Steuerungsgruppe der Fairtrade-Stadt-Sinzig weist auf ihren Einkaufsführer hin, der unter fairtrade-sinzig.de einzusehen ist.
„Ich würde gerne bedeutend sein“
Von indische Kindern hergestellte Produkte sind u. a. Schmuck, Waffen, Räucherstäbchen, Flip-Flops, Teppiche etc.
Sinzig. „Ich würde gerne bedeutend sein und in die Schule gehen“, so formulierte Shine, ein indisches Kind, das seit seinem fünften Lebensjahr ganztags als Sklavin arbeitet, ihren größten Wunsch, den sie gegenüber dem Kinderarbeitsexperten Benjamin Pütter äußerte. Der Theologe ist seit November 2015 Berater für die Bereiche Kinderrechte und Kinderarbeit beim Kindermissionswerk „Die Sternsinger“.
Weltweit arbeiten gut 150 Millionen Kinder für den Profit der Reichen. In den letzten 38 Jahren reiste Pütter über 80 mal nach Indien und besuchte vornehmlich Kindersklaven in Steinbrüchen, denn in sieben von acht werden Grabsteine auch für Deutschland gehauen. Unter falschem Namen und unangekündigt sah er Kinder voller Angst wegrennen; sie hatten Order. Er machte grauenhafte und gefährliche Zustände öffentlich und erhielt Morddrohungen.
Die Kinder arbeiten ohne Schutzkleidung im Steinbruch
Die Kinder arbeiten beim Steineklopfen ohne Schutz vor Splittern, die ihnen die Augen verletzen, vor Staub, der ihre Lungen schädigt, und vor dem Lärm der Steinbohrer, der sie taub werden lässt. Je älter sie werden, desto schwerer wird der Hammer, mit dem sie arbeiten. Ihre Lebenserwartung liegt bei nur etwa 35 Jahren. Eine Ursache für die Kinderarbeit ist in Indien u. a. das Kastenwesen, in dem die Kinder als Kastenlose ausgebeutet werden können, denn sie wurden nach Ansicht der höheren Kasten als Folge ihres schlechten Lebens dort hineingeboren. Ihre schwere Arbeit erzeugt bei den Menschen keine Gewissensbisse, denn sie gleicht einem Gottesdienst, um im nächsten Leben in eine höhere Kaste zu gelangen. Kinder lassen sich zudem problemlos als billige Arbeitskräfte ausbeuten, ihre Tätigkeit ist zur Normalität geworden.
Folgende Produkte, die wir nutzen, stellen indische Kinder her: Schmuck, Waffen, Räucherstäbchen, Flip-Flops, Teppiche und Feuerwerkskörper...
Verbot der Kinderarbeit wird sehr oft missachtet
Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in Genf verbietet in ihren Konventionen die ausbeuterische und gesundheitsschädigende Kinderarbeit. Eine Studie der UN belegt allerdings, dass viele Länder, die den Vertrag unterzeichnet haben, das Verbot missachten. Pütter war selber schon an der Befreiung von Kindersklaven beteiligt. Er betonte, dass die Kinder erst frei sind, wenn sie eine Schule besuchen können. Solche Kinder sind hoch motiviert und holen in einem halben Jahr den Unterrichtsstoff von drei Schuljahren nach. Das Befreiungsgeld der indischen Regierung für den Neustart lässt aber lange auf sich warten. Der Übergang kann beispielsweise schulbegleitend in der Honigproduktion oder in der Maßschneiderei überbrückt werden.
Was kann in Deutschland gegen die Kinderarbeit unternommen werden? Staatlicherseits müsste eine faire Lieferkette ohne Ausbeutung und Kinderarbeit gewährleistet werden. Dazu ist ein Lieferkettengesetz geplant. Ein Problem bleibt aber: 86 Prozent der Deutschen wollen billigste Waren kaufen, und diese kommen nicht aus fairer Produktion. Auf dem Markt gibt es durchaus Produkte ohne Kinderarbeit und mit fairen Löhnen für die Produzenten (siehe „XertifiX, label-online, fair for life, fair-stone, und kinderarbeitstoppen/Sternsinger“). Weltweit arbeiten Kinder auf Kakaoplantagen, ebenso bei der Ernte von Haselnüssen. Produkte mit einem Siegel für fairen Handel jedoch werden unter Ausschluss von Kinderarbeit hergestellt. Bei Gummibärchen sollte man darauf achten, dass sie mit Bienen- und nicht mit Canaubawachs, das fast immer aus Kindersklavenarbeit stammt, überzogen sind. Laut Pütter ist es noch schwer, ganz ohne Kinderarbeitsanteil zu konsumieren, aber wichtig sei es, einfach anzufangen, fair einzukaufen. Gerade die Advents- und Weihnachtszeit eigne sich dazu. Die Steuerungsgruppe der Fairtrade-Stadt-Sinzig weist in diesem Zusammenhang auf ihren Einkaufsführer hin, der unter fairtrade-sinzig.de einzusehen ist. Sie empfiehlt auch, in den Geschäften nach fair gehandelten Produkten zu fragen, um dadurch evtl. eine Erweiterung des Sortiments zu bewirken.
