Im Amtsgericht Sinzig werden Werke der Friedensgruppe der Barbarossaschule ausgestellt
Die Heimat ins Bild gebracht
Leinwände sind mit Farbe, Schrift, Sand und Münzen der jeweiligen Herkunftsländer gestaltet
Sinzig. Viele blaue Flächen, Münzen, die sich darin wie Monde ausnehmen, ruhige, aber auch aufgewühlte Gefilde sind seit Neuestem auf den Fluren im ersten Stock des Amtsgerichts Sinzig anzutreffen. Malerei hat Einzug gehalten – und das nicht zum ersten Mal. Kunstausstellungen gab es dort schon früher, jedoch noch keine von so jungen Menschen verschiedenster Herkunft wie die aktuelle. Sie wurde von 13 Schülern der von Johanna Kretschmer geleiteten Friedensgruppe der Barbarossaschule Sinzig gestaltet. Erarbeitet haben sie ihre Bilder, in die sie Gedanken und Gefühle zu Wesen und Bedeutung von „Heimat“ einfließen ließen, unter Anleitung der Künstlerin Annette Predeek. Dies geschah im Kunstprojekt „Heimatsuche“, das vom Lokalen Aktionsplan der Stadt Remagen im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ finanziell unterstützt worden ist. Die heute Zwölf- bis Achtzehnjährigen brachten nicht nur Farbe auf die Leinwand, sondern auch Schrift, Sand, Staub und Münzen ihrer jeweiligen Heimatländer Syrien, Deutschland, Libyen, Thailand, Rumänien, Nigeria und Marokko. Die Farbe Blau ist beinah allgegenwärtig. Da lässt Mahmoud Rammo aus Syrien, 18 Jahre, einen blendend hellen Mond im Meer versinken. Die etwas jüngere Aiah Chaaban, geboren in Libyen, bekrönt unter lichtblauem Himmel dunkelblaue Wellen mit einer goldenen Kontur. Und zwei Wolken gleich, verwendet Purida Amnadrungtrakul, sie stammt aus Thailand, im Himmelsblau ihre Herkunftssprache und -schrift. „Schöne See“ und „Himmel“ schweben nun über den Wassern ihres Bildes. Gelungen auch die Arbeit von Ioana Savu, deren Heimat Rumänien war. Sie hat mitten durchs lilafarbige Format eine Art zuckenden weißen Blitz geschickt, während sie an den Seiten beschriebene Papierschnipsel einließ. Zur Eröffnung brachten die jungen Maler ihre Namensschildchen selbst unter den Bildern an, die Rechtspflegerin Sigrid Seul an den Wänden verteilt hatte. Alle diese schönen Stücke sind 2019 am Tag der Demokratie in Remagen erstmals öffentlich präsentiert worden. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat sie gesehen. Dass es die Friedensgruppe auch zu schätzen weiß, im Amtsgericht auszustellen, brachte Mitglied Anastasia Schramm zum Ausdruck. Die stellvertretende Leiterin der Barbarossaschule, Uta Erlekampf, vermittelte: „Wir sind eine sehr multikulturelle Schule und haben uns auf die Fahne geschrieben, die Vielfalt ganz positiv zu leben.“ Der Friedensgruppe gegenüber sagte sie: „Ihr repräsentiert eure Heimat, aber ihr repräsentiert auch die Schule.“
Zuvor hatte der Direktor des Amtsgerichts, Michael Mayer, die Aussteller, ihre Begleiter und Mitarbeiter des Amtsgerichts begrüßt. In seiner Ansprache dankte er der Friedensgruppe für die Überlassung der Bilder und betonte den Wert von Heimat: „Das ist etwas ganz Kostbares, etwas, das einem Halt und Geborgenheit gibt. Die Entscheidung, auf der Suche nach einer friedlichen, angstfreien Zukunft die eigene Heimat zurückzulassen und sich auf eine ungewisse, beschwerliche und mitunter lebensgefährliche Reise in andere Länder dieser Welt aufzumachen, ist gewiss keine, die leichtherzig getroffen wird“, erklärte Mayer. Sie sei vielmehr meist Ausdruck tiefer Verzweiflung. Er hob auch hervor, gerade in Zeiten rechtsnationalistischer und populistischer Stimmungsmache sei es wichtig, Zeichen gegen Hass, Hetze und Ausgrenzung und für Frieden, Toleranz und Nächstenliebe zu setzen. Es sei ermutigend, wenn sich gerade junge Menschen – wie die Schüler der Friedensgruppe – für ein weltoffenes, vielfältiges Miteinander engagierten.
Die Kunstwerke empfindet er im Amtsgericht als „gut aufgehoben“. Das zeige sich nicht zuletzt daran, dass die Gerichte dem Verfassungsgebot, wonach alle Menschen, gleich welcher Herkunft, vor dem Gesetz gleich sind, Geltung zu verschaffen hätten. „Dies gilt gerade auch für diejenigen, die ihre Heimat verlassen und hier in Deutschland ein Zuhause gefunden haben.“
Sie könnten auf der Suche nach Heimat eine solche nur dann in Deutschland finden, wenn sie hier – womöglich anders als in ihrem Ursprungsland – Recht und Gerechtigkeit erfahren.
Die Ausstellung ist bis Anfang Juni im Amtsgericht montags bis freitags von 9 Uhr bis 12 Uhr zu sehen. HG
Angeregte Unterhaltung: Künstlerin Annette Predeek (v. l.), die stellvertretende Schulleiterin Uta Erlekampf und Johanna Kretschmer.
, v. l. Aiah Chaaban, Rafah Alaasar: Aiah Chaaban (v. l.) und Rafah Alaasar schauen sich gemeinsam auf den Fluren um
Eine Ausstellerin und Michael Mayer, der Direktor des Amtsgerichts
