Allgemeine Berichte | 06.01.2020

„Krippchen gucken“ oder über die Anziehung frommer Inszenierung von Christi Geburt

Zur Krippe herkommet in Bethlehems Stall

Religiöse Symbolik und private ländliche Lebenswelt verbinden sich in dieser Krippe. Foto: HG

Kempenich. „Krippe“ steht für mehrere Bedeutungen. Es gibt die Futterkrippe, in welche Maria, dem Weihnachtsevangelium nach Lukas folgend, ihren neugeborenen Jesus legt. Mit demselben Begriff ist aber auch das ganze bildlich gefasste Weihnachtsgeschehen um die Menschwerdung Gottes gemeint. Spricht man von hingegen von „Krippchen“, ist die Sache völlig klar. Die Verkleinerungsform, verwendet als Kosename, benennt die beliebten dreidimensionalen Darstellungen des Heilsgeschehens, die in ihrer räumlichen Ausdehnung durchaus alles andere als klein sein können. Und „Krippchen gucken“ bezeichnet jene Tradition, nach der man um Weihnachten herum die Krippen der Umgebung aufsucht.

Von Krippe zu Krippe

Der Brauch entstand vermutlich mit dem Aufkommen der Krippen selbst. Tipp für Liebhaber: Zur Krippe her kommet nach Kempenich. In der katholischen Pfarrkirche Sankt Philippus und Jakobus erwartet die Besucher ein stimmungsvoll geschmückter Chor, gefühlvoll gesetzte Lichter im Baumschmuck und rechts des Altars die wunderschöne Krippe. Da trifft die Heilsgeschichte auf die grünen Mooswiesen heimatlich nachempfundener Landschaft, auf Miniatur-Höfe, Häuser, Ställe und Sakralbauten aus den Gemeinden der Pfarrei. Religiöse Symbolik und private ländliche Lebenswelt verschränken und vereinigen sich im Modell. Denn das Wunder von Jesu Geburt soll allen Menschen zuteilwerden, weshalb sich die Bewohner aller Gefilde geehrt fühlen dürfen, Gastgeber des Allerhöchsten zu sein. In Kempenich installiert Küster Peter Bell mit Hilfe seiner Familie und, wenn nötig, einiger Messdiener alljährlich die Krippe. Vor rund 40 Jahren übertrug ihm Pfarrer Edwin Zieroff das Amt. Seit Jahrhunderten werden Krippen aufgebaut. So berichtet der Volkskundler Dr. Alois Döring in seinem Buch „Rheinische Bräuche durch das Jahr“ von den 1568 und 1589 in der Kölner Jesuitenkirche befindlichen ältesten Belegen rheinischer Weihnachtskrippen, mit denen die Jesuiten die katholischen Feste bewusst im Gegensatz zur Bilderkritik der Reformation verbildlichten. Die Reiseliteratur des 17. Jahrhunderts ist voll von Beispielen über die Anziehung, welche Italiens Krippen nicht allein in Kirchen ausübten, sondern ebenso in den Wohnstätten reicher Bürger.

In Neapel und am Rhein

Später strahlte die Begeisterung auf weitere Kreise aus. Auf seiner italienischen Reise hielt Johann Wolfgang von Goethe 1787 in Neapel fest: „Hier ist der Ort, noch einer anderen entscheidenden Liebhaberei der Neapolitaner zu gedenken. Es sind die Krippchen (presepe), die man zu Weihnachten in allen Kirchen sieht [...]“. Der Dichter berichtet vom Tun der Einwohner auf ihren flachen Hausdächern: „Dort wird ein leichtes hüttenartiges Gerüste erbaut, mit immergrünen Bäumen und Sträuchern aufgeschmückt. Die Mutter Gottes, das Kind und die sämtlichen Umstehenden und Umschwebenden, kostbar ausgeputzt, auf welche Garderobe das Haus große Summen verwendet. Was aber das Ganze unnachahmlich verherrlicht, ist der Hintergrund, welcher den Vesuv mit seinen Umgebungen einfasst.“

Wo auch immer Krippen die frohe Botschaft sichtbar machen, fehlt es nicht an Bewunderern, Betrachtern, die sich in den Bann ziehen ließen und lassen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichten in hiesiger Region die Krippen die Kirchen, und zum Ende des Jahrhunderts erschienen sie im Rheinland laut Volkskundler Döring als Element der Weihnachtsfeiern katholischer Vereine. Um 1900 hielten die Krippen schließlich Einzug in den Häusern. Die Familien wetteiferten um eine eindrucksvolle Gestaltung. Daraufhin zogen die Kinder in der Nachbarschaft umher, um die Krippen anzuschauen. Überdies führten die Väter ihre Kinder zu den Aufbauten in der Kirche. Die gesamte Familie wiederum besuchte reihum die Krippen ihrer Verwandten, ein Termin, der neben anderen den Zusammenhalt festigte. Stets waren darüber hinaus besondere Krippen geeignet, die Einwohner der Umgebung anzulocken. Einen solchen Anziehungspunkt stellte etwa die große Ausführung in der Remagener Apollinariskirche dar. In Köln ging es von einer Kirche in die nächste, um immer aufs Neue über die Ausgestaltung zu staunen. Heute findet das „Krippchen gucken“ auch in Krippenwegen und Krippenausstellungen lohnende Ziele.

Heimelige Geburtsstätte

Doch blicken wir noch einmal nach Kempenich, wo Jesus unter den Wurzeln eines vom Blitz getroffenen Baumes aus dem Pfarrhof zu liegen kommt. Ihn heißen die heimelig beleuchteten, im Original teils nicht mehr existierenden Häuser der Pfarrgemeinde Sankt Philippus und Jakobus Pappe willkommen: „Pumpe Ernsts“ Kempenicher Fachwerkhaus auf einem gemauerten Sockel, das leider nicht mehr steht, ebenso wie der Eck-Bauernhof von Spessart, den ein neues Haus ersetzt hat und das gleichfalls abgerissene Lederbacher Häuschen. Es grüßen auch das einst strohgedeckte Hannebacher Haus, das Engelner Zehnthaus sowie das heute verputzte und als Landgasthaus genutzte Fachwerkgebäude aus Hohenleimbach. 2006 fügte sich sogar das von Pfarrer Stanislaus Ferdinand von Freyhold erbaute Kreuzwäldchen samt Kirche ein und 2008 die Bernhardus-Kapelle. Für die Fantasieversion der Burg von Kempenich auf dem Gipfel will Peter Bell einen Nachfolger schaffen, der dem realen Gebäude näher kommt. Übrigens erläutert Bell den Besuchern auf einem Handzettel, um welche Häuser es sich handelt.

Wer bis jetzt kein Krippenfan war, kann es in Kempenich durch Betrachten und Entdecken von Details werden. Es ist geplant, die Krippe bis zum 2. Februar stehen zu lassen. Damit hält man entgegen anderen Orten einen alten Brauchtermin ein. Genau 40 Tage nach Weihnachten ist dies das Datum, an dem die katholische Kirche das Fest der „Darstellung des Herrn“ feiert. Volkstümlich wird es auch „Maria Lichtmess“ oder Mariä Lichtmeß genannt. Traditionell beschloss dieses Fest den weihnachtlichen Festkreis. Es setzte zugleich den Schlusspunkt für die Verweildauer der Krippe und des Weihnachtsbaums in der Stube. Seit der Liturgiereform in der katholischen Kirche endet die Weihnachtszeit mit der „Taufe des Herrn“ am ersten Sonntag nach dem 6. Januar. HG

Kleines strohgedecktes Gebäude aus Lederbach, das im Ort abgerissen wurde Foto: HG

Kleines strohgedecktes Gebäude aus Lederbach, das im Ort abgerissen wurde Foto: HG

Nach dem Kempenicher Haus „auf der Pump“ nannte man seinen Besitzer „Pumpe-Ernst“. Foto: HG

Nach dem Kempenicher Haus „auf der Pump“ nannte man seinen Besitzer „Pumpe-Ernst“. Foto: HG

Religiöse Symbolik und private ländliche Lebenswelt verbinden sich in dieser Krippe. Foto: HG

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