtet an der Wand tritt das farbsatte Volumen als Farbwirkung über sich hinaus, verändert sich bei wechselndem Licht und anhaltender Betrachtung.

Es scheint zu pulsieren, zwischen heller und dunkler, lichter und dichter, ruhig und bewegt und legt somit tatsächlich nahe, zu was der Titel einlädt: mit den Bildern zu atmen.

Graubners Steppdecke

Die Ausstellung ist so konzipiert, dass die Farben auf der Zeitschiene immer intensiver werden. Von beinahe Nicht-Farben wie im hell sandfarbenen „Schwall“ (1972), gekennzeichnet durch mittige Vorwölbungen oder im zu Zwiebackform gesackten gelblichen Bildkissen „Ibiza“ (1970) über Braun, Grau, Grün, geht es bis in leuchtend farbige Regionen.

Dafür steht das Triptychon „Venezia“ mit Bildpolstern in Grün, Pink und Apricot. Es entstand 1982 für den deutschen Pavillon der Biennale in Venedig, die ihm internationalen Erfolg einbrachte. Im riesigen Format „Lapilli“ von 1995 hebt ein großes Wehen an.

Aus dunklem lila Grund lösen sich hellere Farbwirbel. Man glaubt, Zeuge eines dramatischen Naturschauspiels zu sein, obwohl vom Künstler nichts dergleichen intendiert ist. Ausstellungsbesucher mit einem für Mythisches empfänglichen Gemüt kommt etwa auch die partiell eingefärbte Steppdecke entgegen. Ihre leicht grau-blauen Kassettenränder rufen den Eindruck schmutzigen Schnees hervor und womöglich irgendwelche finsteren Geschichten, die aus der Kälte kommen.

So oder so läuft die Kommunikation zwischen Graubners Arbeiten und dem Kunstfreund auf ein Geben und Nehmen hinaus. Ob zeichnerische oder malerische Werke, sie alle fordern eine besondere Aufmerksamkeit heraus. Auf die Schnelle lassen sie sich nicht erobern. Widmet man ihnen Zeit und Hingabe, erschließen sich die meditativen Qualitäten und erstaunliche Farbnuancen.

Zur Ausstellung in der Hans-Arp-Allee 1, geöffnet bis 10. Februar 2019, dienstags bis sonntags und an Feiertagen 11 bis 18 Uhr, ist ein qualitätvoller Katalog mit sehr guten Farbabbildungen erschienen.

HG