Die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst
Limburger Hexenjagd?!
Limburg. Vor einigen Monaten war es Jenny Elvers, irgendwann kam Annette Schavan dran und nun ist es der Bischof von Limburg Franz-Peter Tebartz-van Elst. Die Meute lauert und sobald sich irgendwo eine Abweichung von der definierten Norm andeutet, wird zum öffentlichen Treiben angeblasen. War man gestern Plagiatorenjäger unterwegs, schließt man sich heute zur Hetzjagd auf das waidgeschossene Limburger Kirchentier an und stellt die gesamte katholische Kirche in einem Rutsch gleich mit unter Generalverdacht. Was bei der öffentlichen Hexenjagd indes mehr und mehr aus dem Auge verloren wird, sind die eigentlichen Fakten - und nur die helfen wirklich, Klarheit in die Causa Tebartz-van Elst zu bringen.
Luxus, Protz und Scheinheiligkeit, verschwenderische Architektur, barocke Pracht gehören und verschlossene Türen, Geheimgänge, Schatztruhen und jede Menge Pomp - Stoff, aus dem Romane sind. Und die Wirklichkeit.
Ein bisschen zumindest. Ort der Handlung ist das kleine, aber feine hessische Städtchen Limburg. Protagonist ist der erste Mann im Bistum, Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst. Gegenspieler: ein Staatsanwalt, der wegen einer falschen eidesstattlichen Erklärung ermittelt, und die Öffentlichkeit, die mit geradezu obsessiver Begeisterung und Schadenfreude in Zeitung, Hörfunk und TV, auf Blogs und in Kommentaren agiert. Bilder eines gehetzten Gesichts mit zauseliger Frisur und verstörtem Blick schaffen es auf die Titelseiten und in die Hauptnachrichten. Von Würde und Respekt keine Spur mehr. Schließlich ist der Mann Täter, auch ohne Prozess, denn im Grunde inszeniert sich die Öffentlichkeit als jüngstes Gericht. Wenn die Themen Gott, Glaube und Geld zusammentreffen, dann wird es explosiv, dann geht es heiß zu und dann erregen sich selbst die Menschen, die sich sonst erklärtermaßen nicht um die Kirche scheren. Das Thema ist überall präsent, beim Friseur, in der Kantine und in der Bahn. Und auch in Rom. Denn einzig und alleine dort da kann entschieden werden, wie es mit einem Bischof weitergehen soll, der angeblich Gelder veruntreut haben soll, dem eine eidesstattliche Falschaussage vorgeworfen wird, dem man einen autoritären Führungsstil nachsagt und „klerikale Selbstverliebtheit , denn Franz-Peter Tebartz-van Elst hat es gerne ein bisschen schöner, größer teuerer hat.
Denkwürdige Kostenexplosion
Fakt ist, dass der neue Sitz des Limburger Bischofs fast sechsmal mehr kosten wird als geplant. War ursprünglich von 5,5 Millionen Euro die Rede, sind nun zwischen 35 und 40 Millionen Euro angedacht. Bei dem Bau handelt es sich aber keineswegs um den reinen Wohnsitz des Bischofs. Der macht nur einen relativ kleinen Teil dieses Gebäude-Ensembles aus und besteht aus einer Drei-Zimmer-Wohnung mit Ess- und Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer mit Bad.
Untergebracht sind auf dem fraglichen Gelände aber auch die Residenz des Bischofs und sein Büro, also sein Amtssitz. Dieses Gebäude aus dem 15. Jahrhundert musste nach Angaben des verantwortlichen Architekten Michael Frielinghaus „sehr aufwendig“ und dem Denkmalschutz entsprechend renoviert werden, das es in einem „erbärmlichen Zustand“ war. Hinzu kommt eine Kapelle von 60 Quadratmeter Grundfläche. Ein weiterer Raum im Untergeschoss dient der Öffentlichkeit und ist für Bürger und Mitglieder der Gemeinde gedacht. „Dieser Raum hat etwas ganz Besonderes“, so der Architekt gegenüber dem Deutschlandfunk, „weil da die archäologische Fundstätte eines alten Wehrturms ist, und da wir ja etwas tiefer gehen mussten und der Baugrund an dieser Stelle aus Fels besteht.“ So ergab sich die eindrucksvolle Skulptur, dass dieser Wehrturm mitten im Raum auf seinem Fels ruht - eine gleichsam theologisch interpretierbare Sache: der Fels, auf dem die Kirche steht. Und so kam eins zum anderen - und dazu gehören auch ganz persönliche und ohne Frage eitle Sonderwünsche des Bischofs.
Chronik der Affäre
Der Startschuss für das millionenschwere Bauprojekt fiel im Jahr 2007. Am 2. Februar 2007 trat der Limburger Bischof Franz Kamphaus nach 25-jähriger Amtszeit tritt zurück und das Domkapitel beschließt einen Umbau des Limburger Dombergs - mit dem Ziel, dem künftigen Bischof dort eine Wohnung und seine Residenz zu errichten.
20. Januar 2008: Franz-Peter Tebartz-van Elst, Weihbischof im Bistum Münster, wird in sein neues Amt als Bischof von Limburg eingeführt.
Mai 2010: Baubeginn auf dem Limburger Domberg mit dem „Diözesanen Zentrum Sankt Nikolaus“.
2012: Der Bischof und sein Generalvikar reisen nach Indien. Im Anschluss den Besuch der Slums dort entbrennt ein Streit über einen vermeintlichen Erste-Klasse-Flug der beiden. Der Bischof leugnet gegenüber dem „Spiegel“ den Flug Erster Klasse. Als das Magazin ihn der Lüge bezichtigt, gibt Tebartz-van Elst eidesstattliche Versicherungen ab, in der er die Leugnung bestreitet.
29. Juni 2013: Einweihung des „Diözesanen Zentrums Sankt Nikolaus“, dessen Kosten nun mit rund 10 Millionen Euro beziffert werden. Als Gründe für die Steigerung von 4,5 Millionen Euro werden strenge Auflagen des Denkmalschutzes genannt.
31. August: In einem Schreiben an die Katholiken seines Bistums bittet Tebartz-van Elst um Vertrauen und räumt indirekt Fehler ein. Er verspricht Aufklärung zum Bau des Diözesanen Zentrums.
1. September: Laut einem Bericht des „Spiegel“ belaufen sich die Baukosten inzwischen auf 15 bis 20 Millionen Euro. Der Sprecher des Bischofs begründet dies vor allem mit den Anforderungen des Denkmalschutzes.
9. September: Der Vatikan greift ein. Im Auftrag von Papst Franziskus soll sich Kurienkardinal Giovanni Lajolo (78) vor Ort ein Bild machen. Kardinal Marc Ouellet bezeichnet diese Visite als „brüderlichen Besuch“, der Mainzer Kardinal Lehmann nennt sie „ein Alarmzeichen“
14. September: In einer gemeinsamen Erklärung des Bischofs und des Domkapitels wird angekündigt, dass eine Sonderkommission der Deutschen Bischofskonferenz die Finanzierung des Diözesanen Zentrums und des bischöflichen Hauses überprüfen soll. Tebartz-van Elst habe eine solche Sonderprüfung erbeten, deren Ergebnis anschließend veröffentlicht werde.
7. Oktober: Die Bau- und Sanierungskosten des Diözesanen Zentrums fallen weit höher aus als bisher auch von Kritikern angenommen. Sie belaufen sich auf rund 31 Millionen Euro, wie das Bistum nach einer Sitzung des Vermögensverwaltungsrats des Bischöflichen Stuhls mitteilt.
9. Oktober: Jochen Riebel, einer von drei Mitgliedern des bischöflichen Vermögensverwaltungsrats, wirft dem Bischof vor, das Gremium belogen zu haben. „Entweder ist er ein schlimmer, gefährlicher Lügner oder er ist ein kranker Mann.“ Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht dagegen auch die Räte in der Verantwortung.
10. Oktober: Die Staatsanwaltschaft Hamburg teilt mit, am 25. September 2013 einen Strafbefehl gegen Franz-Peter Tebartz-van Elst beantragt zu haben. Es geht um die Aussagen des Bischofs über seinen Flug nach Indien, in dessen Zusammenhang ihm in zwei Fällen falsche eidesstattliche Erklärungen vorgeworfen werden.
11. Oktober: Bei der Staatsanwaltschaft Limburg sind zehn Strafanzeigen gegen Tebartz-van Elst eingegangen wegen Veruntreuung von Kirchengeldern.
13. Oktober: Bischof Tebartz-van Elst ist überraschend zu Gesprächen in Rom eingetroffen - Flug übrigens mit Billigflieger Ryanair.
14. Oktober: Auch Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, ist im Vatikan und es beginnen die Gespräche, wie es im Bistum Limburg und seinem Bischof weitergehen soll.
Innerhalb weniger Tage haben mehr als 80 Katholiken wegen der Krise im Bistum ihren Kirchenaustritt erklärt, wie das Amtsgericht Limburg mitteilt. Interessanterweise treten derzeit auch auffallend viele evangelische Christen aus. EMB
Das „Diözesane Zentrum Sankt Nikolaus“.Foto: Wikipedia/Cirdan
