Ralf Kubon aus Bad Bodendorf gründete die Hilfsorganisation „IMES“, die Ukrainer aus dem Kriegsgebiet rettet

„Wir konnten nicht tatenlos zusehen und nichts tun“

„Wir konnten nicht tatenlos zusehen und nichts tun“

Über 500 Tonnen an Hilfsgütern konnten Ralf Kubon (l.) und Maxim Poliakov mit ihrer Hilfsorganisation bereits in die Ukraine transportieren. Foto: privat

Bad Bodendorf/Ukraine. Schon wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine reifte in Ralf Kubon der Entschluss, das Kriegsgeschehen nicht nur fassungslos aus der Ferne zu beobachten, sondern den notleidenden Ukrainerinnen und Ukrainern aktiv beizustehen. Gemeinsam mit Maxim Poliakov, einem in der Nähe von Hamburg lebenden Ukrainer, gründete der Bad Bodendorfer die Hilfsorganisation „Immediate Medical & Evacuation Service“ (IMES), die sich dem Transport von Hilfsgütern in die Ukraine sowie der Evakuierung von Flüchtlingen aus dem Land verschrieben hat. Seit Tag drei des Krieges ist es ihnen gelungen, ein globales Netzwerk aus über 1000 Organisationen, Spendern und Helfern aufzubauen, durch das bereits mehr als 500 Tonnen an Hilfsgütern in die Ukraine gebracht und über 250 Menschen aus dem Kriegsgebiet gerettet werden konnten.

Unterschlupf im Ferienhaus

Zum ersten Mal getroffen haben die beiden Männer sich kurz nach Kriegsbeginn auf der Reise in Richtung der polnisch-ukrainischen Grenze. „Wir haben dann die Situation vor Ort gesehen, wie viele Flüchtlinge dort sind, und haben aus nächster Nähe mitbekommen, was in der Ukraine passiert“, erinnert sich Ralf Kubon. „Da haben wir entschieden, dass wir nicht einfach tatenlos zusehen und nichts tun können.“ Kurzerhand mieteten sie ein Ferienhaus, strategisch günstig in der Nähe zweier polnisch-ukrainischer Grenzübergänge gelegen, in dem bis zu 25 Flüchtlinge vorübergehend Unterschlupf finden können, bis ein fester Wohnsitz für sie gefunden und ihre Weiterreise von den Helfern organisiert werden konnte.

Zugleich dient das Ferienhaus als zentrale Koordinierungsstelle für die Arbeit der Hilfsorganisation. So wird von dort aus auch die Lieferung der Spendengüter organisiert, die zuvor in Kooperation mit anderen Organisationen in ganz Deutschland gesammelt werden. In der Ukraine selbst sind rund 200 Helfer für IMES im Einsatz, um vor Ort jeweils den genauen Bedarf an Sachspenden zu ermitteln. Besonderen Wert legen die Verantwortlichen nämlich darauf, dass die Hilfsgüter auch wirklich dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden. „Wir können mit Stolz sagen, dass wir vom Spender bis zum Bedürftigen die Lieferkette nachvollziehen können“, betont Ralf Kubon.

Die Schrecken des Krieges hautnah

Mehrfach schon ist der IMES-Gründer selbst in die Ukraine gereist. Von Kiew über Charkiw bis in den Donbass ist seine Hilfsorganisation im gesamten Land tätig; sogar in das eingekesselte Mariupol versuchten sie durchzudringen, wurden jedoch von russischen Truppen aufgehalten. Dabei erleben die Helfer den russischen Angriffskrieg unmittelbar mit all seinen Grausamkeiten. In Butscha etwa sah Ralf Kubon mit eigenen Augen die Aushebung der Massengräber, die nach dem russischen Abzug aus dem Kiewer Vorort entdeckt worden waren. Obendrein setzen die Retter, die in einem speziell gepanzerten LKW unterwegs sind, sich stets der Gefahr aus, versehentlich oder gezielt unter Beschuss zu geraten. „In 300 bis 400 Meter Entfernung von uns ist eine Rakete in eine Tankstelle eingeschlagen. Das war wirklich knapp“, schildert Ralf Kubon einen Vorfall aus den letzten Wochen.

Dennoch, so meint Kubon, überwiege bei ihm weniger die Angst als die „Verzweiflung, dass so etwas auf europäischem Boden aktuell möglich ist und wir wieder in einer Zeit angekommen sind, in der wir uns Gedanken um die Sicherheit unserer Kinder machen müssen.“ Darin sieht der Familienvater auch einen Beweggrund für das fortwährende Engagement seines Helferteams: „Wir wollen ein Zeichen setzen, denn wenn wir nicht alle miteinander Flagge zeigen, spielen wir auf kurz oder lang mit der Freiheit, Unabhängigkeit und auch der Demokratie unser aller in Europa.“

Ein langfristiges Projekt

Zurzeit ist IMES noch eine private Hilfsorganisation, in Kürze aber soll die offizielle Eintragung als Verein erfolgen. Denn Ralf Kubon und Maxim Poliakov haben ambitionierte Pläne, die weit über den Ukraine-Krieg hinausreichen. So planen sie mit IMES auch in Zukunft bei humanitären Katastrophen schnelle und unbürokratische Hilfe zu leisten. „Wenn in Haiti ein Tsunami ist, wenn eine akute Hungersnot in Afrika ist, dann wollen wir uns in den Flieger setzen und innerhalb von 24 Stunden vor Ort sein“, gibt Ralf Kubon die Zielrichtung vor. Seinen Job in der Baubranche hat der 28-Jährige mittlerweile aufgegeben, um sich vollumfänglich der Hilfsarbeit widmen zu können.

„Wir sind langsam am Limit“

Die Finanzierung dieser Arbeit gestaltet sich jedoch zunehmend schwierig. Alleine für die Logistik, rechnet Ralf Kubon vor, betragen die monatlichen Kosten 15.000 bis 20.000 Euro, und die Spendengelder reichten vorne und hinten nicht aus. Alle finanziellen Löcher stopfen die Helfer bisher aus eigener Tasche. „Wir sind aber langsam an unserem Limit angekommen. Es ist nichts mehr da, was wir investieren können“, konstatiert Ralf Kubon. Nun sind die Helfer fieberhaft auf der Suche nach Spendern, aber auch nach dauerhaften Kooperationspartnern und Sponsoren. Denn ihre Hilfstätigkeit in der Ukraine aufzugeben, ist für sie keine Option. „Wir stehen so lange da, bis dieser Missstand behoben ist“, beteuert Kubon. „Vorher gehen wir nicht weg.“

Weitere Informationen unter https://imes-info.net