„Wegweiserinnen“ prägen 2022 die Ausstellungen im Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Das Museumsjahr wird weiblich
Rolandseck. Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck stellt 2022 vier Künstlerinnen in den Mittelpunkt seiner Ausstellungen. „Wegweiserinnen“ ist daher das aktuelle Ausstellungsjahr benannt. Eine von Ihnen, Bettina Pousttchi aus Berlin, ist bereits seit Ende 2021 mit ihrer Präsentation „Fluidity“ eingezogen, die Skulpturen und Fotos von Straßenmobiliar wie Pfosten und Leitplanken zeigt (bis 12. Juni). Außerdem vervollständigt Pousttchis Arbeit „Marianne“ unterhalb der Unkelsteinbrücke in Oberwinter als 14. Werk auf 14 Rheinkilometern das Skulpturenufer Remagen.
Skulptur und Plastik bis 1900 sind noch bis 30. Januar in der Kunstkammer Rau unter dem Titel „In Form“ zu sehen und im Neubau die Schau „Corpus“ mit Skulpturen der Bildhauerin Stella Hamberg noch bis 27. Februar).
Nachdem Museumsdirektor Oliver Kornhoff im Dezember ins private Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden wechselte, besteht das Rolandsecker Museumsteam gänzlich aus Frauen mit Petra Spielmann, die einstweilen neben der kaufmännischen auch die künstlerische Leitung innehat, an der Spitze. Nicht diese weibliche Konstellation führte indes zum Motto Wegweiserinnen, wie Spielmann schmunzelnd erklärt. Das sei noch mit Kornhoff beschlossen worden. Doch der Schwerpunkt vergangener Ausstellungen lag überwiegend auf Künstlern männlichen Geschlechts. Und nicht zuletzt bei den Museumspatronen sei Sophie Taeuber Arp gegenüber Hans Arp in ihrer Bedeutung womöglich nicht so dargestellt worden, wie es ihrer Befähigung entspreche.
Ideenbaustelle
Womit man bei der den Museumspatronen gewidmeten Ausstellung „Unwesen und Treiben“ (3. April bis 16. Oktober) ist. Sie beschreitet den Weg zur neuen Dauerausstellung, die 2023 aufgebaut werden soll. Zwei Drittel der Museumsetage bespielt das Museumsteam. Doch die Kuratoren wollen sie nicht alleine planen. Studenten der KISD Köln International School of Design, Schüler vom Bonner Friedrich-Ebert-Gymnasium und Behinderte des Kölner NAK NAK Kunstlabor sollen dabei mitreden. Ebenso sind auf der „Ideenbaustelle“ die Besucher gefragt. „Wir machen das, damit wir nicht in unserem eigenen Dunstkreis herumschwimmen“, erklärt Spielmann.
Schon zuvor (20. Februar bis 4. September) steht die wichtige Malerin der klassischen Moderne Paula Modersohn-Becker (1876–1907) im Licht. Von ihr werden etwa lebensgroße Akte gezeigt. Als Wegweiserin beflügelt sie mit ihrem Menschenbild und Landschaften die Ausstellung „Das sind meine modernen Frauen. Tausche Monet gegen Modersohn-Becker“ in der Kunstkammer Rau. Modersohn-Becker war eine Vorreiterin unter den Künstlern ihrer Zeit. Sie reduzierte Form und Farbe, hat mit großer Klarheit und Konzentration das Thema Mensch behandelt und die Natur als Ratgeber gesehen, wie Kuratorin Dr. Susanne Blöcker betont. Von den gezeigten Leihgaben stammen 35 aus Bremen. Das Arp Museum erhielt sie von der Sammlung Rosalius der Museen Böttcherstraße im Gegenzug zu seiner Monet-Gabe aus der Sammlung Rau.
Eine Ausstellung mit den ungeheuer körperlichen Arbeiten der 1964 geborenen belgischen Bildhauerin Berlinde De Bruyckere startet am 3. Juli (bis 8. Januar 2023). Kuratorin Jutta Mattern beschreibt sie als „eine Mittlerin zwischen Trauer und Schmerz“. Das Publikum reagiert angesichts ihrer Darstellungen teils geschundener Tiere und Menschen fasziniert bis schockiert. Mattern: „Die Skulpturen gehen durch ihre Unmittelbarkeit unter die Haut“. Um menschliche Körper so lebensecht wie möglich zu gestalten, verwendet De Bruyckere gerne Wachs als Material. Die Künstlerin kooperiert mit dem Tänzer Romeu Runa, der in Rolandseck drei Performances vorführen wird.
Es wird tierisch
Nicht alles dreht sich um die Wegweiserinnen. Die zweite Präsentation aus der Sammlung Rau im Jahr, die am 18. September beginnt und bis 26. März 2023 läuft, heißt „Tierisch was los. Tiere und ihre Menschen“. Sammler Gustav Rau hat Tiere gemocht. „Deshalb lassen wir die Leinen los, schließen die Höfe auf“, sagt Blöcker. „Das ist eine Ausstellung für die ganze Familie“. Beleuchtet wird die Liebe zum Tier im Spiegel der Kunst seit dem alten Ägypten bis in die Neuzeit, von der Nutztierhaltung bis zum Schoßhündchen. Interessant: Die Entdeckung der Kindheit beim Menschen führte zum Blick auf die Individualität des Tieres.
Verabschieden muss man sich von den Ausstellungen im historischen Bahnhof. Der große mittlere Raum sowie der südliche und nördliche Kopfraum der Etage stehen für diese Nutzung nicht mehr zur Verfügung. Denn die klimatischen Bedingungen lassen es nicht zu. Gewonnen hat man dadurch allerdings reichlich Platz für das „arp labor“. Immer freitags zwischen 14 und 16 Uhr verwandelt sich das arp labor in einen Kreativraum für die Besucher. Es gibt Anregungen, große Tische, Materialien liegen bereit. Entweder begibt man sich eigenständig ans Werk oder probiert unter Anleitung künstlerische Techniken aus. (Kontakt, Info: 02228/9425-76). Es darf auch geschmökert und diskutiert werden in der offenen Werkstatt. Desgleichen wird die Kunstvermittlung die Räume für ihre Angebote mit Schulklassen und Kitakindern nutzen. Buchen können diese neben Kita und Schule auch Vereine oder Betriebe und Familien. Anmeldung und Beratung entweder per E-Mail unter anmeldung@arpmuseum.org oder telefonisch von Dienstag bis Donnerstag von 9 bis 12 Uhr unter 02228/9425-36. HG
