Ein Abend mit Büchern, Menschen und Emotionen
Geschichten, die berühren

Selters. Ein volles Haus, gespannte Zuhörer und sieben ganz unterschiedliche Bücher, die alles eines gemeinsam hatten: Sie bedeuten ihren Vorstellenden etwas. Die Bücherei war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Moderator Eckhard Schneider den Abend eröffnete. „Ich freue mich immer, wenn hier jemand Platz nimmt, um seine Begeisterung für ein Buch zu teilen“, sagte er – und genau das geschah bei „Selters liest vor“, übrigens im fünfzehnten Jahr.
Karl Wilbois machte den Auftakt mit einem Auszug aus „Wackelkontakt“ von Wolf Haas. Mit trockenem Humor und raffinierter Verschachtelung erzählt der Roman von einem Trauerredner, dessen Welt ins Wanken gerät, als sich Fiktion und Realität vermischen – und ein Mafia-Kronzeuge in einem Buch genau seine Geschichte zu lesen beginnt.
Einen tief bewegenden Einblick in das Innenleben eines Autisten gewährte Lara Jordan mit dem Buch „Ich will kein Inmich mehr sein – Botschaften aus einem autistischen Kerker“ von Birger Sellin. Der Autor schrieb in den 1990er Jahren mithilfe „gestützter Kommunikation“ eindringliche Texte über seine Wahrnehmung der Welt – Worte, die Jordan als Förderschullehrerin bis heute in ihrer Arbeit begleiten.
Die jüngste Leserin des Abends, Clara Wüst, war gerade einmal 13 Jahre alt – doch ihre Begeisterung für Literatur war unüberhörbar. Sie stellte „The Inheritance Games“ von Jennifer Lynn Barnes vor, in dem eine Schülerin unverhofft das Erbe eines Milliardärs antritt und sich in einem Netz aus Rätseln und Intrigen wiederfindet. Clara, selbst Autorin eines Kinderbuches, überraschte das Publikum zudem mit einer Kostprobe aus ihrem eigenen, derzeit entstehenden Jugendroman.
Einen bewegenden Kontrast bot Marietta Hering mit „22 Bahnen“ von Caroline Wahl – der Geschichte einer jungen Studentin, deren strikt durchgetaktetes Leben und der Verantwortung für die kleine Schwester und ihre alkoholkranke Mutter sich verändert, als sie eine Promotion in Berlin angeboten bekommt und als Viktor in ihr Leben tritt.
Susanne Ströder und Jens Stoodt präsentierten gemeinsam „Der Zopf“ von Laetitia Colombani – drei Frauen, drei Schicksale, drei Länder: Eine Inderin kämpft um Bildung für ihre Tochter, eine Italienerin um den Fortbestand der väterlichen Perückenfabrik, eine Kanadierin gegen den Krebs. Ein Roman über Kraft, Würde und die unsichtbaren Fäden, die Menschen weltweit verbinden.
Mit spürbarer Leidenschaft sprach Pauline Lantermann über „Breakfast for Champions“ von Kurt Vonnegut – eine bitterböse, aber tiefsinnige Satire über die Absurdität des Lebens. Lantermann, die über das Werk ihre Masterarbeit in amerikanischer Literatur schrieb, vermittelte an dem Abend ihre Begeisterung für die Ironie, den Witz des Autors.
Zum Abschluss sorgte Moderator Eckhard Schneider selbst für heitere Momente. In seiner eigenen Kurzgeschichte schilderte er, wie er – plötzlich aus dem Schlaf gerissen – heldenhaft vermeintlichen Einbrechern entgegentrat. Mit „Waffe“ in der Hand, bereit zum Kampf. Nur: Das Schwert entpuppte sich als Flasche Fleckenentferner – und die Einbrecher waren keine. Das Publikum lachte herzlich und verabschiedete sich von einem Abendvoll mit lebendiger Literatur und begeisterten Lesern.