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Welche arbeitsrechtliche Spielregeln gelten während der Fußball-WM

Koblenz. Vom 14. Juni bis zum 15. Juli wird nicht nur in Russland, sondern auch in Deutschland aufgrund der Fußball-Weltmeisterschaft ein „sportlicher Ausnahmezustand“ erwartet. Arbeitgeber und Beschäftigte freuen sich auf die Fußball-WM in Russland und hoffen auf den fünften Titel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Auch wenn es sich dabei um ein besonderes Ereignis handelt, gelten allerdings für fußballbegeisterte Beschäftigte während der WM keine anderen Regeln im Betrieb als sonst.

Teilweise beginnen die Begegnungen bereits um 15 Uhr. Aber auch Spätschichtler sind wegen der Anstoßzeiten um 20 Uhr betroffen. Es stellt sich daher die Frage, ob und wie sich der Wunsch der betroffenen Beschäftigten, die Spiele live verfolgen zu können, mit der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung verbinden lässt.

Wohl dem, der in weiser Voraussicht ausreichend Urlaub beantragt und schon genehmigt bekommen hat. Denn einmal genehmigter Urlaub kann nur in extremen Notfällen widerrufen werden. Urlaubsanträge hingegen, die von Beschäftigten kurz vor den Spielen gestellt werden, sind selbstverständlich nicht deshalb bevorzugt zu behandeln, weil der Urlaub wegen der WM beantragt wird.

Bei der Gewährung von Urlaub sind die Urlaubswünsche des Beschäftigten zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Beschäftigten, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. „Dringende betriebliche Belange“ liegen dann vor, wenn das Fehlen des Beschäftigten unzumutbare betriebliche Störungen verursachen würde, zum Beispiel wegen eines in dieser Zeit abzuarbeitenden Großauftrags.

„Soziale Gesichtspunkte“ sind vor allem die Bindung an Schulferien aufgrund eigener Kinder sowie zum Beispiel Betriebszugehörigkeit und der Zeitpunkt des letzten Urlaubs. Im Einzelfall kann die Abwägung durchaus schwierig sein, wenn mehrere Beschäftigte gleichzeitig Urlaub wegen der WM beantragen.

Der Arbeitgeber legt grundsätzlich aufgrund seines Weisungsrechts unter Beachtung von vertraglichen Bindungen und eventueller Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats fest, wann die Beschäftigten arbeiten. Daher besteht für den einzelnen Beschäftigten auch kein Anspruch darauf, seine beispielsweise in einem Schichtplan festgelegte Spät- oder Nachtschicht zu tauschen. Hier ist der Fußballfan auf entgegenkommende, freiwillige Lösungen angewiesen.

Etwas anderes gilt, wenn im Betrieb flexible Arbeitszeitsysteme wie zum Beispiel Gleitzeitkonten angewendet werden. In diesem Fall kann der Beschäftigte diese unter den gegebenen Voraussetzungen nutzen, um rechtzeitig zum Anstoß zu Hause zu sein. Es ist allerdings äußerst unüblich, dass im Bereich der Schichtarbeit flexible Zeitsysteme zur Anwendung kommen.

Wenn Beschäftigte schon auf den Genuss der Fußballspiele zu Hause verzichten müssen, liegt die Idee nahe, das Spielgeschehen zumindest am Arbeitsplatz via TV, Radio oder einem Live-Ticker im Internet zu verfolgen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass Radio hören erlaubt sein kann, wenn eine konzentrierte, zügige und fehlerfreie Erbringung der Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt wird. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, ob durch das Radio Kollegen gestört werden. In Bereichen mit Kundenkontakt ist ein laufendes Radio in jedem Fall unangemessen und damit nicht zulässig.

Beschäftigte haben in jedem Fall keinen Anspruch darauf, während der Arbeitszeit Fußball-Spiele im TV zu verfolgen, weil sie sich dann nicht mehr auf ihre eigentliche Tätigkeit konzentrieren können und somit ihre Arbeitspflicht im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgabe verletzen. Es besteht also auch während einer Fußball-Weltmeisterschaft grundsätzlich kein „Fernseh-Recht“. Es liegt allein im Ermessen des Arbeitgebers, ob er bei besonders wichtigen Spielen ein Auge zudrückt und es der Belegschaft gestattet, die Spiele live im Fernsehen zu verfolgen.

Fußballspiele können heutzutage auch über das Internet im Live-Ticker verfolgt werden, sei es über den PC oder das Smartphone. Auch wenn hierdurch regelmäßig keine Kollegen gestört werden, ist die Zulässigkeit dieses Verhaltens differenziert zu betrachten: Bei einem Verbot der privaten Internetnutzung scheidet diese Möglichkeit aus. Das Internet und folglich entsprechende Live-Ticker sind auch während der Fußball-Weltmeisterschaft für den Beschäftigten tabu. Bei erlaubter (eingeschränkter) privater Nutzung des Internets während der Arbeitszeit ist eine ausschweifende Beanspruchung des Mediums ebenfalls nicht gestattet. Eine solche wird anzunehmen sein, wenn der Beschäftigte ein ganzes Spiel über neunzig Minuten im Live-Ticker verfolgt.

Verstoßen Beschäftigte gegen die oben dargestellten Verpflichtungen, zum Beispiel durch eine Selbstbeurlaubung oder die übermäßige Nutzung des Internets kann der Arbeitgeber abmahnen. Im Wiederholungsfall kann eine verhaltensbedingte Kündigung angezeigt sein. Bei schwerwiegenden Verstößen kann selbst eine fristlose Kündigung – auch ohne vorherige Abmahnung – berechtigt sein, beispielsweise bei einer angedrohten Arbeitsunfähigkeit, nachdem der Arbeitgeber dem Beschäftigten die Gewährung von Urlaub verweigert hat.

Letztlich sind bei diesem Thema – wie häufig im Arbeitsrecht – einvernehmliche betriebliche Lösungen zu empfehlen. Dadurch lässt sich am besten der Spagat zwischen der betrieblichen Hochkonjunktur vor den Sommerferien und der Fußball-Leidenschaft eines Großteils der Belegschaft meistern.