Welturaufführung der „Brunnensinfonie“ in Koblenz
Wenn Geschichte zu Musik wird
Werk des Komponisten Guido Rennert schlägt den Bogen von der Römerzeit bis zur Moderne
Koblenz. Nun hat Koblenz also seine eigene Sinfonie, die Brunnensinfonie. Als Welturaufführung brachten die rund 150 Musiker und Sänger unter der musikalischen Leitung von Christoph Engers sie in der Rhein Mosel Halle ohne Netz und doppelten Boden auf die Bühne. Nach der 2011 entstandenen Idee Bernhard Mefferts, der Trompeter bei dem Konzertorchester und jetzt Gesamtleiter des komplett ehrenamtlichen Projekts der Sinfonie ist, vergab das Konzertorchester Koblenz 2013 den Kompositionsauftrag an Guido Rennert. Der lieferte das selbst für den erfahrenen Komponisten thematisch und musikalisch anspruchsvolle Werk nach viermonatiger intensiver Arbeit im Mai vorigen Jahres ab.
Doch ohne Unterstützung zahlreicher Sponsoren hätte das Projekt nicht umgesetzt werden können. „Wie ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl“ sei die Schirmherrin, Dr. Christiane E. Herzog, gewesen, wie Meffert betonte. In jeder Phase war sie für das Team ansprechbar, habe viele tolle Ideen eingebracht. Sie habe dem Projekt und den Ausführenden von Anfang an vertraut, erklärte Herzog ihr Engagement. Und schließlich sei das Ergebnis eine Sinfonie, die unter die Haut gehe, in der jede stadtgeschichtlichen Epoche ihren besonderen musikalischen Reiz habe.
Ein solches Geschenk nahm Oberbürgermeister Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig gerne an. Es sei faktisch Teil 2 des Geschenks, das die Stadt im Jahr 1992 vom Land Rheinland-Pfalz bekommen hatte: Brunnen und Historiensäule des Bildhauers Jürgen Weber auf dem Görresplatz.
Inspiriert von dieser Historiensäule, die in zehn Bildern die Stadtgeschichte von der Römerzeit bis heute darstellt, entwickelte Meffert die „phantastische“ Idee ihrer Vertonung. Als Symbol für die „geschenkte“ Sinfonie überreichte er nach der Uraufführung die mit vielen Anmerkungen von Rennert und Engers versehene Original-Partitur an Hofmann-Göttig.
Launige Moderation begleitete die Uraufführung
Moderatorin des konzertanten Abends rund um die Uraufführung der Brunnensinfonie war Barbara Harnischfeger, Studioleiterin des SWR in Koblenz. Mit Interviews begleitete sie die musikalischen Darbietungen. „Ist Synästhesie kein Gendefekt?“, fragte sie ein wenig provokativ den Komponisten, der sich als Synästhetiker zu erkennen gab. Aber für Rennert ist die gekoppelte Wahrnehmung des „Musik-Hörens“ und „Farben-Sehens“ eine dankenswerte Gabe, bedeutet es gerade für das Komponieren eine große Erleichterung. Schon seit fast zwanzig Jahren komponiert er und schuf dabei auch schon eine 15-minütige sinfonische Dichtung über einen Tag bzw. eine Nacht in New York. In doppelter Länge brachte er jetzt die über zweitausendjährige Geschichte der Stadt Koblenz zum Klingen.
Orchester zeigte die ganze Bandbreite seines Könnens
Vor der Aufführung zeigte erst einmal das mehr als 60-köpfige Konzertorchester an fünf Beispielen sein musikalisches Können. Mit dabei der Rockmusik-Klassiker „Music“ von John Miles. Der war - dargeboten von einem sinfonischen Blasorchester - ein besonders hinreißendes und berührendes Erlebnis und setzte als klanggewaltige Hymne für die Liebe zur Musik das richtige Zeichen für den Abend. Mit den assoziativen Klangbildern des neunminütigen „Orient Express“ von Philip Sparke bot das Orchester zudem einen ersten kleinen Vorgeschmack auf die Brunnensinfonie, die noch viel mehr Bilder, allein durch die Kraft der Musik, hervorrufen sollte. Solche Leistungen mit Amateur-, jedoch gut ausgebildeten Musikern zu erzielen, darauf ist besonders Engers als musikalische Leiter des Orchesters stolz. „Die Leute zu motivieren“, sie auch durch Stücke von hohem Niveau zu führen, das sei „sein Ding“. Der Einzug der Chöre nach der Pause signalisierte den Beginn der Aufführung der Brunnensinfonie, die in Prolog, zehnteiligen Hauptteil und Epilog gegliedert ist. Eine der eher wenigen Textzeilen der Sinfonie lautet: „Zauber der Heimat, friedliches Land, groß im Herzen, ewig ruhst Du in Gottes Hand.“ Häufiger wirkte der Chor mit Lautgesang wie ein Instrument im Orchester.
Klänge erinnern an französische und preußische Herrschaft
Der Hauptteil der Sinfonie erzählt musikalisch die Stadtgeschichte von der ersten Besiedlung über das Mittelalter, die Franzosenzeit, den Zweiten Weltkrieg bis schließlich zum modernen, toleranten Koblenz. Musikalisch bietet er einen ständigen Wechsel von geradezu brachialer Klanggewalt, verstärkt durch die geballte Wucht von Trommel- und Beckenschlägen und ruhigen Phasen mit dem Klang einzelner oder nur leicht angespielter Instrumente. Welche Szenen der Stadtgeschichte Rennert allerdings mit welchen musikalischen Mitteln darstellt, ist für den ungeübten Zuhörer kaum einmal erkennbar. Ein paar Takte Marseillaise - die Franzosenzeit. Und Marschmusik-Elemente in der preußischen Epoche. Anrührend war die vom Komponisten erdachte Darstellung der Bombennächte des Zweiten Weltkriegs durch das Leid der Kinder. Auch ohne Wort für Wort verstehen zu können, drangen einzelne Satzfragmente durch: „welch Schmerzen“, „kleines Herz - dir angetan“. Die kurze Weile der darauf folgenden Ruhe verstärkte den Eindruck. Mit fast lyrischen Klängen, ganz leise und langsam, setzte die Musik wieder ein, symbolisierte den Neuanfang nach dem Krieg. Glockenklang, Flöten, immer mehr Blechbläser und schließlich die Trommeln leiteten über zu einem heiteren instrumentalen Miteinander, das die Aufbauaktivitäten der Menschen in der Stadt vorstellbar machte. „Das war ganz großes Kino“, kommentierte Harnischfeger die atemberaubende Klangwelt nach der Aufführung. Tatsächlich erhielt das Werk mit den Bildern im Kopf, die Rennert mit Instrumenten und Klangfarben geschaffen hat, Filmmusik-Charakter.
„Ein schönes Bild hast Du uns geschrieben“, dankte Meffert dem Komponisten. Als gutem Freund und phantastischem Dirigenten bedankte er sich zudem bei Engers, der das Orchester mit enormer Sicherheit und Ruhe durch das große Opus geführt hatte. Die von den rund 1200 Gästen erklatschte Zugabe hatten sich alle Ausführenden redlich verdient. Eine CD mit der Sinfonie ist bereits erschienen.
Bernhard Meffert (stehend, l.) erläuterte im Gespräch mit Barbara Harnischfeger, wie die Idee der Sinfonie entstand und schließlich realisiert wurde.
Komponist Guido Rennert (l.) fand in Schirmherrin Dr. Christiane E. Herzog eine engagierte Unterstützerin.
