Autoreninterview
Wilfried Manheller: Finstere Zeiten – ein Mordfall in Mayen 1919
Mayen.
Guten Tag, Herr Manheller. „In den dunklen Gassen von Mayen“ heißt Ihr Krimi-Debüt. Welchen persönlichen Bezug haben Sie zum Eifelort Mayen? Oder was hat Sie inspiriert, den Krimi in Mayen spielen zu lassen?
Manheller: Ich bin in Nitz, einem kleinen Ort in der Nähe von Mayen, geboren und in meiner Kindheit war Mayen für die Leute in unserer Gegend die Stadt schlechthin: hier wurden Kleider eingekauft, hier waren die Ärzte, die man benötigte und hier gab es vor allem den Lukas-Markt: damals noch eine Welt der Überraschungen und der Faszination für ein Kind aus der Eifel. Später habe ich dann für einige sehr interessante Jahre als Leiter der Rauschgiftfahndung bei der Kriminalinspektion in Mayen gearbeitet, was mir einen intensiven Einblick in die „Mayener Unterwelt“ bescherte.
Ihr Krimi spielt darüber hinaus im Jahr 1919 und greift die Historie Deutschlands auf. Was hat Sie fasziniert an der Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg?
Manheller: Mich hat schon immer die Frage beschäftigt, wie sich der einzelne Mensch beziehungsweise die Gesellschaft in Zeiten, von denen man sagt, sie seien aus den Fugen geraten, verhalten hat. Das Ende des deutschen Kaiserreichs und die Geburt der Weimarer Republik nach dem Ersten Weltkrieg waren Entwicklungen, die an Dramatik kaum zu überbieten sind. Hier den Mord an dem Hausmädchen eines kaisertreuen Mannes aus der Stadtelite anzusiedeln, fand ich in der Kombination spannend und im Hinblick auf die gesellschaftliche Entwicklung auch lehrreich.
Der Mord an einem Hausmädchen in den dunklen Gassen von Mayen könnte an „Jack the Ripper“ erinnern, war diese Mordserie ein Vorbild für Ihren Roman?
Manheller: So faszinierend der Kriminalfall auch war und ist, in meinem Roman „In den dunklen Gassen von Mayen“, der der Auftakt zu einer kleinen Serie um Kommissar van de Molen ist, wird nur eine Frau ermordet. Die dunklen Gassen stehen dabei sinnbildlich für die schwierigen Zeitumstände, den scheinbar undurchdringlichen Filz eines Teils der Stadtelite und die geheimnisvolle Mayener „Unterwelt“. In diesem Dickicht muss der Kommissar sich zurechtfinden und den Mord klären.
In Ihrem Berufsleben, das noch gar nicht lange her ist, haben Sie zuletzt als Leiter der Kripo in Ahrweiler/Rheinland-Pfalz gearbeitet. Wieviel eigene Berufs- oder Praxiserfahrung, was Polizeiarbeit angeht, konnte in Ihren Krimi einfließen? Oder ist es ganz anders, wenn man einen historischen Krimi schreibt?
Manheller: In den vierzig Jahren meines Berufslebens war ich immer sehr nahe am „kriminellen“ Geschehen. Das ist Fluch und Segen zugleich: Fluch deshalb, weil ich, im Gegensatz zu einem kriminalpolizeilichen Laien, nichts schreiben will und auch nicht sollte, was den fachlichen oder formalen Fakten und Zwängen des Berufes widerspricht; da befindet sich die Fantasie manchmal in störenden Zwängen. Segen deshalb, weil es kaum einen anderen Beruf gibt, der es ermöglicht, so tief und so intensiv in die Seele eines Menschen zu schauen, der auf furchtbare Weise straffällig geworden ist. Da spielt dann auch die Frage, wann der Kriminalfall geschehen ist, nur eine untergeordnete Rolle.
Was für ein Typ ist Ihre Figur Kommissar van de Molen, der aus Berlin nach Mayen versetzt wurde und sich mit dem Fall beschäftigen muss?
Manheller: Kommissar van de Molen ist mit vierundzwanzig Jahren noch sehr jung für die Position des leitenden Kommissars in Mayen. Aber er hat als Leutnant in einer Gendarmerie-Einheit am Ersten Weltkrieg teilgenommen und gelernt, seine Einheit verantwortungsvoll in und durch die Einsätze zu führen. Verantwortung und Pflichtbewusstsein prägen dann auch seine Arbeit als leitender Kommissar bei der Kriminalpolizei in Mayen. Er ist mittelgroß. Ein dunkler Schnurrbart lässt das Gesicht noch schmäler wirken als es ist und der Anzug ist eher zu weit als zu eng. Aber der Blick aus seinen blauen Augen und seine offene Zugewandtheit öffnen ihm viele Türen.
Wie haben Sie den Alltag der Menschen in den 1920er Jahren recherchiert?
Manheller: Die Kenntnis zum politischen Hintergrund habe ich mir durch die vielfältige Literatur dazu erarbeitet: „Die Schlafwandler“ von Christopher Clark, „August 1914“ von Barbara Tuchmann, „Die deutsche Revolution 1918/1919“ von Sebastian Haffner, „1923“ von Volker Ulrich, u.a. Zum Alltag der Menschen in Mayen zwischen 1918 und 1939 habe ich die sehr detaillierte Mayener Chronik zu Rate gezogen, die einen aussagestarken und treffenden Einblick in das Leben der Mayener dieser Zeit ermöglicht. Darüber hinaus habe ich die Bücher von Frau Regina Stürickow über Ernst Gennat und die Arbeit der Berliner Kriminalpolizei zu Rate gezogen sowie meine Erkenntnisse aus meiner Chronik über mein Heimatdorf Nitz zum Alltagsleben der Menschen dieser Gegend und der betreffenden Zeit.
Herzlichen Dank für das Interview.
Quelle: KBV
