
Am 05.04.2017
Allgemeine BerichteAm Sonntagnachmittag ging das 2. Unkeler Literaturfest im Weinhaus „Zur Traube“ zu Ende
„Wein trinken ist wie beten“
Unkel. Mit Hermann Hesses Lyrik und Prosa sowie vertonter Lyrik unter dem Titel „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ hatte der Unkeler Geschichtsverein am Sonntag vor einer Woche sein zweites Unkeler Literaturfest eröffnet. Insgesamt sieben hochkarätige Veranstaltungen präsentierte der Verein in der laufenden Woche an unterschiedlichen historischen Orten, die sonst der Öffentlichkeit kaum zugänglich sind, um das Literaturfest dann am ersten Sonntag im April mit einer Lesung und Weinprobe nach Art von Stefan Andres im Weinhaus „Zur Traube“ unter ausschlagenden Reben mit dem Titel „Wein trinken ist wie beten“ zu beschließen.
„Jede Veranstaltung war bisher ausgesprochen gut besucht und wurde von den Zuhörer auch begeistert aufgenommen“, freute sich der Vorsitzende Poet Boy vor Beginn der abschließenden Lesung. Die Themen seien ja auch breit gestreut gewesen, vom romantischen Briefwechsel Ferdinand Freiligraths mit seiner späteren Frau Ida Melos über Heinrich Böll als bekennenden Rheinländer in seinem Roman „Haus ohne Hüter“ und einen Balladenabend mit klassischer Dichtung und Parodien in rheinischer Mundart bis zu einem literarisch-szenischen Ausflug in die Welt 11. Jahrhunderts zu Richeza, der Enkelin Kaiser Otto II. und zu den zeitgenössischen Autoren Susanna Ernst mit ihrem romantischen Buch „So, wie die Hoffnung lebt“ sowie Wolfgang Kais, der aus seinem Kriminaloman „Spur 24“ gelesen habe. „Da dürfte ja für jeden Literatur-Interessierten etwas dabei gewesen sein“, war sich Poet Boy sicher.
Und schon stellte er den Gästen die ökologischen Winzer Angelika und Jörg Beltz aus Bruchhausen vor, die fünf Weine zur Verkostung mitgebracht hatte, während sich der Andres-Experte des Geschichtsvereins, Udo Marquardt, mit dem Werk „Main Nahezu Rhein-Ahrisches Saarpfalz-MoselLahnisches Weinpilgerbuch“, bewaffnet hatte, das Stefan Andres 1951, ein Jahr nach seinem Umzug nach Unkel geschrieben hatte. Eingestimmt auf die Verkostung im Stil des Weinkenners von der Mosel wurden die Gäste von Wolfgang Ruhland. „Leonard Reinirkens hat dem Geschichtsverein sein Manuskript ‚Stefan Andres und sieben Jahre Nachbarschaft‘ vermacht, in dem er ein Kapitel auch dem Thema Wein gewidmet hat“, berichtete er. Und schon erfuhren die Gäste, dass der Unkeler dem bekannten Dichter den Wein aus dem gut bestückten Keller holen durfte. In dem hätten sich nicht unbedingt große Lagen, sondern Weine aus deren unmittelbaren Nachbarschaft befunden, vorzugsweise Riesling von Mosel/Saar/Ruwer. „Ihre Kredenzen eignen sich zumal, um von Paaren getrunken zu werden, von jungen, glücklichen Menschen, die sich weder absondern, noch allzu nah bei den andern sein, sondern ihre Zweisamkeit mitten im Strudel bewahren wollen“, hatte Andres diese Rebsorte beschrieben. Außerdem erfuhren die Gäste, dass der Schriftsteller Wein nicht kaufen musste, als er laut der „Zeit“ sein bestes Buch in Unkel schrieb, „Die großen Weine Deutschlands“. Kistenweise sei Wein im Haus „Auf dem Rheinbüschel 36“ angekommen, hätten die Winzer doch alles getan, um mit ihren Erzeugnissen unter die besten Weine zu kommen, hatte Leonard Reinirkens festgehalten.
„Wir verkosten zunächst einen Trittenheimer Riesling, also einen Wein aus der Heimat von Stefan Andres“, erklärte dann Jörg Belz. Vor dem „Weinbad der Zunge“ werde das Glas zunächst geschwenkt und mit träumerisch geschlossenen Augen gebe man erst dann der Nase die Möglichkeit, das Bouquet zu verkosten. „Benetzen Sie jetzt die Zunge und schlürfen Sie den Wein leicht. Dann schmecken Sie die von Apfel geprägte Aromen und die leichte Säure des Weins“, so der Winzer.
Schon im Juli 2006 kurz nach dem 100. Geburtstag von Stefan Andres hatte Udo Marquardt aus dem Weinpilgerbuch gelesen. Von der Absage an bunte Gläser, von denen die Farbe des Weins überlagert würde, ging es auch dieses Mal zur Verkostung in Stile des Dichters, der sich zudem damit beschäftigt hatte, was der Winzer so alles im Weinberg treibt, welche Überraschungen er beim Weinausbau erleben kann und welche Bedeutung die Lage für die Qualität des Weines hat. Da hatten die Weinverkoster schon die feinherbe Riesling-Spätlese „Mannenberg“ vom Weingut Belz kennengelernt, die auf der Zunge nicht nur Schiefer-, sondern auch Botrytis-Anklänge erkennen lässt. „Dabei handelt es sich um eine Grauschimmelfäule, durch die Trauben an Flüssigkeitsvolumen verlieren, wodurch sich die Qualität des Weins erheblich verbessert, vorausgesetzt, dass der Befall nicht zu früh eintritt“, erklärte der Ökowinzer, bevor er auf die Unkeler Lagen rund um den Stux und den „Sonnenberg“ genauer einging.
Eben einen solchen Riesling präsentierte er den Gästen des Geschichtsvereins, darunter den sich auch das Ehrenmitglied des Geschichtsvereins, Siegfried Jagau, als einer der erste Unkeler Hobbywinzer befand sowie der Vorsitzende des Heimatvereins Rheinbreitbach, Dankward Heinrich, der auch Vorsitzender der Weinbruderschaft Mittelrhein-Siebengebirge ist. Nach den drei „Weißen“ konnten sich die Wein- und Literaturverkoster in der „Traube“ noch zwei Roten widmen und dabei feststellen, dass sich der karminrote 2015-er Pantaleon aus Unkeler Lage mit seinen Aromen von Erd- und Himbeere ganz und gar nicht vor seinen hochgelobten Brüdern von der Ahr verstecken muss. DL
