Der neue Pontifex stellt sich in die Tradtion des heiligen Franz von Assisi
Nomen est Omen
Mittwochabend, kurz nach den 19-Uhr-Nachrichten. Fußball-Deutschland sitzt vor den Fernsehern, Bier und Chips in Reichweite. Da läuten gegen 19.15 Uhr plötzlich allerorts die Kirchenglocken. Ein viertelstündiges, festliches Ge läut ist es. Und der Fußball wird erstmal zur Nebensache. Denn in Rom zeigt sich weißer Rauch über der Sixtina und die römisch-katholische Kirche hat einen neuen Pontifex: Papst Franziskus.
Vatikanstadt. Als der Eisenbahnarbeiter Mario Bergoglio und seine Frau Regina ihre Kisten packten und von Italien nach Argentinien auswanderten, dachten sie wohl kaum daran, dass ihr Sohn einmal als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und Hirte über 1,2 Milliarden Katholiken in ihre italienische Heimat zurückkehren wird. Seit Mittwochabend ist Jorge Mario Bergoglio das aber. Und er nennt sich Franziskus, Papst Franziskus. Die Nummerierung entfällt bzw. wird erst beim zweiten Namensträger eingesetzt. Wo es nur einen Franziskus gibt, bedarf es auch keiner Unterscheidung.
Dass die neuen Päpste ihren Taufnamen, also weltlichen Namen ablegen, hat eine lange Tradition. Die erste, historisch belegbare Namensänderung erfolgte im Jahr 533, als Mercurius neuer Papst wurde. Da er aber nicht den Namen einer heidnischen Gottheit tragen wollte, nannte er sich Johannes II. Dies wiederholte sich in der Folgezeit immer wieder, wenn ein Papst mit Namen einer heidnischen Gottheit oder eines ungläubigen Kaisers gewählt wurde. Einen guten Grund, seinen Namen zu ändern, sah auch Petrus Canepanova im Jahr 983. Er nannte sich Johannes XIV., weil er einen zweiten „Papst Petrus“ nach dem ersten Papst überhaupt, dem Apostel Petrus, vermeiden wollte. All seine Namensvetter taten es ihm gleich und jeder „Peter“, der seither zum Papst gewählt wurde, änderte seinen Namen aus eben diesem Grund.
Deutsche Wurzeln
996 dann wurde der erste Deutsche zum Papst gewählt, Bruno von Kärnten. Seinen germanischen Vornamen fand er in der päpstlichen Tradition aber fremd, obwohl germanische Vornamen um die Jahrtausendwende auch außerhalb der germanischen Länder schon weit verbreitet waren. Und so wurde Bruno zu Gregor V. und begründete damit die bis heute bestehende Tradition der Namensänderung. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten zur Namenswahl eines Papstes: Er kann seinen Taufnamen latinisieren (z. B. Jorge = Georgius, Joseph = Josephus, Karol = Carolus), den Namen eines Vorgängers zu wählen (z. B. Karol Józef Wojtlya = Johannes Paul II.) oder eben den eines Heiligen. Das tat Jorge Mario Kardinal Bergoglio, der sich für den heiligen Franz von Assisi entschied (1181/1182-3. Oktober 1226) und sich fortan Papst Franziskus nennen wird. Ein Name, der viele Gläubige auf Anhieb elektrisierte und spontan Sympathien für den neuen Kirchenführer erntete, als dieser auf den Balkon vor dem Petersplatz trat. Verwunderlich, eigentlich, dass die Katholische Kirche gut 800 Jahre auf einen Pontifex mit dem Namen des Heiligen aus Assisi warten musste und erst 266. Papst der Kirchengeschichte auf ihn zurückgriff.
Der Papst der Premieren
Und das ist nicht die einzige Premiere, mit der der - nun ehemalige - Erzbischof von Buenos Aires seinen Dienst in Rom beginnt. Er ist der erste Lateinamerikaner auf dem Heiligen Stuhl und nach über 1.200 Jahren auch der erste Nicht-Europäer. Und er ist Ordensmann und der erste Jesuit überhaupt, der jemals zum Papst gewählt worden ist.
Doch trotz seiner jesuitischen Ausbildung - die nicht nur zwölf Jahre lang dauert und für einen Glauben in großer Nähe zum Leben Jesu steht, sondern die auch als intellektuell brillant gilt -, trotz dieser intensiven Ausbildung hat Papst Franziskus seine Bodenständigkeit nie eingebüßt und gilt in seiner argentinischen Heimat als „Anwalt der Armen“. Dem Heiligen Vater gelang mit seiner Namensgebung aber nicht nur die demonstrierte Nähe zum heiligen Franziskus, sondern er ist gleichsam auch ein Brückenschlag zum Mitbegründer des Jesuitenordens - zu Francisco de Xavier (7. April 1506-3. Dezember 1552), der in der Römisch-Katholischen Kirche Schutzpatron von Indien, Patron aller Missionare und Missionen sowie der Seereisenden ist und zum Schutz gegen Sturm und Pest sowie als Beistand für eine gute Sterbestunde angerufen wird. Mit der Wahl seines Namens hat Jorge Mario Kardinal Bergoglio gleichsam auch die Erwartungen der Öffentlichkeit an seine Person und seine Amtsgestaltung hochgeschraubt, steht der heilige Franz von Assisi doch wie kaum ein anderer für einen tiefen Glauben in Armut, Demut und Bescheidenheit - nicht unbedingt Attribute, die Kritiker mit dem Vatikan in Verbindung bringen. Nun liegt es in der Hand Papst Franziskus‘, sie eines Besseren zu überzeugen. Wir wünschen ihm dabei viel Glück und Gottes Segen.
EMB
Hl. Franz: Der heilige Franz von Assisi steht wie kaum ein anderer für einen tiefen Glauben in Armut, Demut und Bescheidenheit. Foto: wikipedia/Paulae
Franz Xaver: Francisco de Xavier ist Mitbegründer des Jesuitenordens, der theologischen Heimat des neuen Papstes. Foto: wikipedia/Wolfgang Sauber
