Uraufführung im Schlosstheater Neuwied: Dieses bescheuerte Herz

Und plötzlich zählt jeder Tag

Theaterstück nach dem gleichnamigen Buch von Daniel Meyer und Lars Amend - erschütternd und anrührend

14.02.2020 - 12:00

Neuwied. Es ist schon sehr beeindruckend. Eine Uraufführung im Neuwieder Schlosstheater. Eine Geschichte „Dieses bescheuerte Herz“, die schon den Stoff für einen Spiegel- Bestseller und einen höchst erfolgreichen Kinofilm lieferte.

Daniel Meyer, von Geburt an mit schwerer Krankheit geschlagen, mit einer ursprünglich minimalen Lebenserwartung, wird bald sechzehn Jahre alt. Und er hat alle Flausen und Bedürfnisse im Kopf und anderswo, die andere auch haben. Dabei kann die kleinste Anstrengung ihn umbringen, denn er hat nur ein halbes Herz. Das heißt, ihm fehlt von Geburt an eine Herzkammer. Zu Beginn der Geschichte wohnt er gerade im Hospiz, als er Lars durch die Hospizleiterin Esther (Katja Straub) kennenlernt, der sich mit ihm beschäftigt. Anfänglich gibt sich dieser ziemlich lustlos, bekommt aber schnell einen Zugang zu Daniel, der ihn wie einen großen Bruder verehrt. Und so kann dieser ihn auch bei so manchen kleinen Abenteuern begleiten, sei es den ersten Zug an einer Zigarette, den Besuch einer Disco, die Aufnahme eines Liedes im Tonstudio oder die erste Begegnung mit dem anderen Geschlecht in der Gestalt der Anna (Mareike Zupp) – alles unter dem Aspekt: „Ich habe ja nicht so viel Zeit“ - damit meint er seine Lebenszeit. Und die ist nicht angenehm für diesen jungen Mann, der ständig Schmerzen ertragen muss und jeden Tag viele Medikamente zu nehmen hat, die dann auch regelmäßig auf seinen Magen schlagen. Und dann ist da auch noch seine Mutter Debbie Wyrich, eine Frau, die seit 15 Jahren keine ruhige Minute hat, immer in der Angst lebt, es könnte mit ihm zu Ende gehen, ihn beschützen will, wie jede Mutter das wohl tun wollen würde. Gleichzeitig spürt man ihre verzweifelte Ohnmacht, das Schicksal nicht abwenden zu können. Sie muss auf die Einhaltung der ärztlichen Anweisungen bestehen, auch wenn es ihr das Herz zerreißt, ihren Sohn leiden zu sehen. Und Daniel? Er kennt sein Leben nicht anders, lebt wie jeder junge Mann in diesem Alter, kommt in die Pubertät und rebelliert. Nur – in seinem Fall kann das tödlich enden, wie der Zuschauer auch miterleben kann, wenn es plötzlich eng wird mit der Luft und mit dem Leben.

Besonders eindrucksvoll werden die Emotionen des Jungen in einem Traum dargestellt, verzerrte Gesichter und Körperhaltungen der Menschen, die ihn doch eigentlich lieben und ihm helfen wollen - manchmal hat „das Monster“ ihn eben ganz im Griff. Dennis Boland spielt die Rolle des Daniel brillant, er ist temperamentvoll, ungeduldig, schmeichelnd, je nachdem, was er erreichen möchte, und man vergisst manchmal, wie krank er ist.

Die Darstellung der Mutter Debbie ist herzerweichend schrecklich. Jede Mutter im Publikum leidet förmlich mit ihr, nie darf sie verzweifeln, und doch steht sie immer kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Aber irgendwie schafft sie den Spagat zwischen Liebe und Pflicht – tolle Leistung der Schauspielerin Marina Lötschert!

Armin Riahi spielt den Freund Lars Amend – die Namen sind im Gegensatz zu Buch und Film übrigens nicht geändert worden – sehr überzeugend, eine Ähnlichkeit mit der Beziehung der „ziemlich besten Freunde“ ist sicher zufällig, drängt sich aber ein wenig auf. Thomas Krutmann ist in der Rolle des Arztes mal verständnisvoller Mediziner, in der „Traumszene“ mutiert er zum grausamen Quäler – großartig. Die kleineren Auftritte als Kellner und Musikproduzent mit Udo – Lindenberg – Akzent sorgen für ein wenig Heiterkeit im insgesamt traurigen Stück. Hoffnung keimt erst zum Schluss auf, als Daniel dann doch seinen 16. Geburtstag feiern kann: „Und was machen wir jetzt? - Ein Buch, einen Film oder ein Theaterstück.“ Gut so! Standing Ovations und lang anhaltender Applaus belohnen die Schauspieler, den Regisseur und das Team hinter den Kulissen für ihre Leistung, aber auch den jungen Daniel Meyer und seine Mutter Debbie für ihren Mut, ihre Geschichte zu erzählen und damit anderen Menschen Mut zu machen.

Zu sehen ist das Stück noch bis zum 13. März, Infos und Karten unter www.schlosstheater.de , tel. 02631 – 22288.


Making Of – Lajos Wenzel erzählt


Lajos Wenzel, Intendant der Landesbühne, hat es geschafft, dieses Stück nach Neuwied zu holen, als erstes Theater überhaupt. Lajos Wenzel: „Ich hatte das Buch schon auf meinem Schreibtisch liegen, bevor der Film in die Kinos kam und war sicher, dass es ein guter Stoff für ein Theaterstück war. Nur damals war ich noch nicht Chef“, schmunzelt er. „Kurz vor dem Kinostart gelang es mir dann, die Theaterrechte für Neuwied zu bekommen. Ich glaube, zwei Tage nach dem Kinostart hätten wir keine Chance mehr gehabt. Daher bin ich besonders stolz, dass ein so kleines Theater wie wir diese Rechte bekommen hat.“ Auf die Frage, wie er die Schauspieler gefunden hat, und nach welchen Kriterien das geschah, antwortet er: „Wir habe sehr lange nach einem Darsteller für die Rolle des Daniel gesucht und sie letztlich in der Person des Dennis Boland gefunden. Auch die übrigen Charaktere haben wir versucht, dicht an den ´echten` Personen anzusiedeln. Ich denke, das ist uns geglückt.“

Andreas Lachnit hat das Stück inszeniert, und das ist besonders gut gelungen. Die vergleichsweise kleine Bühne in Neuwied verträgt keine aufwändige Kulisse. „Einkaufszentren und Straßenzüge können wir natürlich hier nicht installieren“, so Lajos Wenzel. „Wir arbeiten hauptsächlich mit Lichteffekten.“ Und das können sie gut. Asymmetrische, schiebbare Kulissenelemente in weiß, mit dem jeweils farblich stimmigen Licht in Szene gesetzt, bilden sowohl den Operationssaal als auch die Wohnzimmereinrichtung, einmal sogar ein senkrecht stehendes gruseliges Intensivlager für Daniel mit dicken bunten Schläuchen.

Andreas Lachnit hat ganze (Regie-)Arbeit geleistet, genannt werden müssen aber auch die übrigen Mitwirkenden im Team hinter den Kulissen: Maske: Aline Hüttner, Technische Leitung: Thomas Riemenschnitter, Inspizienz Mitch Brust und Tyra Mae Darlington, Leitung Kostümabteilung: Sylvia Rüger, Leitung Werkstatt: Mario Clos. Sie alle haben zum Erfolg des Stückes beigetragen. „Das Stück wird jetzt 20 Mal in Neuwied aufgeführt, bevor es auf die Reise durch Deutschland geht, 40 Mal, jeden Tag in einer anderen Stadt“, so Lajos Wenzel.


Daniel Meyer und Debbie Wyrich zu Gast bei der Uraufführung


Zur Uraufführung des Stückes „Dieses bescheuerte Herz“ reiste der Autor des Buches und Hauptperson der Geschichte Daniel Meyer aus Hamburg an, begleitet von seiner Mutter Debbie Wyrich und seinem Stiefvater Martin Wyrich sowie Jessica Mack. Zart und zerbrechlich wirkt der heute (fast) 23-Jährige. Er habe schon geahnt, dass es nach dem Buch und dem Film ein Theaterstück geben könne, er habe mit einem Musical gerechnet. Auf der Bühne trägt „sein“ Darsteller übrigens das Original Korsett, dass Daniel tragen musste, weil er eine Stange zur Stabilisierung des Rückens und der Druckentlastung des Herzens benötigte. Debbie Wyrich kann nicht verstehen, dass gerade erst das Gesetz zur Widerspruchslösung bei der Organspende abgelehnt wurde: „Diese Menschen wissen nicht, welches Leid ein Mensch durchlebt, der ein Organ benötigt“, sagt sie und „solange die Medikamente helfen, kommt Daniel nicht auf eine Dringlichkeitsliste für eine Herztransplantation, auch wenn er nur ein halbes Herz hat.“ Die Mutter hat einen Blog ins Leben gerufen, in dem sie andere mit ihrer Erfahrung unterstützt und rät: „Niemals aufgeben, so schwer es auch scheint.“

Kurz vor dem Beginn der Aufführung lernen die Darsteller und die Dargestellten sich kennen – im Foyer des Theaters, Daniel und „Daniel“ mit beiden Müttern – eine bewegende Szene. Und später auf der Bühne trägt Marina Lötschert eine kleine goldene Herzschlag-Kette, überreicht von Mutter Debbie.

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