Interessante Menschen der Verbandsgemeinde im BLICK

„Wir müssen wegkommen von der Versiegelung von Flächen“

Thomas Schneider aus Mülheim-Kärlich beantwortet 7 Fragen im Interview mit Blick-Reporterin Katja Gaebelein

19.10.2020 - 14:38

VG Weißenthurm. „Viel Schotter zu haben“ gilt umgangssprachlich als etwas Erstrebenswertes. Für Naturfreunde hingegen ist Schotter im Gartenbau aktuell ein Reizwort. Immer mehr klassische Grünflächen verschwinden und werden durch Schottergärten ersetzt. Doch diese bieten kaum Lebensraum für Tiere und gelten daher als bienenunfreundlich. Im Sommer speichern sie sogar die Hitze, ganz im Gegensatz zu grünen Gärten. Unsere Blick-Reporterin sprach mit dem Mülheim-Kärlicher Thomas Schneider über das Thema. Der 49-jährige ist Vorsitzender des Obst- und Gartenbau-Vereins Mülheim und auch beruflich als Gärtnermeister mit dem Thema bestens vertraut.

BLICK aktuell: Welche Gedanken haben sie wenn sie einen neu angelegten „Schottergarten“ sehen?

Thomas Schneider: Zunächst müssen wir einmal unterscheiden zwischen einem Steingarten und einem Schottergarten. Steingärten gibt es schon seit vielen Jahren und sind angelehnt an die Gärten, die es im alpinen Raum gibt. Hier wird der Garten mit alpinen Pflanzen realisiert und dann anschließend mit Steinen ausgestaltet. Hier findet man Rhododenron, Azaleen, Kiefern, Edelweiß und andere blühende Stauden, aber auch kleine Sträucher und Bäume.

Bei den sich seit etwa 10 Jahren rasant ausbreitenden Schottergärten sieht dies ganz anders aus. Hier wird die Erde mit einer Folie oder einem Vlies abgedeckt und dann der Schotter darauf geschüttet. Im Idealfall werden noch sogenannte Formgehölze, in Form geschnittene Koniferen, hineingepflanzt. Für einen Gärtner, der mit und von der Natur lebt, ist dies kein schöner Anblick. Unter der Folie stirbt das gesamte Bodenleben ab, oberirdisch finden weder Insekten noch Vögel Nahrung. So verschwinden immer mehr Tiere aus unseren Städten und Gemeinden. Ebenfalls heizen sich diese Schotterflächen im Sommer durch die Sonne auf und geben diese Hitze in der Nacht an die Umgebung ab. In diesem Sommer wurden auf solchen Flächen Temperaturen zwischen 60 und 70 Grad gemessen. Und wer solche Flächen über Jahre beobachtet, der wird feststellen, dass auch hier im Laufe der Zeit wieder „Unkräuter und -gräser“ durchwachsen.

BLICK aktuell: Gibt es also pflegeleichte Alternativen?

Thomas Schneider: Die gibt es. Zunächst muss man einmal festhalten, dass auch der Garten immer wieder dem modischen Wandel unterworfen ist. Hat man in den 70iger und 80iger Jahren noch Gärten gestaltet, in denen viele Nadelgehölze gepflanzt wurden, waren es in den 80iger und 90iger Jahren des letzten Jahrhunderts wieder mehr Sträucher. Aber eines hatten alle gemeinsam: sie waren immer akkurat geschnitten und gepflegt. Das ist heute anders. Heute dürfen Gärten auch wieder etwas verwildern. Das kommt dem Gartenbesitzer natürlich mit weniger Arbeit zugute.

Bei der Pflanzenauswahl zu pflegeleichten Alternativen sollte man auf alle Fälle auf blühende Stauden zurückgreifen. Hiervon haben sowohl der Gartenbesitzer als auch die Insekten etwas. Storchschnabel, Lavendel, Sonnenhut und Disteln sind hier gut geeignet. Pflanzt man diese so zusammen, dass der Boden im Laufe der Zeit dicht bewachsen ist, hat Unkraut kaum eine Chance. Kombiniert mit Bäumen und Sträuchern ergibt sich ein schöner Hingucker – nicht nur für die Nachbarn.

BLICK aktuell: Macht es Ihrer Meinung nach Sinn, bereits realisierte Schottergärten wieder „zurückzubauen“?

Thomas Schneider: Das ist sehr sinnvoll, wenn auch nicht so einfach. Je länger man die Fläche versiegelt hat, umso aufwendiger ist die Rekultivierung. Der tote Boden muss wieder mit Leben gefüllt werden. Das Einarbeiten von Kompost ist hier empfehlenswert. Wer keinen Kompost zur Hand hat, kann mit organischen Düngern und Bodenaktivatoren arbeiten. Bei der Pflanzenauswahl helfen die Fachkräfte aus dem anerkannten Gartenbaubetrieben oder Gartenbaumschulen.

BLICK aktuell: Welche Pflanzen im Detail sind beispielsweise in einem Vorgarten besonders pflegeleicht?

Thomas Schneider: Die Auswahl ist von mehreren Faktoren abhängig. Zum einen spielt die Größe des Vorgartens eine Rolle, zum anderen auch die Lage. Ein schöner kleinkroniger Baum gibt Vorgärten Struktur und den Pflanzen darunter Schatten. Das kann ein Kugelbaum, aber auch ein Strauch oder schmale Säule sein. Aber auch etwas in Hängeform, wie z.B. eine Hängehainbuche oder ein Hängezierapfel. Als sogenannte Unterpflanzung kommen dann pflegeleichte Stauden wie Geranium, Salbei, bodendeckender Thymian, Gemswurz und ähnliche in Frage. Die Auswahl ist riesig und kann auf die persönlichen Wünsche abgestimmt werden.

BLICK aktuell: Gibt es auch pflegeleichte Nutzgärten ?

Thomas Schneider: Hier wird es schon etwas schwieriger. Obstbäume, wie Apfel, Kirsche oder Birne, benötigen etwas mehr Pflege. Neben dem jährlichen Rückschnitt muss man hier auf Schadinsekten und Pilze achten. Aber auch hier hat ein Umdenken stattgefunden. Das Obst aus dem eigenen Garten muss nicht mehr wie gemalt aussehen. Auch Obst mit „Ecken und Kanten“ schmeckt gut. Bei Gemüse, Erdbeeren und Co ist es etwas einfacher. Nach dem Pflanzen ist kaum Arbeit. Wenn man die Flächen mit Rasenschnitt abmulcht, bringt man nicht nur organischen Dünger ein, sondern unterdrückt auch aufkeimendes Unkraut.

BLICK aktuell: Was unternimmt der Obst- und Gartenbau Verein Mülheim um die Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren ?

Thomas Schneider: Zum Jubiläum im Jahre 2011 hat der Verein einen Blumenschmuckwettbewerb ins Leben gerufen. Als wir damals im Stadtgebiet unterwegs waren, haben wir sehr unterschiedliche Gartenformen gesehen. Unter anderem auch viele Schotterflächen ohne Pflanzen. Wir haben danach beschlossen, dass wir diesen Wettbewerb weiterführen möchten. Später hat der Wettstreit dann ein eigenständiges Logo erhalten und wurde in Garten- und Blumenschmuckwettbewerb umbenannt. Mit der Aufmerksamkeit in der Bevölkerung möchten wir darauf aufmerksam machen, dass es auch schön bepflanze Gärten geben kann, die nicht sehr viel Pflegeaufwand erfordern.

BLICK aktuell: Würden sie sich persönlich ein Verbot von Schottergärten aussprechen, wie es aktuell in anderen Bundesländern diskutiert wird?

Thomas Schneider: In Deutschland ist es mittlerweile oft der Fall, dass man mit Verboten und Gesetzten versucht, vieles in geordnete Bahnen zu lenken. Ich persönlich halte ein Verbot von Schottergärten für nicht so gut. Hier muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Nur ein Gartenbesitzer der auch aus Überzeugung seinen Garten mit Pflanzen und Stauden gestaltet, hat auch Freude an den Gewächsen, den Insekten, Schmetterlingen und Vögeln. Ein wenig Arbeit kann dann auch entspannend wirken. Das ist nicht der Fall, wenn einem Schottergärten verboten werden und einem diese Arbeit aufgezwungen wird. Im schlimmsten Fall werden dann die Vorgärten zugepflastert. Das ist auch nicht zielführend. Wir müssen wegkommen von der Versiegelung von Flächen. Das Regenwasser soll versickern können und nicht über die Kanalisation unsere Kläranlagen belasten. Sauberes Regenwasser muss nicht geklärt werden. Also Garten-Flächen offen halten, damit dort Leben stattfindet und Wasser versickern kann.

Vielen Dank für das Interview.

KH

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Geldautomatensprengungen in Andernach und Montabaur

Polizei schnappt Automatensprenger: 20-Jähriger erbeutete mehrere hunderttausend Euro

Region. Nach einer Serie von Geldautomatensprengungen führten die Staatsanwaltschaft und die Polizei Köln am Morgen des 24. April Durchsuchungen in mehreren Privatwohnungen und Büros in Köln, Rheinbach und Heimerzheim sowie in einer Justizvollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen durch. Die umfangreichen Ermittlungen konzentrierten sich auf einen 20-jährigen Mann, der seit Februar 2024 in Haft ist und eine Strafe für ein Raubdelikt verbüßt. mehr...

Angeklagte sollen Frau schwer misshandelt, zur Prostitution gezwungen und getötet haben

Nach Mord im Koblenzer Rotlichtmilieu: Anklage gegen zwei Personen erhoben

Koblenz. Wie die Staatsanwaltschaft Koblenz mitteilt, wurde nach dem Tötungsdelikt im Koblenzer Rotlichtmilieu vergangenen November nun Anklage gegen eine 40-jährige Frau und einen 48 Jahre alten Mann (beide bulgarischer Nationalität) erhoben. Den beiden Beschuldigten wird zur Last gelegt, eine mit ihnen zusammenlebende 31-jährige Bulgarin grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben.... mehr...

Regional+
 

Helferstab: Stelle zur Förderung von Kultur

Kreis Ahrweiler. Ab April 2024 nimmt die vom Land Rheinland-Pfalz geförderte Stelle „Regionalmanagement für Kultur“ für den Kreis Ahrweiler ihre Arbeit auf. Die zunächst auf ein Jahr befristete Stelle konzentriert sich auf die Vernetzung und Sichtbarkeit kultureller Akteure aus dem Kreis Ahrweiler sowie die Umsetzung von Kulturprojekten. In anderen Landkreisen ist eine solche Stelle vor allem bei den Kommunen zu finden. mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
Weitere Berichte
Positiver Drogentest nach Verfolgungsfahrt in der Nacht

Flucht vor der Polizeikontrolle führt zur Beschlagnahmung eines Pkw in Euskirchen.

Positiver Drogentest nach Verfolgungsfahrt in der Nacht

Euskirchen. Gestern Nacht (Donnerstag, 25. April 2024) kam es in Euskirchen zu einer Verfolgungsfahrt. Im Rahmen einer Streifenfahrt kam den Polizeibeamten auf der Oststraße in Euskirchen ein Pkw entgegen. mehr...

Bargeld aus Lebensmittelmarkt entwendet

Einbruch bei Nacht in Puderbach

Bargeld aus Lebensmittelmarkt entwendet

Puderbach. In der Nacht von Dienstag, 23. auf Mittwoch, 24. April 2024 brachen bislang unbekannte Täter in einen Lebensmittelmarkt in Puderbach, Auf der Held, ein. mehr...

Alkohol und Drogen im Straßenverkehr

Aus dem Polizeibericht

Alkohol und Drogen im Straßenverkehr

Montabaur. Die Polizeiinspektion Montabaur führt derzeit verstärkte Kontrollen im Straßenverkehr durch, insbesondere mit dem Fokus auf Alkohol- und Drogenkonsum. Aufgrund eines Hinweises aus der Bevölkerung... mehr...

SPD Niederbieber-Segendorf

Bürgergespräch

Neuwied-Rodenbach. Der OV SPD Niederbieber-Segendorf lädt zum Bürgergespräch am Sonntag, 5. Mai nach Neuwied-Rodenbach ein. Um 11 Uhr trifft man sich zum traditionellen Rundgang am Dorfplatz in Neuwied-Rodenbach. mehr...

SPD Ortsverein Neuwied Stadtmitte und Irlich

Wiederherstellung der Postdienstleistungen in der Pfarrstraße

Neuwied. Der SPD Ortsverein Neuwied Stadtmitte und Irlich, unter der Führung von Fredi Winter, reagiert entschieden auf die Ankündigung, dass die ehemalige Hauptpost von Neuwied in der Pfarrstraße seit dem 2. Mai keine Dienstleistungen der Deutschen Post oder DHL mehr anbietet. mehr...

Bürgerjournalismus im Offenen Kanal Neuwied

Redaktion sucht Zuwachs

Neuwied. Im April startete das Bildungszentrum BürgerMedien e.V. mit Unterstützung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung (MASTD) das Projekt „Bürgerjournalismus in Offenen Kanälen“ im Offenen Kanal Neuwied. mehr...

Verleihung der Sportabzeichen

SV Unkel 1910 e.V.

Verleihung der Sportabzeichen

Unkel. Unkel ein Stelldichein, um aus den Händen von Bürgermeister Karsten Fehr und Hans-Willi Korf vom SV Unkel verdientermaßen ihre im Jahr 2023 erlangten 29 Sportabzeichen feierlich in Empfang zu nehmen. mehr...

TC Rot-Weiss Neuwied

Tennis für Anfänger und Fortgeschrittene

Neuwied. Der TC Rot-Weiss Neuwied betreibt seit Jahren eine erfolgreiche Kooperation mit der VHS Neuwied. Auch in diesem Jahr haben Tennisfreunde wieder die Möglichkeit, den Sport neu zu erlernen oder Vorkenntnisse auszubauen. mehr...

Eltern-Kind-Turnen beim VfL Waldbreitbach

Trainerin bzw. Trainer gesucht

Waldbreitbach. Für das beliebte Eltern-Kind-Turnen sucht der VfL Waldbreitbach eine neue Trainerin bzw. einen neuen Trainer. Das Angebot soll, wie bisher, immer dienstagsnachmittags in der Sporthalle... mehr...

LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare
K. Schmidt:
Ich glaube, innerhalb der anderen Parteien verstehen das sehr, sehr viele. Aber weil die Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene zu sehr befürchten, Macht abzugeben, oder aus anderen unerfindlichen Gründen, nimmt man dort schon gar nicht mehr wahr, was die eigene Parteibasis denkt. Wenn man...
Amir Samed:
Am meisten nutzt es der AfD aber, dass die in Bund und Ländern regierenden Parteien immer noch nicht verstehen wollen, was ihnen die meisten AfD-Wähler mit ihrer Stimmabgabe eigentlich sagen möchten....
K. Schmidt:
Herr Müller: "Die Lüge gehört zum politischen Geschäft... Man mag mit der Politik der vergangenen Jahrzehnte nicht einverstanden sein, was man auch nicht kann..." Richtig erkannt. Nur wen wählt man nun? Und wie stehen Sie zu der von den "Omas" offenbar gefeierten "Brandmauer", die in sehr vielen Konstellationen...
Gabriele Friedrich:
@Amir Samed, Sie sollten besser aufpassen mit ihrem Betondenken der AfD....
Gabriele Friedrich:
Ach die AfD, blamiert sich mittlerweile nur noch und langsam kommen die Straftaten raus. Ist doch hervorragend wie *Krah* sich selber entfernt von den Wahlplakaten, wie Höcke sich schwitzend blamiert mit seinem Geschichtsbuch und er vor Gericht musste. Die Weidel wird auch immer blasser und Chrupalla...
Amir Samed :
@Utz der Bär, ich bevorzuge wissenschaftliche Literatur. ...
Utz der Bär:
@Amir Samed: Glauben Sie ernsthaft, dass mehr als 200 Jahre Industrialisierung spurlos an unserer Umwelt vorbeigegangen sind? Denken Sie doch einfach mal selber nach, anstatt nachzuplappern, was ihnen irgendwelche Pseudo-Schwurbler auf Tiktok oder wo-auch-immer weismachen wollen! Was uns alle noch viel...
Amir Samed :
@juergen mieller, ich habe schon einiges an Niveaulosen und inhaltsleeren gelesen, Sie schaffen es dies noch zu unterbieten. Solange Sie auf dieser Ebene weiter agieren und sich einer sachlichen Diskussion und Argumentation verweigern, bleiben ihnen Antworten von mir erspart. Es ist nie zu spät, lernen...
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service