Am 17. Juli fährt der nächste Transport mit Hilfsgütern von Bad Hönningen in die Ukraine
Der „Rosinenbomber von Bad Hönningen“ braucht Spenden für die Ukraine
Bad Hönningen. Dass Franz Breitenbach anpacken und kochen kann, wird gleich deutlich: Aus der Küche seines Restaurants „Altes Stadtweingut“ kommt er zum Gespräch in den noch leeren Gastraum, wischt sich die Hände an der Kochschürze ab und sagt, dass mit Kochen eigentlich auch die Sache mit der Ukraine-Hilfe angefangen habe. Franz Breitenbach ist Vorsitzender des Vereins „Hilfe für Familien der Ukraine Bad Hönningen“. Als bei der Ahrflut ein Bekannter aus dem „Club der kochenden Männer“, dem er seit 30 Jahren mit rund einem Dutzend anderen angehört, um Hilfe bat, „war mir klar, dass ich mit über 70 nicht Schlamm schippen kann. Da habe ich eben zwei Mal die Woche für die Hilfskräfte vor Ort gekocht, immer knapp 90 Mahlzeiten“, berichtet er. Und später habe er sich dann gefragt, wo denn die ganzen Spendengelder geblieben seien, und ob die überhaupt bei denen, die es brauchen, ankämen.
Bisher acht Mal Ukraine und zurück
Als dann im Februar letzten Jahres Putin die Ukraine angriff, war ihm klar, den Ukrainern müsse nun schnell und vor allem direkt geholfen werden. Im April 2022 startete er den ersten Hilfsgüterkonvoi; organisierte Fahrzeuge, Helfer, Spendengüter, Fahrer. Zwei Fahrzeuge wollte er schicken, zwölf Transporter sind es geworden. Acht Touren hat er bisher organisiert, für eine Million Euro Hilfsgüter in die Ukraine gefahren und 400 Menschen aus dem Krisengebiet mit den leeren Fahrzeugen auf dem Rückweg ins sichere Deutschland gebracht. Und er zeigt mir Urkunden und Dankesschreiben aus der Ukraine.
Er und sein Team aus rund zwanzig operativen Helfern, davon rund die Hälfte Frauen und darunter auch in Deutschland lebende Ukrainer, wissen also, dass die Hilfe bei denen ankommt, die sie brauchen. 10.000 bis 13.000 Euro kostet allein ein Transport, da ist das Spendenmaterial noch nicht eingerechnet. Breitenbach ist gut vernetzt, mit erfolgreichen Leuten. Unternehmer als Hauptgeldgeber, aber auch Privatleute und Institutionen; Krankenhäuer zum Beispiel, bei denen hat er Pflegebetten besorgt, als ihm die Partner-Hilfsorganisation vor Ort sagte, sie bräuchten dringend welche.
Für nächste Tour am 17. Juli noch dringend Spenden benötigt
Eigentlich wollte er nicht mehr fahren, sagt er, während er ein Video auf seinem Smartphone öffnet. Es zeigt ein zerbombtes etwa achtstöckiges Haus, bei dem es aus zwei Balkonen brennt. Leiser und mit einem kaum wahrnehmbaren Beben in seiner Stimme sagt er: „Wir haben das bei unserer letzten Fahrt gesehen und gefilmt“. Und bei „wir“ schaut seine am Nebentisch sitzende Frau Tine vom Spargel schälen hoch. Die sei bei jeder Fahrt dabei und unterstütze ihn.
Er wünsche sich so sehr, dass der Krieg aufhöre, täte er aber nicht. Und dann ist der Macher Breitenbach wieder Organisator und Beschaffer: „Und deshalb organisiere ich die nächste Tour“. Am 17. Juli ginge es wieder los. „Wir brauchen Lebensmittel, Kindernahrung, Inkontinenz- und Hygieneartikel, auch Töpfe und Pfannen zum Beispiel, aber kein Porzellangeschirr“, zählt er vehement auf. Er habe eine Liste, man könne ihm einfach eine Mail an f.breitenbach@gmx.net senden oder ihn unter Tel.: (01 70) 4 16 73 55 anrufen, dann schickt er die Liste oder sagt, was gebraucht wird. Und da ist der Rhein keine Grenze: „Auch linksrheinisch gibt es Pflege- und Altenheime, die nicht mehr benötigte Rollstühle oder Rollatoren haben“, betont Breitenbach.
Und Geld wird natürlich auch gebraucht. Die großzügigen Hilfen zweier seiner Bekannten, Peter Horbach und Martin Kottig, sind unverzichtbar, aber es braucht mehr: Auf das Konto (IBAN) DE 96 5745 01200 0030 5104 kann überwiesen werden, der kleinste Betrag hilft. Durch die Vereinsgründung können nun auch Spendenquittungen über die Verbandsgemeinde ausgestellt werden. Natürlich steht auch in seinem Restaurant eine Spendenbox auf dem Tresen, Breitenbach lässt keine Gelegenheit aus, um Hilfe für die Menschen in der Ukraine zu bitten.
Menschen schicken Fotos von Verwendung der Spendengüter
Ich sage ihm, dass ich glaube, dass er gar nicht aufhören könne, „Nee, das kann ich auch nicht. So lange das da so weiter geht, mache auch ich weiter“, bestätigt mir Breitenbach, der seit 30 Jahren in der Gastronomie selbständig ist und vorher einen Handwerks- und kaufmännischen Beruf gelernt hat. Dann zeigt er mir Fotos eines Mannes mit zwei Oberschenkelamputationen im Rollstuhl sitzend. Der habe seine Beine durch eine Mine verloren. Nur auf den Stümpfen hätte der kriechen können, bis er von der Hönninger Ukraine-Hilfe einen Rollstuhl bekommen habe.
Die Spendenverteilorganisationen vor Ort bedanken sich nicht nur mit Urkunden, die Spendenempfänger schicken Fotos direkt an ihn. Dann zeigt er Kinderfotos mit Schoko-Osterhasen, 5.000 habe er hingebracht. Überhaupt, jeder Transporter hat immer eine Kiste Süßigkeiten dabei für die Kinder. Anfangs fuhren sie ihre Hilfstransporte über Rumänien, da standen Kinder in ärmlicher Kleidung am Straßenrand, ohne Schuhe. Denen haben sie dann auch immer aus den Kisten Süßigkeiten gegeben. Natürlich aber auch und gerade den ukrainischen Kindern.
Ähnliches hatten wir schon einmal. Vor 75 Jahren. Da riegelte die damalige Sowjetunion von Juni 1948 bis Mai 1949 alle Zufahrtswege nach West-Berlin ab. Und aus den Flugzeugen der Westalliierten, die über die Luftbrücke die Stadt mit Hilfsgütern versorgte und am Leben hielt, warfen die Piloten vor der Landung den wartenden Kindern an aus Taschentüchern gebastelten Fallschirmen Süßigkeiten, auch Rosinen, ab; dafür gaben die Berliner den Fliegern einen Spitznamen. Er fliege zwar nicht, sage ich zu Breitenbach, aber für die Kinder im Kriegsgebiet sei er ja nun der „Rosinenbomber“ aus dem Westen, nur eben auf der Straße. Breitenbach schaut mich mit etwas feuchteren Augen an. „Ja, die Kinder“, sagt er etwas bewegt, „wenn die lächelnd in Sicherheit sind oder sich über Spielzeug freuen…“. Seinen Satz beendet er nicht und sagt dabei doch alles.
Dann steht er auf, macht sich wieder auf den Weg zur Küche. Er ist kein Mann, der sich gern in die Reihe von Helferhelden stellen lässt oder ein Dankeschön annimmt, für das, was er tut. Das hat er schon nur schwer ertragen, als er vor laufenden SWR-Kameras von einer ukrainischen Helferin, deren Verwandte er aus dem Krieg in den Frieden gebracht hat, mit einem Korb ukrainischen Gebäcks als Dankeschön überrascht wurde. Er will nur helfen und dabei will er unterstützt werden, das treibt ihn an.
Als er sich noch einmal zu mir umdreht, sagt er, wieder fest und klar: „Die Menschen in der Ukraine brauchen uns und unsere Hilfe. Bis zum 17. Juli ist es nicht mehr lang. Und wir brauchen die Unterstützung der Menschen aus der ganzen Region!“
Tine und Franz Breitenbach stützen sich gegenseitig beim Helfen und sammeln auch in ihrem Restaurant mit der Spendenbox für die Ukrainer.
