Neuer Busfahrplan: Verärgerte Bürger verschaffen sich Luft
Busbetreiber Zickenheiner gesteht Probleme ein und verspricht Besserung

Neuwied. In diesem Jahr hat der Mittelrheinische Verkehrsbetrieb (MVB) von Transdev den Betrieb der Buslinien in der Stadt Neuwied übernommen. Seit der Umstellung auf einen neuen Fahrplan zum 1. September häuften sich die Beschwerden. Darauf reagierten Stadt und Kreis Neuwied. Gemeinsam mit Geschäftsführer Axel Zickenheiner und Sohn Kim Zickenheiner stellten sich Oberbürgermeister Jan Einig und Kreisbeigeordneter Michael Mahlert den Fragen der Fahrgäste. Eine Dame, die seit der Umstellung schlaflose Nächte hat und seitdem Beruhigungsmittel nehmen muss, war nur die Spitze des Eisbergs. Mehrmals war ihr Sohn auf dem Weg zur Schule von Feldkirchen auf den Heddesdorfer Berg „verloren“ gegangen. Das Umsteigen in der Stadt funktionierte nicht, und so war der Schüler statt einer knappen Stunde bis zu vier Stunden unterwegs. Die Mehrheit der rund siebzig Besucher im Amalie-Raiffeisen-Saal der Volkshochschule berichtete über Verspätungen bis hin zu Busausfällen. Andere beklagten, dass die neuen Fahrpläne nicht pünktlich in Printform, sondern nur im Internet erschienen waren. Sehbehinderte und Blinde monierten, dass in den Bussen keine Durchsagen erfolgen und man orientierungslos ist. Andere kritisierten, dass die Fahrpläne zu hoch aufgehangen und schlecht leserlich seien. Mehrfach wurde das fehlende Wissen der Fahrer hinsichtlich der Stationen auf der Fahrtstrecke und den Anschlussverbindungen moniert. Im Unklaren lässt das Busunternehmen die Menschen auch bei den genauen Abfahrsorten. Dies insbesondere in der Marktstraße/Engerser Straße sowie am Moltkeplatz. Michael Mahlert ermunterte die Anwesenden, alle Probleme zu benennen. Es gehe heute darum, Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Der Kreisbeigeordnete erinnerte aber auch daran, dass das Unternehmen privatwirtschaftlich arbeiten muss. Ein Bürger hatte zuvor infrage gestellt, ob die angekündigte Fahrplanoptimierung nur dem wirtschaftlichen Erfolg des Busunternehmers dient.
Öffentliche Förderung?
Michael Mahlert versprach zu prüfen, ob eine öffentliche Förderung bestimmter Verbindungen, wie bei der Schülerbeförderung, trotz angespannter Haushaltslage, möglich ist. Letztendlich sei dies eine politische Entscheidung. Oberbürgermeister Jan Einig, der sich vor Kritik zwar nicht „wegducken“ wollte, musste der Zuständigkeit halber auf den Kreis Neuwied verweisen. Seitens der Stadt Neuwied bestünde natürlich Interesse an einer Verbesserung des Linienverkehrs. Die alten Fahrpläne seien über viele Jahre unverändert gewesen, eine Bemerkung, die für spontanen Applaus der Besucher sorgte. Geduldig und einsichtig zeigten sich Axel und Kim Zickenheiner. Zu beschönigen versuchten die beiden erst gar nichts. Fehler seien gemacht worden und Dinge unterschätzt. „Wir waren überfordert“, gestand Axel Zickenheiner ein. Die Kritik der Besucher spiegelte die Rückmeldung aus dem Beschwerdemanagement wider. Zu 70 Prozent ging es um Ausfälle und Verspätungen. 20 Prozent der verärgerten Kunden nannten die neuen Fahrpläne und 10 Prozent unfreundliche Mitarbeiter. Den Service und das Beschwerdemanagement zu verbessern, versprachen die Unternehmer als erstes. Aber auch hinsichtlich der anderen Punkte hatten die beiden Antworten parat. So werden die Fahrpläne der einzelnen Linien besser aufeinander abgestimmt. Ein Teil der Ausfälle sei auf den hohen Krankenstand, 4-9 Fahrer pro Tag, zurückzuführen. Der Geschäftsführer bestätigte auch, dass einige Busfahrer gekündigt hätten. Insgesamt seien weniger Fahrer im Einsatz als zu Transdev - Zeiten. Axel Zickenheiner unterstrich, dass sich die Situation heute, nach 22 Schul- und 10 Ferientagen, deutlich verbessert habe und man die Lage nun im Griff habe. Er gab aber auch zu verstehen, dass Verspätungen in Zukunft nicht ausgeschlossen seien. Verkehrstechnisch sei die Stadt Neuwied schwierig und über Staus in der City könne man eben nicht hinwegfliegen. „Neuwied ist eine Autostadt“, fügte Axel Zickenheiner hinzu.
Mentalität „nicht busfreundlich“
Die Mentalität in der Stadt sei nicht gerade busfreundlich. Dass regelmäßige Staus im Fahrplan nicht zu berücksichtigen sind, mochte ein Fahrgast nicht gelten lassen. Bei anderen Problemen sorgten die Antworten des Busunternehmens für Verständnis. Etwa, dass die Durchsagen und Anzeigen von den durchschnittlich 16 Jahre alten Transdev Bussen nicht problemlos auf die modernen Hybrid-Busse übertragen werden können. Dem Wunsch vieler Busnutzer nach Verbindungen unter den Stadtteilen, ohne die Innenstadt zu passieren, zeigte sich Axel Zickenheimer aufgeschlossen. Zahlreiche Verbesserungen seien bereits auf den Weg gebracht worden. Dazu zählen neue Haltestellen. Schüler des Rhein-Wied-Gymnasiums und andere Fahrgäste können zukünftig von der Haltestelle Deichwelle/Kaufland in der Andernacher Straße stadtauswärts fahren. Eine weitere Haltestelle kommt an den Netto Markt in Engers. Auch die Mitarbeiter werden besser geschult und die Servicehotline verbessert. Die Fahrpläne werden optimiert an die Bedürfnisse angepasst. Für die Stoßzeiten werden weitere Gelenkbusse angeschafft. Positiv wurde die Erweiterung des Fahrplans um „Nachtbusse“ an Freitagen und Samstagen im Saal aufgenommen. Ob dies eine Ergänzung zu den Anrufsammeltaxen (AST) ist oder diese zukünftig ersetzt, mochte Axel Zickenheiner nicht sagen. Dies hänge von der Nachfrage ab. Bislang würde das Angebot der AST jedenfalls nicht stark angenommen.
FF


Rund siebzig Besucher waren vergangenen Dienstag in die VHS gekommen und machten ihren Ärger Luft.