Politik | 29.09.2017

Bürgerinitiative „lebenswerte Stadt“ stellt Fragen

Offene Fragen und lebendiges Ringen

Der Kurgarten in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Axel Hausberg

Bad Neuenahr. Eine Woche lang bot die BI „lebenswerte Stadt“ vielseitige Impulse rund um eine behutsame Neugestaltung der Kurparkliegenschaften. Eine Ausstellung präsentierte gelungene Baubeispiele anderer Städte. Insbesondere die Vorträge renommierter Fachleute trugen zu lebendigen Diskussionen bei, die auch offene Fragen an den Tag brachten. Drei davon beantworten nun diese Referenten der Ausstellungswoche.

1. Klar ist, das Kurviertel steht unter Ensembleschutz. Damit ist noch nicht geklärt, inwieweit die einzelnen Gebäude ebenfalls geschützt sind. Wie ist die Lage? Dr. Martin Bredenbeck, Geschäftsführer des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, antwortet: In die Denkmalliste des Kreises Ahrweiler ist der Kurbezirk als bauliche Gesamtanlage/ Denkmalzone nach §5 Abs. 1.1 des Denkmalschutzgesetzes Rheinland-Pfalz eingetragen. Auf diese Weise werden Ensembles gewürdigt, die aus mehreren Gebäuden bestehen und die zusammen Zeugnis geben von einer bestimmten Gesamtplanung oder von einer Geschichte – in diesem Falle der Kurgeschichte. Zu dem unter Denkmalschutz stehende Ensemble in Bad Neuenahr gehören auch die Kuranlagen nach Entwurf von Herman Weiser, mit den beiden Hallen, dem Wandelgang, der Orchestermuschel und den Kolonnaden ausdrücklich dazu. Die Aussage der Stadt, dass keines der Gebäude einen Denkmalwert besitze, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich. Schließlich behält ein Ensemble nur dann seinen Wert, wenn seine Einzelbauten besonderen Schutz genießen. Hinzu kommt, dass die Weisersche Anlage an sich von hoher Bedeutung ist – ein einzigartiges Zeugnis dieser Epoche für Rheinland-Pfalz, vermutlich für ganz Deutschland. Gerade mit Blick auf das Kulturerbejahr (2018), auf 100 Jahre Bauhaus (2019) und auf die Landesgartenschau (2022) bieten sich gute Chancen, ein Zeugnis zu setzen für sensiblen Umgang mit Geschichte und baukulturellem Erbe. Ein Aushängeschild für die Stadt zu gestalten. Auch der Denkmalrat, der die „Landesdenkmalbehörde“ berät, hat den Wert der Kurparkliegenschaften erkannt, und bittet in seinem Schreiben an den Kultusminister eindrücklich um sorgfältige Prüfung der baufachlichen Fragen und sieht in der vorhandenen Substanz eine Chance.

2. Gutachten bestätigen einen schlechten baulichen Zustand der Kurparkliegenschaften. Der Beton ist porös und spröde. Ist ein Abriss der wertvollen Bausubstanz unumgänglich? Dominik Jörg, Architekt Bonn, antwortet: Das Gutachten der Ingenieurgesellschaft TTN folgert aufgrund der sehr geringen Betonfestigkeiten und schlechten Bausubstanz, dass eine bauteilbezogenen Sanierung nicht fachgerecht möglich ist. Diese Aussage bezieht sich aber auf den Keller. Nun wird sie in Darstellungen oft auf den gesamten Komplex übertragen. Das erscheint erstmal willkürlich. Der Gutachter bescheinigt nicht, dass eine Sanierung der gesamten Kurparkliegenschaften nicht möglich sei! Und für viele Bereiche werden keine massiven Mängel benannt. Andere Beschreibungen, gerade im Bereich der großen Konzerthalle, bleiben im Vagen („…bei mehreren Bauteilen ist das erforderliche Sicherheitsniveau nicht eingehalten“ – um welche Bauteile handelt es sich und welche Untersuchungen wurden vorgenommen). Auch die Konsequenzen, die man aus der Setzung der Halle zieht, wirken „gewollt“. Ungleichmäßige Setzungen zu beheben, ist das Brot der Altbausanierung. Generell wäre es gut, alternativ sachkundige Planer mit der Erstellung eines Instandsetzungskonzepts zu beauftragen gemäß der entsprechenden Richtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton. Dass das Gutachten von TTN kein Instandsetzungskonzept ist, zeigt sich insbesondere darin, dass mit keinem Wort erwähnt wird, dass auch carbonatisierter Beton durchaus saniert werden kann.

3. Mit der Neugestaltung der Kurparkliegenschaften fallen Begriffe wie Architekten- oder Realisierungswettbewerb. Welche Vorgehensweise bietet sich an? Prof. Andreas Denk, TH-Köln, Journalist, Architekturhistoriker, antwortet: Die Neuenahrer Anlage ist einzigartig und ist ein herausragendes und seltenes Beispiel für die Epoche der klassischen Moderne. Sie widmet sich ganz der Genesung – alles dreht sich um Licht, Luft und Sonne. Für einen sensiblen Umgang mit Konzerthalle und Co ist ein weiteres Gutachten von einem Büro sinnvoll, das sich bereits intensiv mit dem Denkmalwert von Bauten der 1920er und frühen 1930er Jahre auseinandergesetzt hat. Danach muss ein Architektenwettbewerb ausgelobt werden, bei dem entwerferisch, hochqualifizierte Architekten, erfahren im Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden, über die weitere Entwicklung des Areals nachdenken. Kriterien sollten sein: der weitestgehende Erhalt der Kurgebäude nebst Wandelgängen und Ladenzeile, Rückbau sinnentstellender nachträglicher Einbauten, ein hochwertiger Ersatz für das Café, eine neue bauliche Fassung der Mineralquellen, sowie raumbildende Ergänzungen im südlichen Teil der Kurgartenstraße zwischen Ladenzeile und Badehaus. Die städtebauliche und architektonische Komplexität der Aufgabe legt nahe, zunächst einen Ideenwettbewerb auszuloben, dessen Preisträger dann – eventuell in Gemeinschaft mit Investoren - in einem Realisierungswettbewerb um die beste Lösung konkurrieren. Es lohnt sich. Nur drei Beispiele sanierter Bauten dieser Epoche sind die ADGB-Bundesschule in Bernau (1927-1930), das Dresdner Hygienemuseum in Dresden (1927-1930) und die heutige Max-Taut-Schule in Berlin-Lichtenberg (1929-1935): sie zeigen eine hervorragende Qualität, und konnten leicht in zeitgenössischen Gebrauch zurückgeführt werden.

Die Bürgerinitiative möchte in erster Linie eine Neugestaltung, die das, was das Herz des Bades zum Schlagen bringt, architektonisch gut fasst: das sind die Quellen, die Heilung, Begegnung und Kultur. Sie begrüßt einen Erhalt oder Teilerhalt der architektonisch einzigartigen historischen Bauten, sieht aber auch Entwicklungsbedarf der Fläche. Denn Kur hat sich gewandelt. Wie auch immer die Würfel fallen: „eine Gestaltung muss qualitätvoll sein“, so das Leitungsteam, „das sehen wir ähnlich wie die Stadtverwaltung.“ Zu einer weiteren Auseinandersetzung rund um das Kurviertel möchte die BI im Rahmen von „Rund um den Weckmann“, Sonntag, 29. Oktober, Bad Neuenahrer Fußgängerzone, an einem Infostand einladen. Informationen zu BI und Kurparkliegenschaften, sowie den Architekten Hermann Weiser auf www.lebenswertestadt.jimdo.com.

Pressemitteilung Bürgerinitiative „lebenswerte Stadt“

Der Kurgarten in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Foto: Axel Hausberg

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