Eine berührende Geschichten des Bunten Kreis: Mutter Malena erinnert sich: „Es war ein markerschütternder, beinahe unmenschlicher Laut.“
Wie Familie S. um das Leben ihres Sohnes kämpfte
Region. Als Malena über jenen Nachmittag spricht, an dem sich das Leben ihrer Familie schlagartig veränderte, stockt ihre Stimme. Die junge Mutter aus dem Westerwald erinnert sich an jedes Detail. An das Sofa, auf dem sie mit ihrem vier Wochen alten Sohn Miran ein Mittagsschläfchen hielt, und an den Schrei, der alles veränderte.
„Es war kein normales Schreien mehr“, sagt sie. „Es war ein markerschütternder, beinahe unmenschlicher Laut.“
Miran reagierte nicht mehr auf Ansprache. Er öffnete die Augen nicht, ließ sich nicht beruhigen. Für Malena, allein und unerfahren, brach in diesem Moment die Welt zusammen. „Ich war völlig überfordert. Mir kamen direkt die Tränen.“
Verzweifelt telefonierte sie ihre Hebamme, ihre Schwägerin und ihre Mutter ab. Bauchschmerzen? Koliken? Ein schlechter Traum? Nichts passte zu dem Zustand des Babys. Schließlich entschied sie, ins Krankenhaus zu fahren.
Dort spitzte sich die Lage dramatisch zu. Miran überstreckte sich, erbrach sich immer wieder und krampfte. „Ich stand hilflos im Flur und alles, was man mir sagte, war: ‚Sie müssen warten.‘“ Minuten wurden zu Stunden, bis die Ärzte schließlich auf deutliche neurologische Auffälligkeiten hinwiesen. Ein Ultraschall brachte die schockierende Diagnose: eine schwere, beidseitige Hirnblutung – Grad 4, die stärkste Form.
„Plötzlich war der Raum voller Ärzte. Und dann ging alles ganz schnell.“ Das Krankenhaus konnte dem vier Wochen alten Säugling nicht helfen. In derselben Nacht wurde Miran nach Sankt Augustin verlegt und sofort notoperiert. Ein externer Ventrikeldrain (ein dünner Katheter, der in die Hirnkammer gelegt wird, um Nervenwasser abzuleiten), sollte den lebensbedrohlichen Druck im Kopf senken.
Zwischen Hoffen und Bangen
Während Miran um sein Leben kämpfte, versuchte die Familie zu verstehen, was geschah. „Die Ärzte konnten uns nicht sagen, ob er wieder aufwacht, oder ob er schwerstbehindert sein würde.“ Der Druck im Gehirn war enorm, Krampfanfälle folgten. Zehn Tage lag Miran im künstlichen Koma – zehn Tage voller Ungewissheit.
In den Wochen danach folgten weitere Operationen, Spülungen und verlegte Drainageschläuche. Immer wieder Komplikationen. Immer wieder Warten.
Im Ronald-McDonald-Haus in unmittelbarer Nähe zur Klinik fanden Malena und ihr Mann Ümit einen Ort, an dem sie Kraft schöpfen konnten. „Wir waren in zwei Minuten bei ihm. Wir haben alles zusammen durchgestanden – als Eltern, als Paar.“
Ein kleiner Kämpfer
Zwei Monate nach der Diagnose durfte die Familie nach Hause. Miran war geschwächt, musste vieles neu lernen: fixieren, die Kopfkontrolle, grundlegende Bewegungsmuster. Die Nachsorgeschwester des Bunten Kreises wurde zu einer wichtigen Stütze und Miran kämpfte. „Heute hopst er schon durchs Wohnzimmer“, sagt Malena und lächelt. „Sein rechtes Bein ist noch etwas schwächer, doch die Physiotherapie zeigt Wirkung. Zweimal pro Woche trainiert er, um bald krabbeln und später laufen zu können. Die Prognosen stehen gut. Wenn man ihn heute sieht, würde niemand glauben, was er hinter sich hat.“
Blick nach vorn
In die Krabbelgruppe geht Miran inzwischen regelmäßig. „Anfangs war es ihm zu laut, aber jetzt funktioniert es immer besser.“ Eine Reha im kommenden Jahr soll seine Entwicklung weiter stärken.
Malena wirkt gefasst, auch wenn die Erinnerungen schmerzen. Professionelle Hilfe hat sie bisher nicht in Anspruch genommen. „Vielleicht irgendwann“, sagt sie. „Aber im Moment leben wir einen ganz normalen Alltag. Und das macht mich glücklich.“
Was sie sich für ihren Sohn wünscht?
„Dass er gesund bleibt. Dass er sein Bein irgendwann genauso gern benutzt wie das andere. Und dass er einfach ein fröhliches, normales Leben führen kann. Alles andere ist unwichtig.“
Bunter Kreis Rheinland e.V.
