Pferdekuss aus der Dose
Fleischskandal um falsch ausgezeichnete Lebensmittel zieht sich durch ganz Europa
Brüssel. Rindergulasch, Ravioli und Spaghetti Bolognese - wer sich da auf ein schnelles Häppchen freute, dem könnte der Appetit mittlerweile gründlich vergangen sein. Denn in einigen dieser Fertig-Gerichte wurde nachgewiesen, was nicht drauf stand: Pferdefleisch.
Nun ist Pferdefleisch aber nicht unbedingt das Schlechteste, was man in den Magen bekommen kann und nachgewiesenermaßen gehört es zu den ältesten Nahrungsmitteln der Menschheit. Vielen gilt es noch heute als Delikatesse und in Deutschland wird Pferdefleisch in rund 100 Rossschlachtereien angeboten. Und wer schon einmal original Rheinischen Sauerbraten auf der Speisekarte stehen hatte, der kennt die Vorzüge dieses fettarmen, leicht säuerlichen und dunkelroten Fleisches gut.Gegessen wird es weltweit, aber in ganz unterschiedlichen Anteilen. Die jüdischen Speisegesetze verbieten den Verzehr von Pferdefleisch gänzlich, im Islam ist es dagegen zwar nicht verboten, wird aber dennoch weitgehend gemieden. In Ländern wie Frankreich, Belgien, Kanada, USA oder der Schweiz ist der Genuss von Pferdefleisch gängiger als beispielsweise in Portugal oder eben bei uns. Europaweit liegt Italien mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 900 Gramm vorne. Deutschland hat dagegen mit 50 Gramm jährlich den geringsten Konsum.
Umstrittenes Nahrungsmittel
Pferdefleisch war immer wieder und ist es noch heute: ein kontroverses Lebensmittel. Im Mittelalter lag es unter dem päpstlichen Bann, dann war es als „Arme-Leute-Essen“ verschrien und heute sind es vor allem emotionale Vorbehalte, die viele Menschen davon abhalten, zu Pferdefleisch zu greifen.
Einen Aufschwung bekam das Fleisch des hohen Vierbeiners durch die BSE-Krise und Ernährungsexperten heben seine diätetischen Vorzüge hervor. Für Kritiker dürfte auch interessant sein, das sogar Pferdeschützer darauf hinweisen, dass das Einschläfern alter oder verletzter Pferde schmerzhafter für das Tier sein kann, als eine Schlachtung.
Unumstritten problematisch wird es, wenn Pferde - wie andere Tiere auch, die als Nahrungsmittel dienen - Medikamente verabreicht bekommen, die nicht für den Verzehr geeignet sind. Um dies zu vermeiden, hat die EU den so genannten Equidenpass eingeführt, ein Dokument, das unter anderem bei jedem Transport und bei der Schlachtung lückenlose Auskunft über alle erfolgten medizinischen Behandlungen des Tieres gibt. Dadurch soll mehr Transparenz für den Verbraucher und eine leichtere Kontrolle bei eventuellen Tierseuchen gewährleistet werden. Und eine Schlachtung von Pferden, die diesen Equidenpass nicht führen, ist in Deutschland schlichtweg verboten.
Transport-Odyssee
Ist die Transport-Odyssee von Fleisch durch halb Europa schon unappetitlich genug, weil es bei vielen von uns Erinnerungen an den Gammelfleisch-Skandal wachrief, so setze die Tatsache, dass es sich um Pferdefleisch handelte, dass aber als Rind an den Mann gebracht werden sollte, noch einen drauf. Den traurigen Höhepunkt aber erreichte diese vorsätzliche Verbrauchertäuschung, als klar wurde, dass die Pferdefleisch-Funde in Rindfleischprodukten der Kühltheken unserer Supermärkte eine ganz konkrete Gesundheitsgefährdung für uns bereithalten, da eine eventuelle medikamentöse Behandlung der Tiere aufgrund nicht oder nicht mehr vorhandener Equidenpässe nicht nachvollzogen werden kann.Ob dieser Lebensmittelkrimi nun zu Ende ist und die Verbraucher wieder bedenkenlos zu Rindfleisch-Produkten greifen können, wagt zurzeit niemand sicher zu beantworten. Derzeit laufen die Untersuchungen noch auf Hochtouren.
EMB
Die emotionale Bindung des Menschen zum Tier macht das Pferd als Fleischlieferant problematisch. Foto: Elisa Al Rashid/pixelio.de
Von manchen geschätzt, bei vielen verpönt: Pferdefleisch als Nahrungsmittel. Foto: Bernd Kasper/pixelio.de
