Nürburgring-Prozess
Ministerpräsident Beck und sein gesamtes Kabinett von 2009 soll nun doch aussagen
Nürburgring. Im Prozess um die gescheiterte Nürburgring-Finanzierung sollen Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und sein gesamtes Kabinett von 2009 nun doch öffentlich als Zeugen vernommen werden. Richter Winfried Hetger kündigte an, Landesregierung und Landtagsverwaltung um eine entsprechende Genehmigung zu bitten. Damit folgt das Gericht dem Antrag der Verteidigung. Die Entscheidung, ob Beck und die übrigen Kabinettsmitglieder tatsächlich öffentlich aussagen müssen, falle frühestens in dieser Woche. Dann nämlich tagt turnusgemäß der Ministerrat, der einer Vernehmung zustimmen muss. Sofern es sich um Mitglieder der Landesregierung handelt, die gleichzeitig auch Landtagsabgeordnete sind, muss auch das Parlament seine Zustimmung erteilen. Die nächste Gelegenheit, darüber zu entscheiden, bietet sich am 12. und 13. Dezember.
Neben Beck betrifft dies dessen designierte Nachfolgerin, Sozialministerin Malu Dreyer, den damaligen Wirtschaftsminister und jetzigen Fraktionschef Hendrik Hering, Bildungsministerin Doris Ahnen sowie die damalige Umwelt- und aktuelle Europaministerin Margit Conrad (alle SPD). Ursprünglich war vorgesehen, die Vernehmungen nichtöffentlich vor dem Mainzer Amtsgericht vorzunehmen und in Koblenz anschließend die Protokolle zu verlesen.
Diese Möglichkeit sieht die Strafprozessordnung für Mitglieder von Parlament und Landesregierung vor. Davon ausgenommen sein sollten demnach nur die damaligen Innen- beziehungsweise Justizminister, Karl Peter Bruch und Heinz Georg Bamberger (beide SPD). Denn beide bekleiden mittlerweile kein Ministeramt mehr und sind auch nicht mehr Mitglied des Landtages. Als Zeugen bereits aussagen sollen, hätten auch die früheren Finanzvermittler Michael Merten und Normann Böhm von der Firmengruppe IPC/Pinebeck. Beide haben allerdings von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, da sie sich mit einer Aussage selbst belasten könnten.
Merten und Böhm haben 2009 bei der gescheiterten Suche nach einem privaten Investor für den Ausbau des Rings eine zentrale Rolle gespielt, indem sie seinerzeit den umstrittenen Schweizer Geschäftsmann Urs Barandun ins Spiel gebracht haben. An IPC/Pinebeck hatte die Nürburgring GmbH damals auch Provisionen überwiesen, um die es unter anderem in dem laufenden Untreue-Prozess geht. Der damalige Innenminister Bruch hatte nach Aussage eines LKA-Beamten 2008 das Landeskriminalamt beauftragt, die Firmengruppe zu überprüfen.
Ebenfalls von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat Kai Richter. Denn auch der Gesellschafter der Nürburgring Automotive GmbH (NAG) hatte es abgelehnt, vor Gericht als Zeuge aufzutreten, da er sich mit einer Aussage selbst belasten könnte. Gegen Richter ermittelt die Staatsanwaltschaft in einem gesonderten Verfahren. Es besteht der Verdacht, dass er sich im Zusammenhang mit der Verwendung von Geld für den Bau des Erlebnisparks Nürburgring der Untreue schuldig gemacht haben könnte.
Derweil hat im aktuellen Untreue-Prozess der ehemalige Controller der Nürburgring GmbH, Michael Nuß, den Aussagen von Ex-Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) widersprochen. Das damalige Kabinettsmitglied, das sich ebenso wie der ehemalige Ringchef Walter Kafitz, dessen Finanzchef Hans-Jürgen Lippelt und drei weiteren Managern als Hauptangeklagte dem Verfahren stellen muss, hatte erklärt, nie aktiv in das Geschäft der Nürburgring GmbH eingegriffen zu haben. Nuß dagegen hat vor Gericht behauptet, Deubel habe ihn angewiesen, eine der umstrittenen Provisionen in Höhe von 175.000 Euro an die Finanzvermittler auszuzahlen.
Deubel hat sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen
In einer mehr als zehnstündigen Stellungnahme, die sich über insgesamt drei Prozesstage erstreckt hat, hat Deubel sämtliche Vorwürfe vehement zurückgewiesen. So stellte er abschließend fest, alle zehn Anklagepunkte widerlegt und damit seine Unschuld untermauert zu haben.
Die Vorwürfe Untreue und Falschaussage seien wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. So hat er etwa die Finanzspritzen der landeseigenen Investitions- und Strukturbank ISB für den Nürburgring gerechtfertigt. Dabei habe es sich stets um eine Zwischenfinanzierung gehandelt.
Die Landesregierung habe einen Baustopp unbedingt vermeiden wollen. Der Landtag sei darüber informiert gewesen. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass Ministerpräsident Kurt Beck das Projekt jederzeit hätte stoppen können. Dafür habe es jedoch keinen Anlass gegeben. Gescheitert sei die Privatfinanzierung nur, weil sich der beauftragte Schweizer Finanzvermittler Urs Barandun als kriminell erwiesen habe. Und schließlich warf Deubel der Staatsanwaltschaft vor, sich fast ausschließlich auf Aussagen des ebenfalls angeklagten Controllers Michael Nuß zu stützen. Dessen Darstellung sei jedoch überwiegend falsch und unlogisch. Im Übrigen haben die Anwälte der beiden Manager der landeseigenen Investitions- und Strukturbank (ISB) Hans-Joachim Metternich und Roland Wagner beantragt, das Verfahren gegen die beiden abzutrennen, da sie lediglich von einem der insgesamt zehn Anklagepunkte betroffen seien.
Neues vom Nürburgring
Aber auch abseits des Prozesses sind beinahe täglich neue Verlautbarungen in Sachen Nürburgring zu registrieren. So ließen die Ringpächter in der vergangenen Woche über einen Sprecher verbreiten, dass die Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter der Nürburgring GmbH über einen vorzeitigen Abzug gescheitert seien.
Damit seien auch Großereignisse wie etwa das Musikfestival „Rock am Ring“ oder das 24-Stunden-Rennen akut „gefährdet“. Dass die Formel 1 im kommenden Jahr auf dem Nürburgring Station machen wird, hat der Sprecher der Nürburgring Automotive GmbH (NAG) gar „definitiv ausgeschlossen“. Jörg Lindner selbst hat als „Folge einer Nicht-Einigung mit der Nürburgring GmbH“ gar eine mögliche Insolvenz der Automotive GmbH ins Spiel gebracht. „Natürlich ist die Automotive - eine Gesellschaft, die mit großem Erfolg drei Jahre den Nürburgring bewirtschaft hat, dann in ihrem Bestand gefährdet. Die Insolvenz ist eine Möglichkeit“, erklärte der NAG-Geschäftsführer.
Sowohl Konzertveranstalter Marek Lieberberg als auch der ADAC haben jedoch die Darstellung der NAG bereits zurückgewiesen.
So teilte Lieberberg mit, dass die Vorbereitungen planmäßig liefen und das Kult-Festival vom 7. bis 9. Juni 2013 stattfinden werde. ADAC-Vertreter Henning Meyersrenken bestätigte ebenfalls, dass der Truck-Grand-Prix und das 24-Stunden-Rennen im kommenden Jahr auf dem Nürburgring ausgetragen würden - „egal ob unter der Ägide der NAG oder der Nürburgring GmbH“. Und auch der Sachwalter der insolventen Nürburgring GmbH, Jens Lieser, hat den Äußerungen der Pächter widersprochen. So hätten die Pächter die Gespräche „lediglich über die Medien“ für beendet erklärt. Vielmehr, so Lieser, hoffe man, dass die Gespräche kurzfristig wieder aufgenommen würden. Und zum Thema Formel 1 meinte Lieser: „Wir haben immer gesagt, dass wir der NAG den Vortritt lassen. Wenn die Pächter jetzt erklären, dass die Gespräche für die Formel 1 von ihrer Seite gescheitert sind, werden wir mit Herrn Ecclestone sofort Verhandlungen aufnehmen.“ LÜ
