„Verspätungen bei der Bahn: Braucht es einen Investitionsschub auf der Schiene?“ in BLICK aktuell 28/24
Es gibt auch viele kleine Stellschrauben, an denen es sich drehen ließe
Jeder regelmäßige Bahnreisende erlebt auch im Nahverkehr fast täglich Zugverspätungen, die sich oft bis zu Zugausfällen steigern. Hiervon ist in besonderem Maße die stark frequentierte linke Rheinstrecke betroffen.
Dass es erheblicher finanzieller Anstrengungen bedarf, um die jahrzehntelangen Versäumnisse bei der Modernisierung des Schienennetzes und auch der Straßen abzuarbeiten, dürfte unstrittig sein. Im Vergleich zu den Ausgaben Deutschlands pro Kopf für den Schienenverkehr bilden wir in Europa leider ein trauriges Schlusslicht. Das erlebt jeder, der im benachbarten Ausland reist, wo es durchweg im ÖPNV viel besser funktioniert. Dort wird dem Schienennetz seit Jahren ein größerer Stellenwert eingeräumt, während die Bahn bei uns „kaputtgespart“ wurde: personell, bei den Ausgaben für die Züge und bei der Sanierung des maroden Schienennetzes und vieler Bahnhöfe. Das rächt sich jetzt bitter auf Kosten der Kunden. Der Service ist unterirdisch und ließe sich gewiss verbessern, wenn es denn gewollt wäre und das Personal motivierter agierte und dazu von den Verantwortlichen angehalten würde. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass das Serviceunternehmen oftmals gegen die Kunden arbeitet.
Bei den Hinweisen auf Verspätungen sind vermutlich oft „Zufallsgeneratoren“ im Einsatz, denn es kommt vor, dass die Angaben wechseln, u. a. von Signal- oder Weichenstörungen, Störungen am Zug, vorausfahrenden Zügen, die dann nie an uns vorbeirauschen (kennen die Abkürzungen?), Vandalismus, Polizeieinsätzen, Notarzteinsätzen, spielenden Kindern im Gleisbett, Tieren auf den Schienen, fehlenden Lokführern etc.. Mitunter wechselt zum Staunen der Wartenmden die Begründung bei dem selben Zug. Die Zeitangaben zur Verspätung folgen dann meist einer Salamitaktik und können sich von fünf Minuten über Zwischenstufen von zehn, 20, 30 Minuten auf Zugausfälle hochschaukeln. Da fehlt wohl die Einschätzung oder ist eine Hinhaltetaktik ausgegeben worden. Der volkswirtschaftliche Schaden durch Zugverspätungen dürfte gigantisch sein. Pendler kommen später zur Arbeit, müssen länger arbeiten, sind genervt, Termine sind nur mit Zeitpuffern von Stunden(!) planbar, wenn man sich auf die Bahn verlässt.
Besonders ärgerlich ist es, wenn dann beispielsweise der RE 5 auf der Rheinstrecke nur noch bis Sinzig oder Andernach fährt und alle Reisenden dort aussteigen und in die Regionalbahn in Richtung Mainz umsteigen müssen oder auf den nächsten RE 5 warten dürfen.
Hier wäre es interessant zu erfahren, wie die Statistik zu diesen Vorkommnissen aussieht, die nicht selten sind. Wie oft ist das in den letzten Monaten und Wochen eigentlich der Fall gewesen? Hier sollte die Presse beim Land und bei den Verkehrsgesellschaften exakte Zahlen erfragen. Fatalerweise wird ja der RB in Remagen in Richtung Koblenz auf einen Traktion reduziert, was in Remagen oft zu Irritationen beim Umsteigen führt und für Überfüllung des weiterfahrenden Zugteils sorgt. Angeblich geschieht diese Abkoppelung aus energetischen Gründen oder schlicht, weil nicht genügend Zugelemente vorhanden sind. Wer hat da am falschen Ende gespart?
Die drangvolle Enge ist besonders in der Mittelrheinbahn in solchen Situationen unbeschreiblich, ja, menschenunwürdig, gesundheitsgefährdend, auch ohne Pandemie. Eigentlich dürften solche Züge nicht mehr weiterfahren. Zahlreichende Reisende bleiben zudem gar auf dem Bahnsteig stehen, weil sie nicht mehr in den Zug einsteigen können. Sardinenbüchsen sind im Vergleich dazu geradezu luftig und eine solche Käfighaltung von Tieren wäre verboten.
Dass die Zugtoiletten obendrein immer wieder defekt und verschlossen sind und sich vielfach in einem Zustand befindet, der jeder Beschreibung spottet, passt in dieses katastrophale Bild. Deshalb riecht es mitunter auch bei den Sitzen nach Urin.
Als kürzlich viele Schotten auf der Rheinschiene in Richtung Köln zu Fußballspielen fuhren, bereicherten die trinkfreudigen Fans in ihren Schottenröcken optisch das Bild. Die Tür zur Zugtoilette wurde trotz überfülltem Zug erst gar nicht mehr geschlossen, weil die sympathischen Fußballfans ungeniert ständig das Klo benutzen mussten. Was oben reingeschüttet wurde, musste ja unten wieder raus. Das nur am Rande. Über die Sauberkeit in Zügen des Nahverkehrs und auf den Bahnsteigen kann man nur den Mantel des Schweigens breiten. Bahnunterführungen sind „Geschäftsviertel“, weil hier viele ihr „Geschäft“ erledigen, auch in Fahrstühlen. Toiletten in den Bahnhöfen sind bedauerlicherweise durchweg nicht vorhanden.
Die Bahnhöfe gelten auch als „rauchfrei“, haben dafür ausgewiesene Zonen, in denen es erlaubt ist. Hieran halten sich aber nur wenige Raucher. Selbst Bahnbedienstete in Uniform stehen mitunter qualmend vor den Schildern des Rauchverbots. Dass die Zigarettenkippen achtlos auf die Bahnsteige oder ins Gleisbett geschnippt werden, ist die Regel. Dies erlebe ich immer wieder auf den Remagener Bahnsteigen und andernorts. Hier findet wohl keine Schulung der Bediensteten statt, die sich darum nicht scheren, keine Vorbilder sind und bei den wartenden Reisenden nicht darauf achten oder diese ermahnen. Aber die Zeit tickt hier halt anders. Symptomatisch dafür: Seit Jahren stehen viele Bahnhofsuhren still, die doch einstens Funkuhren waren, oder sie zeigen unterschiedliche Zeiten an, so u. a. auch in Remagen, aber auch in Bonn. Oder gibt es hier bisher nicht öffentlich bekannte „Zeitzonen“?
Überhaupt sind viele Anzeigen auf den Laufbändern irritierende Lachnummern. Da werden statt des Zugausfalls oder dass z. B. der RE 5 nur bis Remagen fährt, alle Bahnstationen aufgeführt: Der Zug hält heute nicht in ... Tatsache ist: Er fährt aber überhaupt nicht oder heute nur bis Remagen .... Das wäre eine klare Durchsage!
In den Zügen gibt es einige witzige Sprecher, die immer wieder betonen, dass der Bahnsteig in Sinzig winzig ist und die letzten drei Türen deshalb nicht geöffnet werden können. Auch hört man von ihnen andere Reime. Oft wünschen sie freundlicherweise den Reisenden einen schönen Tag, guten Weg und Gesundheit, schönes Wetter, frohe Weihnachten oder sie geben Fußballergebnisse durch. Das ist nett, kompensiert aber nicht die täglichen Kalamitäten, denen die Reisenden ausgesetzt sind.
Neben den großen Investitionen, die nötig wären, um den Bahnbetrieb effektiv zu sanieren, sind das alles kleine Stellschrauben, an denen es sich drehen ließe, wenn es denn gewollt wäre und sich das Personal mit der Bahn identifizierte, was im Gegensatz zu früheren Zeiten wohl schon lange nicht mehr der Fall ist. Vielleicht könnten hier Schulungen helfen, von wem auch immer. Hinweise von Reisenden werden nur mit müdem Lächeln quittiert und sind sinnlos. Verbesserungen? Fehlanzeige!
Aber auch bei frustrierten Bahnreisenden, die das nahezu täglich in unterschiedlicher Ausprägung erleben, gibt es noch ein Fünkchen Hoffnung zu einer künftigen Verbesserung. Wann die wohl kommen mag?
Leonhard Janta,
Bad Breisig

Vielen Dank
Habe gerade die Homepage der Hessischen Landesbahn angeschaut: das sind Parallelwelten: Anspruch und Wirklichkeit ohne Verbindung miteinander.