Erster Vortrag der diesjährigen Pecher Winterakademie
„Arabischer Frühling, islamistischer Winter und jüdischer Staat“
Rund 80 Zuhörer verfolgten das Referat von Michael beim Heimatverein Pech
Pech. Bei der Begrüßung hob der Vorsitzende des Heimatvereins Pech, Günter Wagner, hervor, was es bedeutet, in einer intakten und friedlichen Heimat zu leben, besonders mit Blick auf den Nahen Osten. Unter dem Titel „Arabischer Frühling, islamistischer Winter und jüdischer Staat“ eröffnete Michael Mertes, der während der letzten drei Jahre als Vertreter der Konrad-Adenauer-Gesellschaft in Israel lebte und wirkte, den vierten Zyklus der Pecher Winterakademie in der evangelischen Kirche ín Wachtberg-Pech. Er wies eingangs auf die Bedeutung der Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel hin: „Im Jahr 1965 - also 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs - hätte sich wohl niemand träumen lassen, dass Israel eines Tages die Deutschen als seine besten Freunde in Europa betrachten könne.“ Diese Beziehung sei keine Einbahnstraße. Denn obwohl Israel verhältnismäßig klein sei - nach Fläche etwa so groß wie Hessen, nach Bevölkerung etwa so groß wie Niedersachsen - bringe es weltweit beachtete Leistungen in Wissenschaft, Technologie und Kultur hervor, die es auch in Europa zu einem interessanten Kooperationspartner mache. Trotz aller Differenzen mit der Europäischen Union und der US-amerikanischen Regierung über seine Siedlungspolitik gehört dieses multikulturelle Israel nach Mertes‘ Überzeugung zur Gemeinschaft westlicher Staaten. Mit diesen Ländern teile es unter anderem das Interesse an der Abwehr radikalislamischer Terror-Organisationen.
Mertes ging auf die in Deutschland mit großer Sorge betrachtete Entwicklung ein, die von manchen als „islamistischer Winter“ bezeichnet wird. Israel liege mitten in einem Krisenbogen, der sich vom afrikanischen Nigeria (Boko Haram) über Syrien, den Irak und Afghanistan bis nach Pakistan (Taliban) erstreckt. Kernproblem für Israels Sicherheit seien dabei die zu beobachtenden Krisen und der Zerfall staatlicher Ordnung in den Nachbarstaaten. Die Hauptbedrohung des Staates Israel gehe nicht mehr von regulären Armeen arabischer Staaten aus, sondern von nicht staatlichen Akteuren: Hamas im Gazastreifen, Hisbollah im Libanon, IS in Syrien und im Irak, um nur die wichtigsten zu nennen.
Der israelisch-palästinensische Konflikt ist nach Mertes längst nicht mehr der Hauptkonflikt in der Region. Würden sich Israelis und Palästinenser aber auf eine Friedensregelung einigen, könnte dies nachhaltig zur Beruhigung der Lage beitragen. Deshalb werde der Abschluss einer solchen Regelung auch von den noch relativ stabilen Staaten in der Region - namentlich Jordanien, Ägypten, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate - massiv unterstützt. Die Europäische Union und die USA engagieren sich trotz wiederholter Rückschläge ebenfalls weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung (Israel und Palästina), nach Meinung von Mertes aber zu zurückhaltend. Eine solche Lösung setze voraus, dass beide Seiten bereit seien, ihre überkommenen Maximalforderungen (Mertes sprach von „Träumen“) aufzugeben und schmerzhafte Einschnitte hinzunehmen. So könnten die Israelis nicht davon ausgehen, dass große Teile des 1967 eroberten Westjordanlandes auf Dauer ihr Staatsgebiet würden, mit großen Folgen für die dort inzwischen lebenden rund 80.000 israelischen Siedler. Die palästinensischen Flüchtlinge aus dem heutigen Staatsgebiet Israel (rund fünf Millionen) könnten andererseits wohl nicht ihr „Recht auf Rückkehr“ wahrnehmen, ohne den jetzigen Staat Israel zu destabilisieren. Zu den Aussichten auf einen baldigen Durchbruch zu einer stabilen Lösung äußerte sich Mertes jedoch skeptisch. Denn zu einer tragbaren Lösung könnten nur die Akteure vor Ort selbst beitragen.
Die engagierte Diskussion im Anschluss an den Vortrag wurde von Hans-Otto Budde moderiert. Den nächsten Vortrag hält am 11. Februar der ehemalige Landrat Frithjof Kühn zum Thema „Der Rhein-Sieg-Kreis - eine Region von besonderer Entwicklung und wirtschaftlicher Dynamik“.
