Steigende Altersarmut - Gründe und Prognosen
Alt, älter, arm
Berlin. Viele Jahre krumm gelegt und auf so einiges verzichtet. Und trotzdem soll es nicht ausreichen, um im Alter davon leben zu können?! Was gleichsam frustrierend wie beängstigend klingt, ist für viele schon Realität. Und die Prognosen sind noch düsterer. Wenn die Jahrgänge um 1965 das Rentenalter erreicht haben, dann steht sie vor unseren Türen: die Altersarmut. Glaubt man den neuesten Prognosen der Rürup Kommission und der Deutschen Rentenversicherung, dann wird einem Berufstätigen, der 45 Jahre lang gearbeitet hat und im Durchschnitt 2500 Euro im Monat verdiente, im Jahr 2030 nur eine Rente in Höhe von 1.024 Euro zustehen. Das ist wenig. Zu wenig für die meisten.
Mit 2.500 Euro im Monat darf man sich eigentlich zu den Normalverdienern zählen. Eigentlich. Denn wenn diese Normalverdiener das Rentenalter erreichen, greifen die beschlossenen Rentenreformen, nach denen das Rentenniveau bis 2030 von derzeit 51 Prozent auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns vor Steuern sinkt. Dann steht eben genau dieser Normalverdiener vor der Altersarmut. Denn dann bleiben ihm nur noch knapp 700 Euro Rente im Monat zum Wohnen, Essen und Trinken und Gesundbleiben - und ein bisschen Leben soll er davon auch noch.
Geht natürlich nicht. Geht aber auch schon heute für viele nicht. Denn dieses Zukunftsszenario, dass gerade Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) gerne in die Diskussion wirft, wenn es beispielsweise um die Zuschussrente geht, dieses Zukunftsszenario ist schon heute für viele harte Realität. Zwei Prozent der mehr als 20 Millionen Rentner sind schon heute auf Grundsicherung angewiesen, ein Begriff, der netter klingen soll als „Sozialhilfe“, der aber in der Sache das gleiche meint.
Sozialer Sprengstoff
Dem nicht genug, sehen die Sozialverbände einen dramatischen Anstieg der Altersarmut und die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts stützen diese These. Was sich auf den ersten Blick zunächst wie „irgendeine“ weitere Statistik aus Wiesbaden liest, birgt bei näherem Hinschauen indes jede Menge sozialen Sprengstoff. Denn nach den neuesten Zahlen der Wiesbadener erhielten Ende 2012 knapp 465.000 Personen über 65 Jahre Grundsicherung. Gegenüber 2011 erhöhte sich damit die Zahl der Hilfebezieher um rund 55.000 Personen bzw. 6,6 Prozent. Und das ist viel.
„Das ist ein dramatischer Anstieg und nicht länger hinnehmbar!“, kommentierte denn auch Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, die neuen Zahlen. „Besonders bedrückend“ ist aus Sicht des VdK, dass über die reinen Daten und Fakten hinaus zahlreiche Rentner aus Scham oder Nichtwissen um diese Leistung gar nicht erst den Weg zum Amt gehen. Von daher ist die Dunkelziffer der Rentner, deren Einkommen vorne und hinten nicht zum Leben ausreicht, noch viel höher.
Bettelstab vor Augen
Die Gründe, dafür, dass die Wirtschaftswunderkinder den Bettelstab vor Augen haben, ist nicht alleine im demografischen Wandel unserer Gesellschaft zu finden. Der hat zwar zur Folge, dass immer weniger Arbeitskräfte immer mehr Rentner zu finanzieren haben, doch Experten machen ganz andere Faktoren für die - schon jetzt - wachsende Altersarmut verantwortlich: jahrelange Arbeitslosigkeit und Teilzeitbeschäftigung. Minijobber sind genau so gefährdet wie Dauerpraktikanten und Solo-Selbständige.
Denn wer ohnehin nicht viel verdient, der kann auch nicht viel bzw. gar nichts für seine private Altersvorsorge tun. Und das ist eines der Kernprobleme der Rentenpolitik, wer niedrige Löhne bezieht, entrichtet entsprechend niedrige Beiträge in die Rentenkasse und die Bemessung seiner Rente fällt auch entsprechend niedrig aus. In Zahlen: Ein ALG-II-Empfänger steigert sein Altersruhegeld pro Jahr um 2,19 Euro! Und kurz: Überall dort, wo sich ein Normal-Arbeitsverhältnis zur Ausnahme entwickelt, wird Altersarmut zur Regel.
Teufelskreis mit Niedriglöhnen
Dieser Teufelskreis lässt sich nach Einschätzung von Rentenexperten ohne einen ausreichenden gesetzlichen Mindestlohn und eine bessere Reallohnentwicklung kaum durchbrechen. Gewerkschaften und Sozialverbände fordern daher auch eine Rücknahme der Rentenreformen. Andere Lösungswege kommen aus der CDU-Fraktion, dort plädieren die jüngeren Abgeordneten für den kompletten Systemwechsel zu einer steuerfinanzierten Rente.
Der VdK fordert zudem, dass „die gesetzliche Rente und die Erwerbsminderungsrente armutsfest gemacht werden“ müssen. Dazu gehöre auch die Abschaffung der Rentenabschläge für sogenannte Erwerbsminderungsrentner, also Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht bis zum 65. Lebensjahr arbeiten können und ruckzuck in der Armutsfalle sitzen. Prognosen gehen davon aus, dass 2030 ein Drittel der zukünftigen Rentner über die gesetzliche Rente, eine betriebliche Altersversorgung, Sparrücklagen und Immobilien verfügen wird, ein Drittel wird allein von der gesetzlichen Rente und etwas Erspartem leben - und ein Drittel der Rentner wird in Altersarmut darben. EMB
Die beschlossenen Rentenreformen sehen vor, dass das Rentenniveau bis 2030 von derzeit 51 Prozent auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns vor Steuern sinkt.Foto: Rainer-Sturm/pixelio.de
Wenn die Jahrgänge um 1965 das Rentenalter erreicht haben, dann steht sie vor unseren Türen: die Altersarmut. Foto: Gerd Altmann_Shapes_AllSilhouettes.com/pixelio.de
