Der Hundepsychologe Jörg Denzin aus dem Westerwald kennt sich beim Thema Hundeerziehung gut aus. Nun klärt über häufige Fehler in der Hundeerziehung auf.
Dumme Hunde gibt es nicht
Niedererbach. Jörg Denzin arbeitet seit dem Jahr 2006 als Dozent für Hundepsychologie an verschiedenen Instituten und Akademien. In dieser Funktion bildet er angehende Hundetrainer und Hundeverhaltenstherapeuten aus. Außerdem sind seine Hunde seit 10 Jahren als Therapiehunde in der neurologischen Rehabilitationsklinik in Bad Camberg tätig. Denzin trat in verschiedenen Fernsehformaten als Hunde-Experte auf, so zum Beispiel auf RTL und im SWR-Fernsehen. Nun sprach BLICK aktuell mit Denzin.
BLICK aktuell: Was sind die häufigsten Fehler bei der Hundeerziehung?
Jörg Denzin: Zu den häufigsten Fehlern gehören eine mangelnde Führungskompetenz des Hundehalters - auf der einen Seite muss der Hund die sozialen Bedürfnisse seines Menschen erfüllen, auf der anderen Seite ist er der emotionalen Willkür seiner Menschen ausgesetzt und bekommt keine Hilfe bei Not und Gefahr.
Ein weiteres Thema ist die Vermenschlichung. Menschliches Denken und Handeln wird auf den Hund übertragen z. B. das militärische Führungsprinzip von Befehl und Gehorsam, Spazieren- und Gassigehen und vieles mehr (so etwas kennen Hunde nicht).
Fehlende Kommunikation ist ein weiterer Faktor. Kommunikation ist ein sozialer Prozess, der tief in das Zusammenleben der beiden unterschiedlichen Arten eingreift. Fehlt dem Hundehalter das Wissen über hündische Kommunikation, ist erfolgreiche Hundeerziehung von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
BLICK aktuell: Sicher gibt es unter den verschiedenen Rassen Unterschiede bei der Lernbereitschaft – gibt es eine „klügste“ Hunderasse?
Jörg Denzin: Nein, es gibt keine Unterschiede bei der Lernbereitschaft, und somit gibt es auch keine „klügste“ Hunderasse. Jedes gesunde Gehirn lernt, wenn das Lernfeld die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt. Die Unterschiede liegen in der künstlichen Selektionsauswahl. Zum Beispiel wurde bei Hütehunden (u. a. Border-Colli), großen Wert auf „Unterordnung“ und schnelle Ausführung der vielen unterschiedlichen Signale seiner Besitzer gelegt, bei Herdenschutzhunden (u. a. Kangal) dagegen, kommt es darauf an, einen großen, mutigen und selbständig handelnden Hund zu züchten. Das heißt: jeder Hund der entsprechend seiner Rasse intrinsisch oder extrinsisch motiviert ist lernt, weil die Biologie des Lernens bei allen Säugetieren, einschließlich uns Menschen, in gleicher Weise abläuft.
BLICK aktuell: Stichwort Gehirn: Wie lernen Hunde eigentlich?
Jörg Denzin: Lernen ist bei allen Säugetieren, ein chemisch-elektrischer Vorgang, dass heißt Hunde lernen wie Menschen! Kein Mensch ist auf die Welt gekommen und konnte bereits alles, alles was ein Mensch heute gut kann, hat er durch ständiges Wiederholen gelernt. Über die fünf Sinnesorgane gelangen die Reize aus der Umwelt in das Gehirn und werden dort von den Nervenzellen empfangen – verarbeitet – und weitergeleitet. Die Nervenzellen verknüpfen sich, bilden „Netzwerke“ und werden durch ständiges Wiederholen modifiziert, im Langzeitgedächtnis abgelegt und als Erinnerungen abgerufen. Alle Säugetiere haben im Gehirn zwei gegensätzlich arbeitende Systeme, das Alarmsystem und das Belohnungssystem. Lernt der Hund über das Alarmsystem, dann wird er abgerichtet oder dressiert und muss lernen, lernt er über das Belohnungssystem, dann lernt er nach den neuesten Erkenntnissen der Kynologie und will lernen.
BLICK aktuell: Zum Schluss: Haben Sie drei Tipps wie Hundeerziehung erfolgreich ist?
Jörg Denzin: Aus dem Hund keinen halben Menschen machen, sondern versuchen selber ein halber Hund zu werden, indem ich ihn in seiner Andersartigkeit respektiere und Wertschätze, Authentisch bin und bleibe, Empathie für ihn empfinde und ihn fair behandle.
Der Hundehalter muss viel Hundewissen besitzen und ein Führsorgegarant und Vorbild für seinen Hund sein; Wissen bedeutet Dominanz! Dann muss der Hund nicht gehorchen, sondern er will gehorchen und die Erziehung ist immer erfolgreich!
Hunde lieben und folgen Menschen die liebevoll, ruhig und gelassen sind. Diese Menschen riechen nach den Glücks- und Kuschelhormonen. Dagegen riechen Menschen die gestresst sind und ihre emotionalen Ausbrüche kaum unter Kontrolle halten können nach den Stresshormonen. Mit allen diesen Hormonen haben die Hunde ihre Erfahrungen gemacht und verhalten sich dementsprechend. Das heißt: Glückliche Menschen sind hier absolut im Vorteil.
ROB