Emotionale Ratssitzung um Dienstwagenaffäre und Versäumnisurteil
Keine Entlastung für Sinzigs Ex-Bürgermeister Wolfgang Kroeger
Sinzig. Keine Entlastung für Sinzigs Ex-Stadtchef Wolfgang Kroeger: Dies hat der Sinziger Stadtrat in einer teils sehr emotionalen und langen Sitzung mit letztlich klarer Mehrheit beschlossen. Eigentlich hieß der Tagesordnungspunkt zehn nur ´Feststellung der Jahresrechnung 2016` sowie ´Entlastungsbeschluss`.
Doch im Rat ging es natürlich um die sogenannte Dienstwagenaffäre und Kroegers vermeintliche Versäumnisse in einem Arbeitsgerichtsprozess. Vor allem SPD, Grüne und FWG sahen sich außerstande, dem ehemaligen Bürgermeister Entlastung zu erteilen.
Dies reichte letztlich zu einer deutlichen Mehrheit. Lediglich aus großen Teilen der CDU-Fraktion gab es Stimmen für die Entlastung.
Um Klarheit ins Geschehen zu bringen: Mit großer Mehrheit billigte der Rat dagegen die Jahresrechnung, die überplanmäßigen Ausgaben und entlastete auch voll und ganz die beiden Beigeordneten Charlotte Hager und Bernd Kriechel.
Und es gab noch einen Nachschlag. Denn nun soll ein Anwalt im Auftrag der Stadt prüfen, ob Sinzig Regressansprüche gegen Kroeger geltend machen kann. Dies hatte Grünen-Fraktionschef Klaus Hahn beantragt. Eigentlich laufen solche Anträge der Grünen im Rat ins Leere.
Aber Hahn bekam für seinen Antrag sechs Ja-Stimmen und fast alle anderen Ratsmitglieder, unter anderem auch die komplette CDU-Fraktion, enthielten sich die Stimme.
In der Debatte um die Entlastung Kroegers war es teilweise sehr emotional zugegangen. In insgesamt 15 oft sehr lange dauernden Sitzungen hatte sich das Rechnungsprüfungsamt abgearbeitet, um Licht ins Dunkel zu bringen. Allerdings wurde deutlich, dass bei einem sehr komplexen Sachverhalt auch die städtischen Gremien an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit kommen.
Allein die sogenannte Dienstwagenaffäre, die der Landesrechnungshof mit seinem Bericht ins Rollen gebracht hatte, wird wohl nie vollständig aufgeklärt werden.
Bereits vom Grundsatz her konnten einige Fragen nicht beantwortet werden, etwa, warum zum Beispiel die Kurbad AG mit dem Kaufen und später mit dem Leasen von Kroegers Dienstwagen betraut wurde. Und auch, warum Kroeger bereits am 1. Januar 2003 mit Sinzigs Beigeordneter Charlotte Hager einen Vertrag über die unbegrenzte private Nutzung des Fahrzeuges schloss.
Ob der Kauf oder das Leasing eines Dienstfahrzeuges letzten Endes günstiger sind, dürfte ebenfalls eine Glaubensfrage bleiben.
Kein Fahrtenbuch vorhanden
Ob zu viel oder zu viel privat gefahren wurde und ob die Kilometerleistung überhaupt in Ordnung geht, wird wohl ebenfalls eine offene Frage bleiben. Denn ein Fahrtenbuch gibt es bei Kroeger Dienstwagen nicht und hat es seltsamerweise auch nie gegeben. Fest steht, dass die Sinziger Verwaltung nachgearbeitet hat und Kroeger mittlerweile auch einen Differenzbetrag beim Eigenanteil beglichen hat.
Letztlich ist festzustellen, dass es mehr offene Fragen als detaillierte Antworten gibt.
Sehr unterschiedlich beurteilt wurde die Arbeit des Rechnungsprüfungsausschusses von dessen Vorsitzenden Franz Hermann Deres (CDU) und SPD-Mann Hartmut Tann. Deres hatte zwar auch den Beschlussantrag seines Ausschusses, Kroeger nicht zu entlasten, verkündet, war mit dem ehemaligen Stadtchef aber ansonsten sehr moderat umgegangen. Er mahnte auch mehr Ruhe im Umgang mit Berichten des Landesrechnungshofes an. Ein vollkommen zerstörtes Vertrauensverhältnis sah dagegen SPD-Mann Hartmut Tann, der in einem langen Redebeitrag vor allem auf die Dienstwagenaffäre eingegangen war.
Von erschüttertem Vertrauen sprach auch FWG Fraktionssprecher Friedhelm Münch. „Herr Kroeger hat eigentlich immer nur scheibchenweise wichtige Infos geliefert und dann nicht sehr viel zur Aufklärung beigetragen“, so die Begründung für die Nichtentlastung des ehemaligen Stadtchefs. Klaus Hahn von den Grünen setze noch einen drauf: „Bei 50.000 Kilometer im Jahr muss man schon einige 100 Stunden fahren“, so Hahn.
Er hatte auch herausgerechnet, dass es 171 Tankvorgänge und auch Pflegeabrechnungen gebe, aber keine davon stamme aus dem Sinziger Stadtgebiet.
Breiten Raum in der Diskussion nahm auch ein, dass Kroeger in einem Arbeitsgerichtsverfahren gegen einen Mitarbeiter ein Versäumnisurteil sehenden Auges in Kauf genommen hatte. Auch hier gab es sehr unterschiedliche Rechtsauffassungen. Das Gutachten eines Anwaltsbüros lies vollkommen offen, ob Kroeger den Termin einfach versäumt oder aus prozesstaktischen Gründen richtig gehandelt hatte. Auch hier wird sich wohl absolute Klarheit nicht finden lassen.
FDP-Fraktionssprecher Volker Thormann hatte vorgeschlagen, Kroeger nur teilweise zu entlasten. Diesem Vorschlag hätte sich die CDU wohl angeschlossen. Aber weil die Nichtentlastung der weitergehende Antrag war, kam es überhaupt nicht zu dieser Abstimmung.
Geron enthält sich
Welche Folgen die Nichtentlastung des ehemaligen Bürgermeister nun konkret haben wird, steht noch in den Sternen. Dies gilt auch für mögliche Regressforderungen und deren anwaltliche Prüfung. Kroegers Nachfolger Andreas Geron hatte bereits zu Beginn der Sitzung eine deutliche Position eingenommen.
„Ich werde mir über das Verhalten meines Amtsvorgängers kein Urteil erlauben und mich bei den Abstimmungen konsequent enthalten“, so Geron.
Insgesamt steht zu befürchten, dass sich die Sinziger Kommunalpolitik in Zukunft mit dem Dienstwagen und dem Versäumnisurteil erneut beschäftigen wird müssen. Denn eines ist sicher: Der Haushalt 2017 ist abgerechnet. Und nun ist der Rechnungsprüfungsausschuss wieder an der Reihe.
BL
