Das KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis in Blätter zum Land Nr.80

„Gegen das Vergessen ankämpfen“

05.02.2020 - 08:19

Cochem. Ein beachtliches Interesse fand eine Veranstaltung der Landeszentrale Politische Bildung Rheinland-Pfalz, die im Kreishaus neueste Erkenntnisse zum Außenlager Kochem-Bruttig-Treis präsentierte. Die Historikerin Ksenia Stähle-Müller hat auf 20 Seiten Fakten, Zahlen, Tabellen und jede Menge Infos zu dem ehemaligen KZ-Außenlager des KZs Natzweiler-Struthof gesammelt. Von März bis Oktober hatten im ehemaligen Eisenbahntunnel zwischen Bruttig und Treis bis zu 1600 KZ-Häftlinge gleichzeitig unter menschenunwürdigen Bedingungen gearbeitet. Landrat Manfred Schnur begrüßte die Autorin, Vertreter der Landeszentrale und Besucher im Kreishaus. „Ich bin erfreut, dass diese Veranstaltung so viele vor allem junge Zuhörer findet“, freute sich der Kreischef. „In der Woche des Gedenkens dürfen wir das Geschehene nicht vergessen und müssen stets gegen das Vergessen ankämpfen“, mahnte Schnur, ehe Ksenia Stähle-Müller mit Hilfe einer Power-Point-Präsentation ihre Forschungsergebnisse zeigte. In den Ausführungen kam das ganze Ausmaß der Verbrechen zum Vorschein. Zwar hat das Außenlager nur wenige Monate existiert, aber die 2409 identifizierten Häftlinge mussten dennoch Unmenschliches erleben: Von den drei Standorten aus hatten die Häftlinge den Eisenbahntunnel für Rüstungszwecke umzubauen, in dem Zündkerzen für die Firma Bosch (Tarnname „Widu“) hergestellt wurden, die in Flugzeugmotoren gebraucht wurden. Unter dem Decknamen „Zeisig“ marschierten die Männer aus Frankreich, Benelux, Russland und anderen Staaten jeden Morgen zum Tunnel, um ihn unter anderem vom Dreck einer früheren Champignonzucht zu befreien, neue Wasser- und Stromleitungen zu verlegen und Wege zu planieren.

Entkräftet und krank versuchten viele Sträflinge dennoch, zu fliehen. „Insgesamt 37 Versuche sind bekannt, die meisten wurden - auch von der Dorfbevölkerung – vereitelt und die Geflohenen streng bestraft, 13 sogar durch den Strang hingerichtet“, so die an der Universität Trier arbeitende Historikerin. Insgesamt 93 Häftlinge sind nach derzeitigem Forschungsstand im KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis zu Tode gekommen. Die engagierte junge Frau berichtete zum Schluss, dass die Verfolgung der Verantwortlichen nach dem Krieg sehr zögerlich, wenn überhaupt, stattgefunden hat. „Die Wiedergutmachung und Entschädigung der Opfer fand nur spärlich statt, zumal viele der Opfer bereits verstorben waren“, so Ksenia Stähle-Müller. Landrat Schnur sagte bei dieser Gelegenheit, dass es umso wichtiger sei, auch künftig Gedenkarbeit zu betreiben, um das NS-Unrecht der Vergessenheit zu entreißen.„Es ist daher wichtig, dass es in der Region Erinnerungsorte für die Opfer dieses KZ-Außenlagers gibt. Wir haben es in der Hand, dass die Erinnerung und auch die Mahnung greifbar und erfahrbar werden“, schloss der Kreischef die Veranstaltung.


„Blätter zum Land“ Nr. 80


Das KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis gibt es kostenlos bei der Landeszentrale für politische Bildung, Am Kronberger Hof 6 in 55116 Mainz (lpb.versand@politische-bildung-rlp.de). Auch in den Gedenkstätten SS-Sonderlager/KZ Hinzert und dem NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz/Gedenkstätte KZ Osthofen sowie im Medienzentrum Koblenz, Markenbildchenweg 38 ist die 20-seitige Broschüre erhältlich.

TT

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