August-Fortbildung führte die Ahrtal-Gästeführer nach Niederzissen
Besuch einer ehemaligen Synagoge
Niederzissen. Der Vorsitzende des Kultur- und Heimatvereins Niederzissen e.V. Richard Keuler freute sich, die Ahrtal-Gästeführer in der Erinnerungs- und Begegnungsstätte in Niederzissen begrüßen zu dürfen. Zu Beginn stellte Richard Keuler den Kultur- und Heimatverein vor, der 2007 mit dem Ziel gegründet wurde, sich für die Kultur- und Heimatpflege einzusetzen, eine historische Getreidemühle zu restaurieren und ein Heimatmuseum zu errichten. Dabei stand von Anfang an auch die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte in Niederzissen mit dem jüdischen Friedhof und der ehemaligen Synagoge im Mittelpunkt der Aktivitäten. In Niederzissen waren Juden jahrhundertelang Mitglieder der Dorfgemeinschaft. Erste Hinweise dazu soll es in einem verschollenen Memorbuch aus dem Jahr 1250 geben. Gesichert ist das Bestehen einer jüdischen Gemeinde im Jahr 1510 durch Mahnbriefe des Reichskammergerichtes, die auch den Juden in Zissen zur Erhebung einer Sondersteuer von zwei Gulden zugestellt wurden. Der Bau der Synagoge begann 1838 auf einem ehemaligen bäuerlichen Anwesen. Mit der Einweihung 1841 verfügte die Gemeinde mit der ersten Synagoge im Kreis Ahrweiler über ein ansehnliches Gottes- und Versammlungshaus. Weniger als 100 Jahre später wurde auch die Synagoge in Niederzissen in der Reichspogromnacht verwüstet und entweiht. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde das Gebäude als Schmiede und Werkstatt für Traktoren und Landmaschinen genutzt. Richard Keuler zeigte den Gästeführern Bilder, die den erbärmlichen Zustand des Gebäudes am Ende der Zeit als Werkstatt belegen. Nach Überwindung vieler Zweifel und Widerstände beschloss der Gemeinderat Niederzissen am 9. November 2009, die ehemalige Synagoge zu erwerben und dort mit Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz die Erinnerungs- und Begegnungsstätte zu errichten, die nach umfangreichen Bauarbeiten schließlich am 18. März 2012 feierlich eröffnet wurde. Richard Keuler berichtete von den vielfältigen Aktivitäten und vom großen Engagement der Vereinsmitglieder, von der Aufarbeitung der Funde in der Genisa (Depot zur Aufbewahrung verbrauchter jüdischer liturgischer Schriften), die auf dem Dachboden nahezu unversehrt entdeckt wurden, von Buchveröffentlichungen sowie von zahlreichen Veranstaltungen und vor allem von Treffen ehemaliger jüdischer Bewohner beziehungsweise deren Nachfahren. Dabei hob er besonders die Verdienste von Vorstandsmitglied Brunhilde Stürmer hervor, die seit über 40 Jahren mit unermüdlichem Einsatz die jüdische Geschichte Niederzissens erforscht.
Ein Höhepunkt ihrer Arbeit ist das mit der Koautorin Brigitte Decker verfasste und vom Verein herausgegebene Buch „Ein langer Weg – Die Geschichte der jüdischen Familien der Synagogengemeinde Niederzissen im Brohltal“. Der Besuch der ehemaligen Synagoge endete mit einem Rundgang durch das Jüdische Museum. Der Verein hatte sich gemeinsam mit dem ihn unterstützenden Förderverein bewusst dafür entschieden, keine reine Gedenkstätte, sondern eine Erinnerungs- und Begegnungsstätte als Lernort für Geschichte zu erschaffen, die unter dem Titel „Tagein tagaus“ den jüdischen Alltag in all seinen Facetten modern und anschaulich beleuchtet. Die Ahrtal-Gästeführer erhielten während der Veranstaltung, auch anhand zahlreicher Einzelschicksale, einen umfassenden Einblick in das einstige und heutige jüdische Leben.