Bürgergespräch in Odendorf mit Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner (CDU)

Evakuierung in Odendorf verlief nichtso, wie man es sich gewünscht hätte

Evakuierung in Odendorf verlief nicht
so, wie man es sich gewünscht hätte

Zu beiden Seiten des Orbach in Odendorf hatte es in der Nacht zum 15. Juli schwere Schäden infolge der Flutkatastrophe gegeben. Beim Bürgergespräch im Dietrich-Bonhoeffer-Haus wurden die Geschehnisse aufgearbeitet, aber auch ein Blick nach vorne gewagt. Foto: Archiv Jost

Odendorf. Bis zum letzten Platz gefüllt war der große Saal des Dietrich-Bonhoeffer-Hauses in Odendorf beim Bürgergespräch, zu dem Bürgermeisterin Petra Kalkbrenner (CDU) die Anwohner, der am stärksten von der Flutwelle betroffenen Straßen in Odendorf, eingeladen hatte. Die Veranstaltung sei keine Eintagsfliege, versprach Moderatorin Marion Theisen (Bonn), denn die „Hausaufgaben“, die der Gemeinde von den Bürgern an diesem Abend mitgegeben würden, sollen in einem Vierteljahr bei einem weiteren Bürgergespräch auf den Prüfstand gestellt werden.

„Swisttal ist verwundet, die Menschen sind verwundet, aber wir wollen heute auch einen Blick nach vorne richten“, begrüßte Kalkbrenner die Odendorfer. Ausdrücklich bat sie die Bürger um Entschuldigung dafür, „dass wir keine Kommunikationsmöglichkeiten hatten, das hat auch uns extrem belastet“. Bei der Aufarbeitung der Katastrophe müsse man in vielen Bereichen neu denken und auch einige Projekte neu anfangen. Positiv sehe sie den Beschluss der Bundesregierung, einen Fonds „Aufbauhilfe 2021“ mit 30 Milliarden Euro aufzulegen, der die Folgen der Flutkatastrophe abmildern soll. Schon in diesem Jahr sollen daraus 16 Milliarden Euro ausgegeben werden, berichtete Kalkbrenner, „das macht uns Hoffnung.“ Diese Nachricht sei besonders wichtig für diejenigen unter den Betroffenen, die keine Versicherung hätten, die den Schaden abdecke. Das Antragsverfahren werde einfach und unkompliziert sein, habe sie von NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach (CDU) erfahren.

Verkehrssituation

alles andere als sicher

Doch eigentlich gehörte der Abend den Bürgern und ihren Fragen. Die drehten sich zunächst um die fehlende Straßenbeleuchtung in den Straßen „In der Freiheit“, „Odinstraße“ und „Orbachstraße“. „Da kann man sich den Hals brechen“, hieß es angesichts ungesicherter Gefahrenstellen. Die Verkehrssituation in diesen Straßen sei ohnehin alles andere als sicher. Die Gemeinde werde mit Priorität diejenigen Dinge anpacken, die am kritischsten seien, versprach Kalkbrenner. Das in der Straße „In der Freiheit“ Anwohner gleich zweimal bei der Evakuierung vergessen worden seien, bedauerte auch die Bürgermeisterin. Aber die Grundschule, in die sie sich gerettet hätten, sei im Obergeschoss ein sicherer Ort gewesen, und die Feuerwehr sei zu der Zeit in erster Linie mit der Menschenrettung beschäftigt gewesen. „Bei der Evakuierung lief aber nicht alles so, wie man sich das gerne vorstellt“, gab aber auch die Bürgermeisterin zu.

Mehrfach wurde nach dem Ablauf der Ereignisse in der Nacht zum 15. Juli gefragt und kritisiert, dass niemand von der Gemeinde vor Ort gewesen sei. Was Kalkbrenner aber gleich konterte: „Ich selbst war mehrere Tage auf dem Zehnthofplatz, aber wir können nicht überall sein.“ Auch die Rolle der Steinbachtalsperre bei dem Desaster wurde kritisch hinterfragt, dies alles werde ganz genau aufgearbeitet, versprach Kalkbrenner. Wobei sie auch deutlich machte, dass Politik und Betreiber sich schon jetzt darin einig seien, die Talsperre künftig für den Hochwasserschutz zu nutzen, „das ist schon auf den Weg gebracht.“

Gemeinde nutzte die

Zeit der Evakuierung nicht

Bemängelt wurde auch, dass die Gemeinde die fünf Tage der Evakuierung von Odendorf nicht dazu genutzt habe, eine Organisation aufzubauen, die den Betroffenen hilft. Es habe keine Koordination der Hilfsorganisationen gegeben. „Wir fühlten uns allein gelassen, die Gemeinde zeigte nicht die Präsenz, die wir uns gewünscht hätten.“ Das wiederum, so Kalkbrenner, sei nicht Aufgabe der Gemeinde, sondern des Kreises, dessen Krisenstab noch in der Katastrophennacht die Einsatzleitung übernommen habe. Außerdem sei die Gemeinde ja selbst durch die Überschwemmung des Rathauses kaum handlungsfähig gewesen, habe aber unter schwierigen Verhältnissen dafür gesorgt, dass die Infrastruktur wieder nutzbar gemacht wurde, Schulen und Kindergärten wieder ans Laufen kommen, die Riesenmenge an Müll entsorgt werden konnte, den Verkehr wieder in geordneten Bahnen gelenkt und vieles mehr. Außerdem überlege man, wie man den Anliegern der am schlimmsten betroffenen Straßen, die vielleicht ihre Häuser nach der Flutkatastrophe nicht mehr nutzen wollen oder können, eine Alternative schaffen könne.

Das Problem, dass viele Heizungen in den betroffenen Häusern kaputt seien, die Heizperiode aber schon bald beginnen, wurde ebenfalls angesprochen. Der regionale Energieversorger E-Regio bemühe sich, allen Hausbesitzern, die eine Gasanschluss beantragt hätten, diesen auch zu verschaffen. Doch da gebe es ein großes Kapazitätsproblem, mittlerweile habe man schon Firmen bis nach Bremen angefragt, um die Arbeiten durchzuführen. Dieses Jahr werde es wahrscheinlich nicht mehr für jeden Hausanschluss reichen, deshalb werde e-regio Übergangslösungen anbieten wie elektrische Heizungen oder Flüssiggas-Anlagen. Leider gebe es keine Möglichkeit, Ölheizungen zu verbieten, wie aus dem Publikum gefordert worden war, weil die auslaufenden Öltanks die Katastrophe noch schlimmer gemacht hätten. Vielmehr müsse man die betroffenen Hausbesitzer mit Argumenten dazu bewegen, ihre Heizung auf andere Energieträger umzustellen. Doch viele Familien könnten wohl über den Winter nicht in ihren Häusern bleiben, wenn die Heizung nicht funktioniere, für die versuche die Gemeinde eine Unterbringungsmöglichkeit zu finden, so Kalkbrenner.

Orbach gleich um

den Ort herumleiten?

In Zukunft müsse jedenfalls sehr viel mehr für den Hochwasserschutz getan werden, waren sich alle einig und steuerten auch schon einige Ideen dazu bei. So müsse die Steinbachtalsperre künftig in erster Linie dem Hochwasserschutz dienen, aber auch vor der „Orbachschlucht“ unterhalb der Lappermühle müsse eine effektive Rückhaltung gebaut werden. Zudem wurde vorgeschlagen, den Orbach gleich ganz um den Ort herum zu leiten. Der Bahndamm habe sich wegen des zu klein dimensionierten Durchlasses als Staumauer erwiesen, auch rund um die Sporthalle habe es eine Wasseranstauung gegeben, der man auf den Grund gehen müsse. Die Gemeinde werde sich um all dies Gedanken machen müssen, bestätigte die Planungsausschussvorsitzende Gertrud Klein (CDU). Swisttal sei aber ohnehin schon auf einem guten Wege, denn erst vor allem halben Jahr habe man sich dazu entschieden, Bebauungspläne künftig sehr viel klimafreundlicher als bisher zu planen.