Allgemeine Berichte | 19.10.2020

Interessante Menschen der Verbandsgemeinde im BLICK

„Wir müssen wegkommen von der Versiegelung von Flächen“

Thomas Schneider aus Mülheim-Kärlich beantwortet 7 Fragen im Interview mit Blick-Reporterin Katja Gaebelein

Im Interview mit unserer Blick-Reporterin betonte Thomas Schneider, dass auch der Garten- und Blumenschmuckwettbewerb Anreize für die Anlegung von bienenfreundlichen Gärten geben möchte. Fotos: KH

VG Weißenthurm. „Viel Schotter zu haben“ gilt umgangssprachlich als etwas Erstrebenswertes. Für Naturfreunde hingegen ist Schotter im Gartenbau aktuell ein Reizwort. Immer mehr klassische Grünflächen verschwinden und werden durch Schottergärten ersetzt. Doch diese bieten kaum Lebensraum für Tiere und gelten daher als bienenunfreundlich. Im Sommer speichern sie sogar die Hitze, ganz im Gegensatz zu grünen Gärten. Unsere Blick-Reporterin sprach mit dem Mülheim-Kärlicher Thomas Schneider über das Thema. Der 49-jährige ist Vorsitzender des Obst- und Gartenbau-Vereins Mülheim und auch beruflich als Gärtnermeister mit dem Thema bestens vertraut.

BLICK aktuell: Welche Gedanken haben sie wenn sie einen neu angelegten „Schottergarten“ sehen?

Thomas Schneider: Zunächst müssen wir einmal unterscheiden zwischen einem Steingarten und einem Schottergarten. Steingärten gibt es schon seit vielen Jahren und sind angelehnt an die Gärten, die es im alpinen Raum gibt. Hier wird der Garten mit alpinen Pflanzen realisiert und dann anschließend mit Steinen ausgestaltet. Hier findet man Rhododenron, Azaleen, Kiefern, Edelweiß und andere blühende Stauden, aber auch kleine Sträucher und Bäume.

Bei den sich seit etwa 10 Jahren rasant ausbreitenden Schottergärten sieht dies ganz anders aus. Hier wird die Erde mit einer Folie oder einem Vlies abgedeckt und dann der Schotter darauf geschüttet. Im Idealfall werden noch sogenannte Formgehölze, in Form geschnittene Koniferen, hineingepflanzt. Für einen Gärtner, der mit und von der Natur lebt, ist dies kein schöner Anblick. Unter der Folie stirbt das gesamte Bodenleben ab, oberirdisch finden weder Insekten noch Vögel Nahrung. So verschwinden immer mehr Tiere aus unseren Städten und Gemeinden. Ebenfalls heizen sich diese Schotterflächen im Sommer durch die Sonne auf und geben diese Hitze in der Nacht an die Umgebung ab. In diesem Sommer wurden auf solchen Flächen Temperaturen zwischen 60 und 70 Grad gemessen. Und wer solche Flächen über Jahre beobachtet, der wird feststellen, dass auch hier im Laufe der Zeit wieder „Unkräuter und -gräser“ durchwachsen.

BLICK aktuell: Gibt es also pflegeleichte Alternativen?

Thomas Schneider: Die gibt es. Zunächst muss man einmal festhalten, dass auch der Garten immer wieder dem modischen Wandel unterworfen ist. Hat man in den 70iger und 80iger Jahren noch Gärten gestaltet, in denen viele Nadelgehölze gepflanzt wurden, waren es in den 80iger und 90iger Jahren des letzten Jahrhunderts wieder mehr Sträucher. Aber eines hatten alle gemeinsam: sie waren immer akkurat geschnitten und gepflegt. Das ist heute anders. Heute dürfen Gärten auch wieder etwas verwildern. Das kommt dem Gartenbesitzer natürlich mit weniger Arbeit zugute.

Bei der Pflanzenauswahl zu pflegeleichten Alternativen sollte man auf alle Fälle auf blühende Stauden zurückgreifen. Hiervon haben sowohl der Gartenbesitzer als auch die Insekten etwas. Storchschnabel, Lavendel, Sonnenhut und Disteln sind hier gut geeignet. Pflanzt man diese so zusammen, dass der Boden im Laufe der Zeit dicht bewachsen ist, hat Unkraut kaum eine Chance. Kombiniert mit Bäumen und Sträuchern ergibt sich ein schöner Hingucker – nicht nur für die Nachbarn.

BLICK aktuell: Macht es Ihrer Meinung nach Sinn, bereits realisierte Schottergärten wieder „zurückzubauen“?

Thomas Schneider: Das ist sehr sinnvoll, wenn auch nicht so einfach. Je länger man die Fläche versiegelt hat, umso aufwendiger ist die Rekultivierung. Der tote Boden muss wieder mit Leben gefüllt werden. Das Einarbeiten von Kompost ist hier empfehlenswert. Wer keinen Kompost zur Hand hat, kann mit organischen Düngern und Bodenaktivatoren arbeiten. Bei der Pflanzenauswahl helfen die Fachkräfte aus dem anerkannten Gartenbaubetrieben oder Gartenbaumschulen.

BLICK aktuell: Welche Pflanzen im Detail sind beispielsweise in einem Vorgarten besonders pflegeleicht?

Thomas Schneider: Die Auswahl ist von mehreren Faktoren abhängig. Zum einen spielt die Größe des Vorgartens eine Rolle, zum anderen auch die Lage. Ein schöner kleinkroniger Baum gibt Vorgärten Struktur und den Pflanzen darunter Schatten. Das kann ein Kugelbaum, aber auch ein Strauch oder schmale Säule sein. Aber auch etwas in Hängeform, wie z.B. eine Hängehainbuche oder ein Hängezierapfel. Als sogenannte Unterpflanzung kommen dann pflegeleichte Stauden wie Geranium, Salbei, bodendeckender Thymian, Gemswurz und ähnliche in Frage. Die Auswahl ist riesig und kann auf die persönlichen Wünsche abgestimmt werden.

BLICK aktuell: Gibt es auch pflegeleichte Nutzgärten ?

Thomas Schneider: Hier wird es schon etwas schwieriger. Obstbäume, wie Apfel, Kirsche oder Birne, benötigen etwas mehr Pflege. Neben dem jährlichen Rückschnitt muss man hier auf Schadinsekten und Pilze achten. Aber auch hier hat ein Umdenken stattgefunden. Das Obst aus dem eigenen Garten muss nicht mehr wie gemalt aussehen. Auch Obst mit „Ecken und Kanten“ schmeckt gut. Bei Gemüse, Erdbeeren und Co ist es etwas einfacher. Nach dem Pflanzen ist kaum Arbeit. Wenn man die Flächen mit Rasenschnitt abmulcht, bringt man nicht nur organischen Dünger ein, sondern unterdrückt auch aufkeimendes Unkraut.

BLICK aktuell: Was unternimmt der Obst- und Gartenbau Verein Mülheim um die Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren ?

Thomas Schneider: Zum Jubiläum im Jahre 2011 hat der Verein einen Blumenschmuckwettbewerb ins Leben gerufen. Als wir damals im Stadtgebiet unterwegs waren, haben wir sehr unterschiedliche Gartenformen gesehen. Unter anderem auch viele Schotterflächen ohne Pflanzen. Wir haben danach beschlossen, dass wir diesen Wettbewerb weiterführen möchten. Später hat der Wettstreit dann ein eigenständiges Logo erhalten und wurde in Garten- und Blumenschmuckwettbewerb umbenannt. Mit der Aufmerksamkeit in der Bevölkerung möchten wir darauf aufmerksam machen, dass es auch schön bepflanze Gärten geben kann, die nicht sehr viel Pflegeaufwand erfordern.

BLICK aktuell: Würden sie sich persönlich ein Verbot von Schottergärten aussprechen, wie es aktuell in anderen Bundesländern diskutiert wird?

Thomas Schneider: In Deutschland ist es mittlerweile oft der Fall, dass man mit Verboten und Gesetzten versucht, vieles in geordnete Bahnen zu lenken. Ich persönlich halte ein Verbot von Schottergärten für nicht so gut. Hier muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Nur ein Gartenbesitzer der auch aus Überzeugung seinen Garten mit Pflanzen und Stauden gestaltet, hat auch Freude an den Gewächsen, den Insekten, Schmetterlingen und Vögeln. Ein wenig Arbeit kann dann auch entspannend wirken. Das ist nicht der Fall, wenn einem Schottergärten verboten werden und einem diese Arbeit aufgezwungen wird. Im schlimmsten Fall werden dann die Vorgärten zugepflastert. Das ist auch nicht zielführend. Wir müssen wegkommen von der Versiegelung von Flächen. Das Regenwasser soll versickern können und nicht über die Kanalisation unsere Kläranlagen belasten. Sauberes Regenwasser muss nicht geklärt werden. Also Garten-Flächen offen halten, damit dort Leben stattfindet und Wasser versickern kann.

Vielen Dank für das Interview.

KH

Besonders in der „Corona-Zeit“ hat der heimische Garten eine wichtige Bedeutung erhalten.

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Beim Blumenschmuckwettbewerb 2017 entdeckte die Jury manche Besonderheit, wie z.B. ein Buxbaum, der in Form eines Hundes geschnitten war.

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Er hat den sprichwörtlichen grünen Daumen: Thomas Schneider ist Vorsitzender des Obst- und Gartenbau-Vereins Mülheim, einem Traditionsverein, den es bereits seit über 100 Jahren gibt.

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Thomas Schneider (links) bei der Bewertung von Gärten im Rahmen des Garten- und Blumenschmuckwettbewerbs.

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Im Interview mit unserer Blick-Reporterin betonte Thomas Schneider, dass auch der Garten- und Blumenschmuckwettbewerb Anreize für die Anlegung von bienenfreundlichen Gärten geben möchte. Fotos: KH

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