BLICK aktuell - Interview mit Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz
„Im Land läuft vieles richtig“

Durch die Pandemie hat sich vieles geändert. Das gilt nicht nur für den Alltag, sondern auch für die heiße Phase des Wahlkampfes, die gerade gestartet ist. Am 14. März wird in Rheinland-Pfalz ein neuer Landtag gewählt. Ministerpräsidentin Malu Dreyer möchte ihren Job in der Staatskanzlei behalten und in die dritte Amtszeit starten. Nun besuchte Hermann Krupp, BLICK aktuell-Chefredakteur und Geschäftsführer des Krupp Verlages, Malu Dreyer in Mainz. Auch wenn die Zeit der Sozialdemokratin zwischen zahllosen Meetings und Videokonferenzen stark begrenzt ist, fand sich dennoch Zeit für ein interessantes Interview. Auf der Agenda standen Themen wie die Bewältigung der Corona-Pandemie, die Digitalisierung und der Zustand der Infrastruktur im Land.
Hermann Krupp fragt zunächst nach den gegenwärtigen Herausforderungen. „Wie läuft der Wahlkampf in Corona-Zeiten?“, möchte er wissen. Malu Dreyer fehle zur Zeit der persönliche Kontakt zu den Menschen. Immerhin haben Videokonferenzen neue Möglichkeiten geschaffen. „Wir haben bislang digitale Veranstaltungen mit 100 bis 150 Teilnehmern durchgeführt“, sagt die Ministerpräsidentin. Dies ist zumindest ein kleiner Ersatz, bei dem auch durchaus eine persönliche Atmosphäre geschaffen werden könne. Aber das Unmittelbare und Zwischenmenschliche käme doch kürzer als bei einer Begegnung.
„Im Land herrscht bezüglich der Corona-Krise große Unsicherheit“, stellt Krupp fest. „Können Sie die Sorgen nachvollziehen?“, fragt er. „Selbstverständlich“, sagt Dreyer. „Die Sorgen kommen direkt in der Staatskanzlei an.“ Dreyer und ihre Mitarbeiter verzeichnen ein enormes Aufkommen von Anfragen. Allein im Januar seien mehr Zuschriften eingetroffen als im gesamten Jahr 2019. Keine Frage solle unbeantwortet bleiben, das habe sie sich zur Aufgabe gemacht. Das koste viel Kraft und Zeit. „Trotzdem geht es bei der Vielzahl nicht immer postwendend“, bat sie um Verständnis. Generell sei das Land derzeit krisenfest aufgestellt. „In Rheinland-Pfalz sind wir bei den Impfungen bundesweit Vorreiter“, sagt Dreyer. 90 Prozent der Bewohner von Altenheimen sind bereits mit der Erstimpfung versorgt, auch hier stehe das Land besser da als seine Nachbarn. Auch bei der Zweitimpfung werde es keine Engpässe geben. Dreyer verspricht: „Jeder bekommt die zweite Spritze“.
Unverständnis der Bürger ist nachvollziehbar
Ein großes Thema der letzten Tage und Wochen war die Wiederöffnung der Schulen und Kindergärten. Der Kurs wurde immer wieder gewechselt, fasst Krupp zusammen. Das sorge teilweise für Unverständnis. „Das kann ich nachvollziehen“, sagt Dreyer. „Eltern, die mit Homeschooling und Homeoffice beschäftigt sind, sehnen sich nach einer Perspektive, wann ihre Kinder wieder zur Schule oder Kita gehen können“, fügt sie hinzu. Viele Erziehungsberechtigte seien bereits am Limit. Die Ministerpräsidentin wünscht sich auch, zeitnah eine andere Lösung möglich machen zu können, die Inzidenzen deuten in die richtige Richtung. Es gelte auch, die Mutationen im Auge zu behalten, die auch im Nachbarland Baden-Württemberg zu einer erneuten Verschiebung der Schulöffnungen geführt haben. Für Dreyer hat die Wiedereröffnung der Grundschulen Priorität und sie hofft auf ein möglichst einheitliches Vorgehen nach dem 14. Februar. Grundsätzlich möchte man schnell bei den jüngeren Schülern wieder mit Wechselunterricht starten.
Seit acht Jahren ist Malu Dreyer Landeschefin. Krupp blickt in die Vergangenheit: „Was waren ihre größten Erfolge als Ministerpräsidentin?“ Zunächst sei sie froh, dass die Bürger und Bürgerinnen ihr das Vertrauen ausgesprochen hätten und sie eine Regierung bilden konnte, die gut zusammenhalte. „Wir haben den gesamten Koalitionsvertrag erfüllt“, fasst sie zusammen. Als Bundesratspräsidentin habe sie in Rheinland-Pfalz den Tag der deutschen Einheit ausrichten können. „Auf den Staatsbesuchen konnte ich immer auch für unser wunderbares Land werben. Ich hatte oft Vertreter und Vertreterinnen aus unserer Wirtschaft, der Wissenschaft und auch der Kultur dabei.“ Die Höhepunkte waren Besuche in Israel und Ruanda; außerdem wurden intensive Kontakte zu Argentinien und China gepflegt. Mit chinesischen Unternehmen habe man intensiv an dem Thema Künstliche Intelligenz gearbeitet.
Generell beschreibt die SPD-Politikerin die Zeit in der Mainzer Staatskanzlei als Erfolg. „Wir konnten gemeinsam die Innere Sicherheit verbessern, die Straftaten sind dank der gut aufgestellten Polizei die niedrigsten seit 25 Jahren.“ Auch der Klimaschutz werde weiter vorangebracht. Mittlerweile würden 50 Prozent des hier produzierten Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen. Als erfolgreich bezeichnet sie auch die Fortschritte im Bildungsbereich. Sie sei stolz, dass Rheinland-Pfalz im Bundesvergleich die kleinsten Klassen habe. Rheinland-Pfalz habe anders als viele andere Länder alle Stellen mit ausgebildeten Lehrern besetzen können und die Unterrichtsversorgung im Grundschulbereich liege sogar bei 106 Prozent.
„In Deutschland hinken wir hinterher, aber nicht in Rheinland-Pfalz“
Die Digitalisierung ist ein Thema, dass die Gemüter erhitzt. Der BLICK aktuell-Chef interessiert sich für die weitere Entwicklung. „Wie sieht die moderne digitale Schule aus?“ fragt Krupp. Für Dreyer sei es entscheidend, dass möglichst schnell und überall gleiche Standards herrschen. Bis Jahresende soll dies in die Tat umgesetzt sein. „Ich bin mir sicher, dass wir das schaffen“, ist Dreyer überzeugt. „Auch, wenn dies eine große Herausforderung bleibt.“ 90.000 Endgeräte stünden für die Schüler und Schülerinnen jetzt bereit. Besonders wichtig sei ihr dabei, dass für alle Schüler unabhängig vom Geldbeutel der Eltern digitale Endgeräte zur Verfügung stünden.
Auch für die Lehrkräfte seien Tablets und andere Geräte zwar bereits bestellt, wegen Lieferengpässen aber noch nicht vollständig angekommen. Klar sei aber auch, dass es bei der Digitalisierung in der Schule nicht nur um technische Ausstattung geht, sondern auch um eine neue Lernkultur, bei der Kinder z.B. projektorientiert die Kompetenzen erlernen, die sie brauchen, um sich in einer digitalen Welt zurecht zu finden. Hier hakt Hermann Krupp nach: „Hinken wir in Rheinland-Pfalz hinterher?“ Dreyer hat dazu eine klare Meinung: „In Deutschland hinken wir insgesamt hinterher, aber wirklich nicht speziell in Rheinland-Pfalz. Längst ist nicht alles so, wie wir es uns wünschen, aber wir setzen bereits seit mehr als zehn Jahren auf digitale Bildung und geben Vollgas.“
Den Einzelhandel stärken
„Wie kann der Einzelhandel unterstützt werden“, möchte Krupp wissen. Denn gerade in der Corona-Zeit habe sich die Lage in den Innenstädten dramatisch zugespitzt. Dem pflichtet auch die SPD-Politikerin bei. „Der Einzelhandel hat seit Wochen geschlossen und die Förderung ist nicht wie vom Bundeswirtschaftsministerium versprochen da ,“ fasst Dreyer zusammen. Nun müsse man dem Einzelhandel entgegenkommen, gerade bei Geschäften, die Saisonwaren führen. So solle die Möglichkeit geschaffen werden, nicht verkaufte Winterware als Fixkosten abzusetzen. Dass sich die Innenstädte durch die Corona-Krise verändern werden, liege für Dreyer auf der Hand. „Ältere Einzelhändler überlegen sich unter diesen Bedingungen , ob sie ihre Geschäfte überhaupt noch einmal öffnen“. Mit Programmen wollen wir dem entgegenwirken, um die Innenstädte attraktiv und lebendig zu halten. Außerdem sollen die Vorzüge des stationären Handels im Vergleich zum Internethandel wieder unterstrichen werden.
Auch das Thema Gesundheitsversorgung beschäftigt die Menschen im Land. Krupp: „Sterben die kleinen Krankenhäuser?“ Dreyer betont, dass Land und Bund über Strukturmittel viel investierten, um die kleinen Häuser zu sichern. Wir arbeiten auch bereits auf Bundesebene an einer besseren Finanzierung der Grundversorgung für kleine Krankenhäuser, denn „Fallpauschalen helfen hier nicht immer“. Die Pandemie zeigt, wie robust und zuverlässig unser Gesundheitssystem ist und wie sinnvoll es ist, die Häuser miteinander zu vernetzen. Das wollen wir für die Zukunft nutzen. Konkret sei ein Projekt in die Erprobungsphase gestartet, das kleine und große Krankenhäuser miteinander vernetze. Generell blickt Malu Dreyer beim Thema Gesundheitsversorgung positiv in die Zukunft: „Wir sind hier auf einen guten Weg“.
„Investitionsstau ist das falsche Wort“
„Geht es um die Brücken und Straßen im Land, ist immer wieder von einem Investitionsstau die Rede. Ist das wirklich der Fall?“, fragt Krupp. Das Wort „Investitionsstau“ sei nicht das richtige Wort, so Dreyer. Denn schließlich sei investiert worden. Ganze 600 Millionen Euro flossen in Bau und Sanierung der Landesstraßen, 29 Millionen Euro wurden für den Ausbau von Radwegen aufgewendet.
Zum Thema Infrastruktur gehöre aber auch wieder das Thema Digitalisierung. „Wie sehen Ihre Pläne zu Verbesserung aus?“ fragt Hermann Krupp. „In letzter Zeit haben wir einen richtigen Schub vollbracht“, weiß Dreyer. Mittlerweile seien über 90 Prozent der Haushalte mit einer 50Mbit-Leitung versorgt. Einige Kommunen folgten gleich der Gigabit-Strategie, also einem schnellen Anschluss mit 1000 Mbit. Dies sei auch die Perspektive für alle Haushalte. „Zum weiteren Ausbau werden wir zusätzlich zu den Mitteln im Sondervermögen in den kommenden Jahren insgesamt über 500 Millionen Euro bereitstellen und damit den Ausbau sicherstellen können, erläutert die Ministerpräsidentin. Das Thema „Mobilfunkausbau“ müsse jedoch differenziert betrachtet werden. Dies sei schließlich Aufgabe des Bundes in Zusammenarbeit mit Mobilfunkanbietern. Hier könne man als Land vergleichsweise wenig ausrichten, dennoch setze man sich regelmäßig am „Runden Tisch“ zusammen und arbeite an Lösungen für eine schnellere Versorgung
Zum Schluss des Gesprächs bat der BLICK aktuell-Chef die Ministerpräsidentin einen Ausblick in die Zukunft abzugeben. „Wie sieht Rheinland-Pfalz in fünf Jahren aus?“, möchte Krupp wissen. Die Ministerpräsidentin hat klare Vorstellungen. Rheinland-Pfalz soll auch weiterhin ein wirtschaftliches Fortschrittsland sein. Die Wirtschaft soll nachhaltig ausgebaut werden und so als „Leuchtturm“ für Bund und Länder wirken. Es werde gute Arbeitsplätze geben und der Mittelstand werde weiter das Rückgrat der Wirtschaft sein. „Digitalisierung und Klimaschutz sind Jobmotoren. Bis zum Jahr 2026 ist Digitalisierung in unseren Schulen längst Normalität und ermöglicht damit noch mehr individuelle Förderung. Bildung bleibt natürlich gebührenfrei. Im Klimaschutz werden wir vorankommen und weiter ambitionierte Klimaziele definieren“, so Dreyer abschließend.
Text/Fotos: Daniel Robbel

Digitalisierung, Infrastruktur und Schule: Hermann Krupp hatte einige interessante Fragen vorbereitet.
Hallo @Herr Müller
recht haben Sie ! Das Ego der Politiker ist größer als ihr Wissen.
Die Menschen meinen ja immer, Politiker seinen kluge Leute, dabei quasseln sie nur nach, was die Lobbyisten ihnen vorkauen. Andererseits kann ich hier wie da-Leute fragen, ob sie mal den Vertrag von Lissabon gelesen haben, oder auch nur eines von unseren 12 SGB's oder sonst was. Nichts ! Das fast gesamte Interesse der Bevölkerung ist auf das "ICH" festgelegt. Nach mir die Sintflut? Die digitale Welt ist das Endergebnis der Verblödung und Vernetzung. Zum Zeitpunkt X wird nichts mehr laufen und dann steht die halbe Welt da blöd herum und weiß nicht, ob sie springen soll oder nicht. Bis dahin harre ich der Dinge und tue mein Bestes- und das bedeutet nicht das ich einen von den "Ich"-Politikern wähle. Ich bemühe mich brennend um nach NRW zurückzukommen, weil ich schon an den idiotischen Wegen meiner nicht lernfähigen Stadt scheitere. Fängt beim Friedhof an, hört beim Markt auf.
Bleiben Sie fit ! :-)
Richtig Frau Friedrich. Zumindest die Ziele der Digitalisierung werden bis 2030 erreicht sein, was man von vermeintlichen Klimazielen nicht sagen kann. Eine Frage sollte sich jeder stellen. Was ist wichtiger, künstlich geförderte Intelligenz (bei manch einem bringt auch das nix mehr) oder die Aussicht (für Generationen) in einer einigermaßen gesunden Umwelt leben zu können (was die Politik aus den Augen verloren hat).
In unserem Land läuft einiges (nicht vieles) richtig. Hiervon ausgenommen, Klima- u. Umweltschutz. Wenn ein Politiker diesbezüglich in einer seiner unzulänglichen Reden "WIR müssen oder müssen WIR" in den Mund nimmt, dann weiß man, im Endeffekt interessiert ihn dieses Thema nicht wirklich, da er weiß (je nach Alter), dass er die negativen Auswirkungen auch seines ignoranten politischen Handelns eh nicht mehr erleben wird. Und was interessiert einen ICH-Menschen schon, was nach ihm kommt.
[Zitat]Bis zum Jahr 2026 ist Digitalisierung in unseren Schulen längst Normalität und ermöglicht damit noch mehr individuelle Förderung [Ende]
Evolutionsstufen des digitalen Zeitalters
Das Zeitalter der Digitalisierung hat ca. 1990 begonnen.
Die erste Evolutionsstufe dauerte von ca. 1990 – 2000 und beschäftigte sich mit der Vernetzung von Computern.
In der zweiten Evolutionsstufe von ca. 2000 – ca. 2015 ging es primär um eine allgemeine Akzeptanz und allgemeine alltägliche Einführung und Nutzung mobiler Geräte.
Die jetzt vor uns liegende dritte Evolutionsstufe, deren Dauer Experten von ca. 2015 – 2030 veranschlagen, hat Themen wie allgemeine Reife der Systeme und das Internet der Dinge im Fokus.
Mit der vierten Evolutionsstufe, ab ca. 2030 soll es zu einer vollkommenen Verschmelzung der realen und digitalen vernetzten Welt kommen.Quelle: team/next.de/academy
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Irgendwann wird auch dieses System versagen. Digitale Kinder und digitale Menschen verlieren ihre natürliche Intelligenz!
Ich frage mich, was wir nun mit den Dingen machen, die bei SPD und CDU nahezu gleich drin stehen? Braucht man die etwa bei den einen, aber bei den anderen nicht?
Es war gar nicht mein Ansinnen, hier die Parteien gegeneinander aufzuwiegen. Wer allerdings in der letzten Amtsperiode die Regierungsverantwortung hatte, sollte sich schon daran messen lassen, was vom alten Wahlprogramm tatsächlich umgesetzt wurde, und wie. Da haben es Regierungen immer etwas schwerer als Oppositionen, ihre Wahlprogramme und -versprechen glaubwürdig zu verkaufen.
Bezogen auf z.B. Digitalisierung oder Polizei fehlt mir diese Glaubwürdigkeit im SPD-Programm. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen sind auch so ein Thema, die Unterstützung kleinerer Krankenhäuser (Adenau!)... Nein, da ist dieses SPD-Programm und die Aussagen Dreyers dazu eben nicht glaubwürdig, da hätte man die letzten Jahre schon mehr machen können und müssen.
ICh habe mir das Wahlprogramm der CDU eben mal herunter geladen. Da sind tatsächlich nur Dinge drin, die kein Mensch braucht. Das war im Wahlprogramm 2016 schon genau so ....
Ich habe mir eben das SPD-Wahlprogramm mal heruntergeladen und durchgelesen. Da sind wirklich einige gute Ideen drin, die man echt mal in Angriff nehmen sollte. Oh, Moment, das ist ja das Wahlprogramm 2016...