Allgemeine Berichte | 13.07.2018

In Sinzig waren vor 1900 nur die Mühlenbachstraße und die heutige Koblenzer Straße zeitgemäß ausgebaut

Bürger waren Straßenbauer

von Hans Josef Moeren

Die Mühlenbachstraße war als Teil der Rheintalstraße schon um 1920 gepflastert und mit einer Regenrinne versehen.Flück

Sinzig. Straßen in einem schlechten baulichen Zustand sind auch heute keine Seltenheit. Wer über die Barbarossastraße fährt, hat hierzu schon ein Beispiel. Wenn man einmal zurückblickt auf die Straßenverhältnisse Mitte des 19. Jahrhunderts, dann entsprachen die Straßen hier in Sinzig wie in vielen Gemeinden im Kreis teilweise schon nicht den damaligen Anforderungen.

Zerfahren, aufgeweicht, unbefestigt und manchmal nicht passierbar, so lässt sich der Zustand der „Straßen“ vor 1900 allgemein beschreiben, als noch nicht Autos, Motorräder und Fahrräder das alltägliche Bild der Straßen bestimmten, sondern Pferdekarren, Ochsengespanne und sonstige Fuhrwerke und Kutschen sowie Postkutschen auf der Wegefläche ihre Spuren hinterließen. Aber auch Kühe und vereinzelt Hunde waren als Zugtiere zu sehen. Es war auch die Zeit, als Peitschenknallen noch als Lärmbelästigung empfunden wurde und Fußgänger sich auf den Straßen noch ohne Gefahr für ihr Leben bewegen konnten und Kindern die Straße als Spielplatz gefahrlos zur Verfügung stand.

Nur zwei zeitgemäß ausgebaute Straßen

Zeitgemäß ausgebaut waren damals hier in Sinzig nur die Mühlenbachstraße und die heutige Koblenzer Straße, und das nur deshalb, weil beide Straßen Teil der Rheintalstraße waren, die von der preußischen Regierung von 1814 bis 1822 als Staatsstraße von Köln bis Mainz ausgebaut worden war und zwar als sogenannte „Kunststraße“, das heißt, gepflastert und mit Ausweichmöglichkeiten (24 bis 30 Fuß Breite, also acht bis zehn Meter) versehen 1), sodass sich Fuhrwerke begegnen konnten. Zuvor waren die Straßen teilweise so schmal, dass die Pferde vor Kutschen hintereinander gespannt werden mussten, jetzt konnten sie auf der Rheintalstraße zweispännig, teilweise auch vierspännig fahren.

Die übrigen Straßen in Sinzig hatten wie die meisten gemeindlichen Straßen im Kreis diesen Standard nicht. Deshalb wurde der Ausbauzustand der Gemeindestraßen im Kreis Ahrweiler um 1860 allgemein wie folgt beschrieben: „Die Hauptstraßen der Dörfer sind zuweilen gepflastert, in der Regel jedoch macadamisirt und mit gepflasterten Seitenrinnen versehen. Die Nebenstraßen sind noch vielfach gleich Feldwegen in einem mangelhaften Zustand. Das Pflaster der Nebenstraßen in den Städten lässt mit einiger Ausnahme von Remagen noch Vieles zu wünschen übrig. 2)

Straßenbau im Hand- und Spanndienst

Dieser allgemein anzutreffende schlechte Zustand gemeindlicher Straßen ist nicht verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass der Bau und die Unterhaltung der Straßen zu jener Zeit in Form von Hand- und Spanndiensten der Bürger geleistet wurden.

Das bedeutete, dass im Rahmen einer Dienstpflicht jeder Bürger mit seinen eigenen Händen Arbeiten für die Gemeinde zu erfüllen hatte. Beim Spanndienst hatte der Dienstpflichtige Zugvieh und Geschirr zu stellen. Dieser Hand- und Spanndienst galt auch für den Ausbau und die Unterhaltung der Kreisstraßen.

Für die leistungspflichtigen Bürger hatte dies zur Folge, dass sie während der Zeit des Hand- und Spanndienstes ihre Kräfte und ihre Zugtiere nicht für ihre eigenen Zwecke, das heißt, die Bearbeitung der eigenen Gärten, Felder und Äcker, einsetzen konnten. Dann galt unausgesprochen: „Mein Wohl geht vor Allgemeinwohl.“

Die Schwierigkeiten beim Hand- und Spanndienst sind in einem Bericht des Landrats über den Kreiswegebau an die preußische Regierung aus dem Jahr 1849 wie folgt beschrieben: „Um über den Kreiswegebau ein richtiges Urteil fällen zu können muß man alle örtlichen Verhältnisse genau ins Auge fassen welche dabei von Einfluß sind. Im hiesigen Kreis hat der Wegebau von jeher im Fron- oder Bürgerdienst bestanden, woraus von selbst folgt, dass dazu nur diejenigen Zeiten im Jahr benutzt werden können, wo es die Geschäfte des Landmannes oder Winzers erlauben.

Diese Zeiten sind aber bekanntlich sehr beschränkt, und werden es noch mehr, wenn ungünstige Witterung eintritt. Im Winter, wo es allerdings weder dem Ackerer noch dem Winzer an Zeit fehlt, kann aus technischen Gründen im Wegebau wenig geschehen; alle Wegearbeiten, die zur Winterzeit gemacht werden, sind erfahrungsgemäß fast überall von gar keinem Nutzen gewesen.

Um die Wege allenthalben in ganz guten Zustand zu setzen, würde es unbedingt nötig sein, dass die Arbeiten immer zu günstiger Zeit und gegen Löhnung geleistet werden; die Gemeinderäte sind aber nicht dazu zu bewegen, die dazu nötigen Geldmittel zu bewilligen. So lange es an diesen Mitteln fehlt und nur Frondienste geleistet werden, wird und muß der Wegebau sehr viel zu Wünschen übrig lassen.“ 3)

Bis ins 20. Jahrhundert hinein war nicht nur der Straßenbau weitgehend Handarbeit, sondern auch das Material wurde in den Steinbrüchen so gewonnen und per Hand auf Transportfahrzeuge verladen.

Problematische Materialbeschaffung

Ein großes Problem des Straßenbaus in der vorindustriellen Zeit stellte die Materialbeschaffung dar. Da es noch keine Möglichkeiten gab, große Mengen an Baustoffen schnell und billig über lange Strecken zu transportieren, griff man zwangsläufig auf Material zurück, das in der betreffenden Region und in der Nähe der Straßentrasse vorhanden war. Deshalb stellte die Verwendung eines bestimmten Materials immer einen Kompromiss zwischen dessen Eignung zum Straßenbau und den Transportkosten sowie den Transportmöglichkeiten dar.

Für den Transport standen meist nur Pferde- und Ochsenkarren zur Verfügung. Im Jahre 1858 gab es in Sinzig 51 Pferde und 556 Stück Rindvieh, worunter auch die Ochsen erfasst waren. 4)

Wenn auch nicht alle Pferde sich als Zugpferde geeignet haben, so dürfte doch in Sinzig bei Pferden und Ochsen eine ausreichende Anzahl von Zugtieren für den Straßenbau vorhanden gewesen sein. An Einwohnern haben zu dieser Zeit rund 1.800 Personen in Sinzig gelebt.

Ausbaustandard der übrigen Straßen

Für den Bau der Kreis- und Gemeindestraßen gab es keine besonderen allgemein verbindlichen Bauvorschriften hinsichtlich Materials und Dicke des Unterbaus und der Deckschicht. Die Beschüttung hatte meist nur eine Dicke von zehn Zentimetern.

Von der Stadt Sinzig wurde für den Straßenbau, wie damals allgemein üblich, hauptsächlich Basalt und Kies verwendet. Der Basalt wurde zeitweise auch auf dem Gräflich von Spee’schen Grundbesitz am Vehnerkopf und aus dem Gräflich von Spee’schen Basaltbruch am „Hombüchler Köpfgen“ gewonnen, der Kies aus einer städtischen Grube abgebaut. Einen Antrag der Gemeinde Koisdorf auf Entnahme von Kies aus der städtischen Grube lehnten die städtischen Ratsmitglieder 1883 ab mit Hinweis „auf den eigenen großen Bedarf“.

Unterhaltung von Straßen und Wegen

Bei der Art und Form der Herstellung der Orts- und Kreisstraßen ist die frühzeitige Reparatur der Straßen nicht verwunderlich, da schwere Wagenräder verschiedener Spurbreiten, Pferde- und Ochsenhufe in den nur ungenügend befestigten Straßen ihre Spuren hinterließen, sodass die Straßenfläche bei Regen teilweise in Schlammflächen verwandelt wurde. Da die Straßenreparaturen meist durch Aufschüttungen erfolgten, kam es dadurch nicht selten zu sichtbaren Aufhöhungen von Straßen und Wegen.

Ganz schlimm muss zeitweise der Zustand des Kalkturmwegen (heute Kalkturmstraße) und der Milchgasse gewesen sein, sodass der Bürgermeister in der Stadtverordneten-Versammlung am 9. Dezember 1885 berichtet hat über die „im sicherheitspolizeilichen Interesse erfolgte Absperrung des Kalkturmwegen und der Milchgasse für fremde Fuhrwerke“.

Der Stadtrat war sich aber seiner Verantwortung für die Verkehrstauglichkeit der städtischen Straßen bewusst, denn er hatte zeitweise einen Polizeiagenten mit Namen Frebel beauftragt, den Zustand der Straßen zu kontrollieren. Dafür erhielt er ein Wegeaufsichtsgeld, das ab 1884 auf 36 Mark festgesetzt wurde unter der Bedingung, „dass derselbe die Wegestrecken in seinen freien Stunden fleißig begeht und sich die Beaufsichtigung der Instandhaltung jener angelegen sein lässt“.

Das Kraftfahrzeug erfordert einen anderen Straßenbau

Mit dem Zunehmen des Verkehrs (insbesondere mit Aufkommen des Kraftfahrzeuges) und der höheren Radlast stiegen auch die Ansprüche an die Straßenbefestigungen. Besonders problematisch war aber auch die Staubentwicklung. Das bedingte einen besseren und planmäßigen Ausbau der Straße, der sich jedoch zunächst nur langsam vollzog. So war zum Beispiel die Schlossstraße 1912 noch ungepflastert, lediglich die Rinnen an beiden Straßenseiten waren gepflastert. 5)

Wenn auch heute die Straßen ganz anders ausgebaut sind, so sind die Klagen über den Zustand mancher Straßen geblieben. In dieser Beziehung hat sich gegenüber früher nichts geändert, nur werden die Schäden heute mit großem Aufwand allgemein schneller behoben.

Literatur:

Kleinpass, Hans „Sinzig von 1815 bis zur Gebietsreform 1969“ in „Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute“ hrsg. von Jürgen Haffke und Bernhard Koll, Sinzig, 1983, S. 157-329

Anmerkung:

1) Chaussee. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und

Vergangenheit. 4. Auflage. Band 3. Altenburg 1857, S. 888–890

2) Statistik Kreis Ahrweiler 1863, S. 48

3) Kreisarchivar Studienrat Federle „Kreiswegebau einst und jetzt“ Heimatjahrbuch 1936 des Kreises Ahrweiler, S.

147

4) Rheinischer Städteatlas – Sinzig – Herausgeber Landschaftsverband Rheinland, Amt für rheinische Landeskunde,

Bonn, 1994

5) siehe Bernhard Koll, Heinz Schmalz, Dr. Karl August Seel „ Sinzig in alten Ansichten“, Bild 35

Die Mühlenbachstraße war als Teil der Rheintalstraße schon um 1920 gepflastert und mit einer Regenrinne versehen.Foto: Flück

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