Nachruf

Im Paradiesgärtleinder neuen Kirchenmusik

Im Paradiesgärtlein
der neuen Kirchenmusik

Im Paradiesgärtlein
der neuen Kirchenmusik

Im Paradiesgärtlein
der neuen Kirchenmusik

Im Paradiesgärtlein
der neuen Kirchenmusik

Peter Bares ist tot. Zeit seines Lebens sagte er immer, dass er nicht in den Himmel kommen wolle, der sei etwas für Fromme. „Könnte es nicht sein, dass der Himmel in Wahrheit nur Stille ist und Klang und Gloria, eben seine Musik?“, das fragt Jürgen Holter in einem Beitrag für die Zeitschrift „Jesuiten“ im Jahr 2009. Die Frage ist nun für Peter Bares beantwortet.

Geboren wurde Peter Bares am 16. Januar 1936 in Essen. Seine Schulzeit verlebte er teilweise im Internat des Klosters Knechtsteden, wo er mit der Gregorianik und der Orgel in enge Berührung kam. Bares als musikalisches Wunderkind studierte mit einem Stipendium Kirchenmusik an der Folkwang-Schule in Essen bei Ernst Kaller und Siegfried Reda. Seine ersten Organistenstellen bekam er in Essen und Düsseldorf. Im Jahr 1960 kam er nach Sinzig, wobei für ihn sofort klar war, dass Sinzig eine neue Orgel brauchte. Dieses Ziel verfolgte er mit der ihm eigenen Beharrlichkeit und mit der Unterstützung des damaligen Pastors Keuser. Mit der Orgelbaufirma Walcker fand er die Möglichkeit, eine ganz neue Orgel zu konzipieren: Nie zuvor waren in eine Orgel sogenannte Spielhilfen wie Winddrossel und Tastenfessel eingebaut worden. Ebenso erfand er ganz neue Register. Hier war ein Organist am Werk, der die Literatur der neuen Musik kannte und für die Kirchenmusik fruchtbar machen wollte. Später erweiterte er die Orgel um eine Trompeteria, ein einzeln spielbares Trompetenregister im Seitenschiff der Kirche und ein Altarpositv. Beide Orgeln finanzierte er aus eigener Tasche und ermöglichte damit eine Raum-Musik in der romanischen Basilika. Als Motor der neuen Kirchenmusik initiierte er 1976 die Internationale Studienwoche für Neue Geistliche Musik in Sinzig, die er als Ein-Mann-Unternehmen durchzog. Bis zu seiner Kündigung im Jahre 1985 gastierten jedes Jahr im März die renommiertesten Organisten neuer Kirchenmusik eine Woche lang in Sinzig. Dutzende von Uraufführungen erklangen in der Sinziger Kirche. Die Stadt Sinzig und die Orgel von St. Peter wurden weltberühmt. Nach seiner von internationalen Protesten begleiteten Kündigung 1985 setzte er die Studienwoche noch zehn Mal zuerst in Bonn und dann in Köln fort. 1992 wurde er von Kunstpater Friedhelm Mennekes an die Kunst-Station Sankt Peter Köln berufen. Wenn man es aus heutiger Sicht betrachtet, war dies ein Glücksfall im Leben des Peter Bares. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Sinzig, die Niederlage vor dem Arbeitsgericht, das Verbot, auf „seiner“ Orgel spielen zu dürfen, die teilweise Demontage und Verstümmelung der Orgel bekam erst durch die Berufung an St. Peter in Köln seinen tieferen Sinn: Hier konnte er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich frei nach seinen künstlerischen Vorstellungen arbeiten. So heißt es am 9. April 1993 in der ZEIT: „Das Fußvolk der schlecht bezahlten Kantoren freilich kann nur entweder neidisch oder kopfschüttelnd in dieses Paradiesgärtlein der neuen Kirchenmusik hineinblicken.“ Der verhasste „Sakro-Pop“, mit dem er sich in Sinzig auseinandersetzen musste, war nun kein Thema mehr. Köln war eine Kunst-Station, diese schien auf Peter Bares gewartet zu haben, denn auch hier gab es Pläne für eine neue Orgel. Mit der Orgelbaufirma Willi Peter fand Peter Bares eine Werkstatt, die seine Ideen verstand. "Wir wollten etwas völlig Neues, nämlich die Möglichkeit, Altbekanntes mit Experimentellem zu verbinden; es werden also ganz neue klangliche Möglichkeiten eröffnet. Peter Bares wird ein der zeitgenössischen Orgelmusik adäquates Medium geboten.“

Diese Orgel ist eine Weiterentwicklung der Sinziger und auch heute wieder die modernste auf der Welt. „Hochliegende Aliqoten wie auch die neuen Register wie Sept und Elfte kommen dem Organisten, für den individuelle Obertonzusammensetzungen eine wichtigere Rolle spielen als Klangschattierungen im Grundstimmenbereich, sehr entgegen. Die Erweiterung und Flexibilisierung der Klangmischungen im Obertonbereich resultieren aus der großen Zahl der gemischten Stimmen, insbesondere im Koppelwerk. So ist die Orgel im Sinne von Peter Bares 'dissonanzfähig'!“ So ist die Orgel von St. Peter in Köln die Krönung eines Lebenswerkes. Sie verweist aber auch auf die anderen beiden Pfeiler seines musikalischen Lebens: die Komposition und Improvisation. Die Kunst der Improvisation ist heute leider nur noch im Jazz erhalten, weniger in der Kirchenmusik. Bares lehrte Zeit seines Lebens bei den Studienwochen die Kunst der Improvisation. Seine eigenen Improvisationen führten immer in „fantastische Welten und Weiten“. Er liebte die Klangfarben der Orgel und wenn er ein Gastkonzert in einer Kirche gab, wunderten sich die Zuhörer und meinten, er habe auf einer ganz anderen Orgel gespielt als sie kannten. Am liebsten improvisierte er über Titel mit starken Bildern. So war er ein Meister der Malerei mit Tönen.

Als Organist in Sinzig leitete Bares auch den Kirchenchor. Von Anfang an sang man nur eigene Werke. Dutzende von Messen, Motetten, Allelujas und Amen hat er für „seinen“ Chor komponiert. Dabei hat er gezeigt, dass durchaus auch Laienchöre in der Lage sind, moderne Musik aufzuführen. Die Chorproben am Dienstagabend hatten einen ganz eigenen charismatischen Charakter, wenn man nach Hause ging, spürte man die Lebendigkeit, die er mit seiner Musik vermittelt hatte. Hinzu kam noch seine unterhaltsame Art, denn man erfuhr das neueste aus Politik, Gesellschaft und Kirche in Sinzig und Umgebung, und natürlich auch seine neuesten Projekte. So hatte er beschlossen, dass das Geläut von St. Peter nach unten ergänzt werden müsse. Er ruhte nicht eher, bis er das Geld für eine neue „Peter-Glocke“ gesammelt hatte, dabei kannte er keinerlei Berührungsängste.

Seine fast 3000 Kompositionen umfassen Werke für Streicher ebenso wie Bläser und Orgel. D. Susteck fasst sein kompositorisches Schaffen so zusammen: „Im Rückblick … fällt auf, dass sich Bares‘ Harmonik zur Freitonalität entwickelt. Erst verändert sich die Harmonik, später die Rhythmik. … Die Musik löst sich von den Normen zugunsten freier Elemente.“

Peter Bares war ein unermüdlicher Organisator von Konzerten und „Studientagen“ und anderen Projekten. Er war ein von der Musik Besessener, den das Leben zur Kirchenmusik geführt hat. Im persönlichen Gespräch entwickelte er einen Charme und eine Überzeugungskraft, der man sich schwerlich widersetzen konnte. In seinen Gedichten offenbarte sich sein romantisch-expressives Wesen. Nur in der Sache der Musik konnte er hart und kompromisslos sein. Peter Bares war ein Prophet, und als ein Prophet, der nichts im eigenen Land gilt (vgl. Mk 6, 4), ist er in Sinzig am 2. März gestorben.

Hanns Stüßer